Die Polizeipräsenz rund um das Treffen der G20-Finanzminister ist gewaltig, aber die Bürger Baden-Badens bleiben erstaunlich gelassen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Baden-Baden - Ausnahmezustand in Baden-Baden? Davon ist die Stadt an der Oos an diesem Freitag weit entfernt, auch wenn derzeit die Augen der Welt auf sie gerichtet sind. Die Schüler kaufen wie jeden Morgen noch eine Brezel in der Fußgängerzone, bevor der Unterricht beginnt. Jeder kann mit dem Auto ohne Stau ins Zentrum fahren, die meisten Geschäfte sind offen, die Thermen warten auf Badegäste. Nirgendwo außerhalb der Sicherheitszone um das Kurhaus, wo die Finanzminister der G20-Staaten tagen, ist die Bewegungsfreiheit der Bürger eingeschränkt.

 

Und doch ist an diesem Wochenende nichts normal in Baden-Baden. Das merkt man vor allem an der schier unglaublichen Zahl von Polizisten. Vor fast jedem Hotel sind Sicherheitskräfte postiert, sie patrouillieren durch die Straßen, und sie sichern natürlich die mit Gittern abgeriegelte, rund einen Kilometer lange Sicherheitszone. 80 Betonklötze, jeder zwei Tonnen wiegend, verhindern die Zufahrt für alle Fahrzeuge. Einsatzleiter Reinhard Renter hatte im Vorfeld von einer „hohen abstrakten Gefährdungslage“ gesprochen. Die Polizei ist also selbst auf einen Anschlag vorbereitet – und versucht dennoch, den Gipfel fast zu einer fröhlichen Leistungsschau der Polizei zu machen. Gerne lassen sich die Reiter fotografieren, im Bürgerbüro verschenkt die Polizei ein Polifanten-Plüschtier an die 500. Besucherin, auf Facebook duzt man sich. Nur wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, wird es schnell ungemütlich – als ein Mann am Straßenrand parkt, um kurz etwas abzuholen, wird er davongescheucht.

800000 Euro gibt die Stadt für den Gipfel aus

Man mag sich gar nicht ausrechnen, wie viel Geld dieser Gipfel kostet, wie viele Überstunden bei der Polizei wieder einmal anfallen. Aber zumindest die Stadt Baden-Baden hat gerechnet. 800 000 Euro gebe man für den Gipfel aus, sagte OB Margret Mergen, und das sei gut investiertes Geld: Für den gleichen Werbeeffekt per Anzeigen müsste man Millionen ausgeben, glaubt sie. So aber sollen 600 Journalisten und 1900 Delegierte von der Kurstadt schwärmen, wenn sie wieder zuhause sind.

Für die Hotels und Restaurants ist der Gipfel ein Sechser im Lotto, alles ist ausgebucht. Die Inhaber der Geschäfte aber glauben, die Niete gezogen zu haben. Im Vorfeld seien immer die vielen Einschränkungen betont worden, sagt etwa Elisabeth Bechstein von einem Geschenkladen: „Jetzt traut sich niemand mehr ins Zentrum.“ Sie und die meisten Inhaber erwarten niedrigere Einnahmen. Aber die Delegierten nehmen doch ein Geschenk aus Baden-Baden mit? „Die kommen aus dem Gipfelghetto gar nicht heraus“, lacht Bechstein.

Die Globalisierungsgegner spielen Theater

Die meisten Baden-Badener gehen mit der Veranstaltung gelassen um. Sie sind mit dem Nato-Gipfel 2009, als die Einschränkungen weit umfangreicher waren, einiges gewohnt. Viele sind neugierig, am zentralen Zugang vor dem Kurhaus herrscht ein Rummel, als handele es sich um den Checkpoint Charlie in Berlin. Im Bürgerbüro habe es kaum Beschwerden gegeben, sagt Polizist Wolfgang Schmalbach. Auch einen jungen Mann, der beim SWR tätig ist, stört das alles nicht. Er arbeitet dieses Mal nicht beim G20, war aber mehrfach auf anderen Gipfeln. Dagegen seien die Maßnahmen hier „Kindergarten“.

Achtlos flanieren die meisten Besucher auch über den Leopoldsplatz, wo eine Baustelle für 90 000 Euro zugeschüttet wurde, damit Demonstranten keine Pflastersteine herausnehmen. Das betrachten viele als Schildbürgerstreich. Der Platz ist nun ein Flickenteppich aus Fliesen und Asphalt. Die Leute von Attac sehen aber nicht so aus, als ob sie sich für Pflastersteine interessierten. Die Globalisierungsgegner spielen lieber Theater, kritisieren die Großkonzerne und erhalten dafür viel Applaus. Fünf Demos waren angekündigt.