Ist ein bankrottes Golfhotel im nordirischen Enniskillen der passende Ort für ein Treffen der wichtigsten Staatschefs? Ein Besuch vor Ort.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Enniskillen - Auf einen „blinden Gipfel“ fährt der Reisende hier zu. „Blind Summit“ warnt das rot umrahmte Verkehrsschild draußen auf der Zufahrtsstraße. Ob diese Ankündigung ironisch gemeint ist, lässt sich ohne Weiteres nicht sagen. Die Staats- und Regierungschefs der G 8 könnten sie jedoch als Wink verstehen, wenn sie am kommenden Montag hier am Lough Erne in Nordirland zu ihrem jährlichen Treffen zusammenfinden.

 

Den normalen Reisenden auf dem Weg von Enniskillen nach Belleek teilt das Schild freilich nur mit, dass sie von dem, was hier auf sie zu kommt, nichts sehen, bis sie ganz oben auf dem Hügel angelangt sind. Wie in der wirklichen Weltökonomie tastet man sich auf dieser Straße in der Grafschaft Fermanagh von einem Aussichtspunkt zum nächsten vor. Und wie in der realen Welt kann auch hier täuschen, was einem das Ende des Wegs am Fuße des Regenbogens verspricht.

Das feudale Fünfsterne-Hotel zum Beispiel, in das der britische Premierminister David Cameron seine Amtskollegen für den 17. und 18. Juni eingeladen hat, ist nicht ganz das, was es zu sein vorgibt. Gewiss liegt es an einer landschaftlich reizvollen Stelle. Auf drei Seiten vom Erne-See umschlossen, bietet das „Lough Erne Golf Resort“ Jachten-Exklusivität, Sportmöglichkeiten, luxuriöse Abgeschiedenheit. Zwei Golfplätze, von denen der Profigolfer Nick Faldo einen entworfen hat, zählen ebenso zum gut gesicherten Areal wie die Reichen-Herberge selbst und die umliegenden runden Türmchen der Golf-Village-Unterkünfte. Ein „Thai-Bad“, Konferenzräume und Hubschrauber-Landeplätze laden wohlhabende Kundschaft zum Verweilen ein.

100 neue Luxus-Golfplätze in 15 Jahren

Historische Wurzeln hat das Hotel allerdings nicht – erst vor sechs Jahren ist die gesamte Anlage, im Rausch des „Keltischen Tigers“, von einem örtlichen Supermarktkönig namens Jim Treacy für 35 Millionen Pfund aus dem Boden gestampft worden. Den größten Teil des Geldes borgte sich Treacy von der Bank of Scotland. Die aber ging im Credit Crash auf spektakuläre Weise unter. Im Mai 2011 war Treacy bankrott und musste das 2,5-Quadratkilometer-Gelände an eine Konkursverwaltung abgeben. Diese bemüht sich seither, das Golf-Hotel für zehn Millionen Pfund wieder abzustoßen – bisher allerdings ohne Erfolg. Nachdem in Irland zwischen 1995 und 2010 sage und schreibe 100 neue Luxus-Golfplätze gebaut wurden, leidet die Grüne Insel heute, in den mageren Jahren, an einer klaren Spielplatz-Übersättigung.

Nordirlands prominenter Bürgerrechtsaktivist Eamonn McCann findet denn auch die Symbolik des kommenden Gipfels fast zum Lachen. „Das Hotel liegt in den Händen einer Konkursverwaltung - wie der ganze globale Kapitalismus“, spottet er. Gipfel-Gastgeber Cameron will von solcher Häme jedoch nichts wissen. Der G 8-Gipfel dieses Jahres werde „der Welt zeigen, was für ein fantastischer Platz Nordirland geworden ist“, meint Cameron.

Dummerweise musste seit der Bekanntgabe des Konferenzortes auf einer Straße in Enniskillen bereits ein 60-Kilo-Sprengsatz entschärft werden, der dem Golf-Hotel von republikanischen Dissidenten zugedacht war. 26 Jahre nach der berüchtigten Enniskillen-Bombe der IRA, die damals elf Zivilisten tötete, befürchten britische und irische Geheimdienstler neue Anschläge. Der Gipfel ist ein offenkundiges Ziel.

