Dieses Treffen hat etwas verändert – in Hamburg, Deutschland, der Welt. Ein Kommentar von unserem Korrespondenten Christopher Ziedler.

Hamburg - Die Weltpolitiker sind wieder weg, die aus ganz Europa zusammengetrommelten Autonomen auch. Außer Spesen nichts gewesen? Alles wieder wie gehabt? Nein. Der G20-Gipfel hat auf vielen Ebenen mehr bewirkt als viele seiner Vorgänger. Er wird Folgen haben.

 

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Politisch gesehen ist das Hauptziel des Treffens erreicht. Donald Trump wurde nach seinem lauten Nein zum Weltklimavertrag zumindest wieder ansatzweise in globale Absprachen eingebunden. Vor Negativüberraschungen seinerseits wird die Welt auch weiter nicht gefeit sein, doch hat der US-Präsident eine gewisse Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Nicht nur sein Gespräch mit Putin deutet in diese Richtung, auch das Bekenntnis zur UN-Entwicklungsagenda, die Finanzzusagen im Kampf gegen Hungersnöte, das Festhalten an härteren Regeln für Banken oder der hart errungene Kompromiss in Handelsfragen stimmen hoffnungsvoller als zuvor.

G19 beim Klimaschutz

Das hat viel mit Schadensbegrenzung zu tun, die beim Klimaschutz nicht gelungen ist, wo aus den G20 die G19 geworden sind. Mit neuen Initiativen zur Lösung großer Zukunftsfragen konnte der Gipfel ohnehin nicht aufwarten – von einem Fonds für Unternehmerinnen in Afrika und einem stärkeren Einsatz zur Verhinderung globaler Pandemien abgesehen. Eine neue Weltordnung ist dennoch im Entstehen begriffen, der Trump mit seinen ungehobelten „America first“-Drohungen zwar den Stempel aufdrückt, in der der Austausch mit anderen Machtzentren punktuell aber weiter Kompromisse möglich macht.

Die so erfahrene Angela Merkel spielt in diesem Gefüge eine weit größere Vermittlerrolle, als es Deutschland eigentlich zusteht. Doch treten die kleinen Errungenschaften des Hamburger Gipfels in der Außenwahrnehmung so stark hinter der Randale am Rande zurück, dass die Kanzlerin für die Bundestagswahl politisch kein Kapital daraus wird schlagen können – stattdessen wirft ihr Votum für ihre Geburtsstadt im Nachhinein Fragen auf.

Wie geht man mit der Gewalt um?

Rechtfertigen sinnvolle Gespräche, dass Anwohner und Polizei Risiken ausgesetzt wurden, die im Nachhinein noch größer waren als ohnehin befürchtet? Wurde der Gipfel im linken Szeneviertel nicht von Anfang an als Provokation gewertet, was Ärger versprach? Die Staatsgewalt muss eine solche Veranstaltung durchsetzen. Ist die Entscheidung dafür gefallen, darf es kein Zurückweichen vor Gewalt geben – auch wenn Bilder entstehen, die nicht dem Ideal der Demonstrationskultur im demokratischen Rechtstaat entsprechen. Politisch unklug aber war die Ortswahl allemal.

Über künftige Gipfelschauplätze muss geredet werden. Vor allem die Idee, G20-Treffen künftig am Rande von UN-Gipfel in New York abzuhalten, verdient Beachtung. Nicht nur, dass damit die Vereinten Nationen als eigentliche Weltregierung wieder gestärkt würden, an deren Sitz in New York existiert auch die nötige Infrastruktur.

Vandalen verlieren jedes Maß

Der politische Leichtsinn entschuldigt nicht, was in Hamburg passiert ist: Die Polizei mag anfangs unbedacht, in der zweiten Krawallnacht dann seltsam zurückhaltend reagiert haben – vor allem aber haben Vandalen jedes Maß verloren. Anwohnern die Autos abzufackeln, Steine auf Umstehende zu werfen, kleine Läden zu plündern und in Wohngegenden einzufallen, entlarvt ihren aufklärerischen Anspruch als bloße Fassade, hinter der sich gewöhnliche Hooligans verstecken. Sie haben den berechtigten Anliegen vieler G20-Kritiker einen Bärendienst erwiesen – deren politische Botschaft ging unter. Nicht nur im Schanzenviertel, auch in der Linken dürfte nun ein Selbstklärungsprozess bevorstehen. Dass in Deutschland der Umgang mit Linksextremen neu diskutiert wird, versteht sich.

Es gibt nach diesem langen Wochenende von Politik und Gewalt viel aufzuarbeiten. Der Hamburger Gipfel markiert einen Einschnitt – lokal, national, international.