Ein Pseudoschloss, das nun niemand mehr will

Etliche „befreundete“ Regierungen der Briten haben deshalb schon durchblicken lassen, dass ihnen die Wahl des diesjährigen Konferenzortes ein wenig seltsam erscheint. Auch die geringe Zimmerzahl, fehlendes Wi-Fi, Mobiltelefon-Blackspots und Bettenknappheit in der Umgebung sind moniert worden. All dem haben die Veranstalter seither versucht abzuhelfen. Auch die Folgen eines Brandes, die Schwimmbad und „Thai Spa“ im Winter lahmlegten, sind eilends behoben worden.

Neugierig haben in den vergangenen Monaten noch Ortsansässige und Touristen das Gelände „inspiziert“. Wer sich in den Lounge-Polstern an den Fenstern zum See dabei ein Tässchen Tee genehmigte, konnte nicht wissen, wer einem da den Tee und die Scones servierte - ein echter Bediensteter oder ein Secret-Service-Mitarbeiter.

Bedrückend mochte einem nur vorkommen, wie die noch gar nicht alten Räume dieses Pseudo-Schlosses und gescheiterten Spekulationsobjekts schon jetzt eine Atmosphäre wehmütiger Erinnerung und unaufhaltsamen Niedergangs umgibt. Wie sich das auf die Gipfel-Atmosphäre auswirken wird: Darüber lässt sich nur spekulieren.

Vor Demonstranten glaubt man sich in Enniskillen sicher

Am gemütlich flackernden Kamin jedenfalls wird wenig ausgehandelt werden. Es gibt nur eine einzige echte Feuerstelle, gleich beim Eingang, mit zwei Sitzplätzen – sozusagen als Teil der holzgetäfelten Visitenkarte. Ansonsten muss man mit Gasfeuern und künstlichen Vorrichtungen vorliebnehmen. Zuviel Authentizität war bei Jim Treacy, der schnell zu mehr Geld kommen wollte, nicht vorgesehen. Sollte die Sonne sich zeigen, was auch im Juni in dieser Weltengegend keineswegs garantiert ist, können die Politiker wenigstens ein wenig am Ufer des Sees flanieren. Er werde „hoffentlich keine Schwierigkeiten haben, Barack Obama vom Golfplatz fern zu halten“, hat David Cameron schon erklärt. Falls Obama die Toilette der Bar benutzen wollte, würde ihn ein Plakat über dem Pissoir darüber aufklären, dass sein Amtsvorgänger Bill Clinton einer der Mitbegründer der Anlage war. Die irische Welt ist klein, und die nordirische noch kleiner. Golfplätze und US-Dollar halten sie zusammen.

„Brillante Werbung“

Zumindest vor Demonstranten glaubt man sich in Enniskillen sicher. Auf seiner Landzunge ist das Golfgelände nur über seinen Hubschrauberlandeplatz und die schwer bewachte Zufahrt zum Hotel zugänglich. Normaler Schiffsverkehr auf dem unteren Lough Erne wird am Vortag des Gipfels eingestellt. Mehr als 3000 Polizisten werden in der Region im Einsatz sein. Die Uferstraße wird abgezäunt werden und drei Drohnen am Himmel über dem Hotel sollen ein Auge auf Anti-Globalisierungs-Aktivisten und mögliche Terrorgruppen – nicht zuletzt der einheimischen Sorte – werfen. Dennoch, meint Gastgeber Cameron, beweise die bisher größte Konferenz auf nordirischem Boden, wie weit man in der Provinz inzwischen auf dem Weg zum Frieden gekommen sei.

Als „brillante Werbung“ für „diesen wunderschönen Teil des Vereinigten Königreichs“ will Cameron seinen G 8-Gipfel verstanden wissen. „Die ganze Welt“ solle sehen, dass Nordirland „für allen Geschäftsverkehr geöffnet und ideal für Investitionen“ sei.

Im „Lough Erne Golf Resort“ wäre man allerdings schon froh, wenn ein auswärtiger Investor sich des künstlich am Leben gehaltenen Geländes annähme – und der G 8-Rummel zur Folge hätte, dass wenn schon nicht die ganze Welt, so doch wenigstens dieser Tummelplatz der Reichen gerettet werden könnte.