Obama, Merkel, Cameron & Co. stecken beim G-7-Gipfel ihre Linie für die Gespräche mit Russlands Präsident Wladimir Putin in der Normandie ab. Der Blick richtet sich somit vor allem auf die D-Day-Feiern zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten.

Brüssel - François Hollande hat beim G-7-Gipfel in Brüssel keine Gelegenheit ausgelassen, sich und seine diplomatische Meisterleistung zu feiern. „Ich habe genau gewusst, was ich damit erreichen kann“, sagte der nach der Europawahl angeschlagene französische Staatschef zu seiner Einladungspolitik für die D-Day-Feierlichkeiten in der Normandie. Auf der Gästeliste stehen nämlich auch der russische Präsident Wladimir Putin und der eben gewählte Ukrainer Petro Poroschenko. Erstmals also seit Ausbruch der Krise werden sich die Hauptakteure Auge in Auge gegenüberstehen. „Wir gedenken nicht nur der Toten von einst“, hob Hollande pathetisch an, „sondern wollen auch einen Krieg in der Gegenwart und der Zukunft verhindern.“

 

Das Gedenken an die Landung der Alliierten vor 70 Jahren wird somit zu einer Art G-8-Gipfel, der eigentlich im Olympiaort Sotschi hätte stattfinden sollen, aus Protest gegen das russische Vorgehen auf der Krim aber boykottiert und ohne Putin im G-7-Format nach Brüssel verlegt wurde. Dort drehte sich fast alles um die fehlende Nummer 8: Die übrigen Staats- und Regierungschefs legten ihre Linie für ihre Gespräche mit Putin fest.

„Es ist wichtig“, fasste Angela Merkel die gemeinsame Botschaft zusammen, „dass Russland seinen Beitrag leistet, um die Situation zu stabilisieren.“ Denn vor allem in den ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk hat die Kanzlerin „eine sehr große Destabilisierung“ ausgemacht – was nach einem Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs von Anfang März eigentlich der Auslöser für umfassende Wirtschaftssanktionen sein sollte. Nun sollen die Gespräche mit Putin und das, was aus ihnen folgt, abgewartet werden. Beim EU-Gipfel Ende des Monats werde man, so die Kanzlerin, „ein Resümee ziehen, wo wir stehen“. Wenn es keine Fortschritte gibt, wäre es mit Einreise- und Kontensperren für russische Einzelpersonen im Rahmen der sogenannten Stufe 2 nicht mehr getan: „Stufe 3 ist dann schon auf der Tagesordnung.“ Von einem Automatismus will sie aber nichts wissen. „Wir setzen auf Lösungen über Gespräche“, so Merkel in Anspielung auf die Doppelstrategie aus Reden und Drohen, „und werden nur dann zu anderen Mitteln greifen, wenn diese Gespräche keinen Erfolg haben.“

Obamas Rüge für Hollande

Auch US-Präsident Barack Obama sagte, es sei seine „Hoffnung, dass wir diese Art von Sanktionen nicht brauchen“. Gleichzeitig appellierte er an die Europäer, die davon deutlich stärker betroffen wären als die Amerikaner, „für ihre Werte einzustehen, selbst wenn es ökonomische Unannehmlichkeiten mit sich bringt“. Obama rügte Hollande dafür, die umstrittene Lieferung eines Hubschrauberträgers nach Russland nicht gestoppt zu haben: „Ich hätte es in dieser Zeit lieber gesehen, er hätte den Pausenknopf gedrückt.“ Frankreichs Staatschef sagte dies indirekt für den Fall zu, dass Wirtschaftssanktionen beschlossen würden. In einer Pressekonferenz mit Obama betonte der britische Premier David Cameron die Einigkeit zwischen EU und USA in der Sanktionsfrage, die sicher „auch für Putin eine Überraschung gewesen ist“. Die Erwartungen an Putin sind beim G-7-Treffen noch einmal präzisiert worden. „Wir fordern die Russische Föderation nachdrücklich auf“, heißt es in der Gipfelerklärung, „das Ergebnis der Wahlen anzuerkennen, ihre Streitkräfte vollständig von der ukrainischen Grenze zurückzuziehen, den Zustrom von Waffen und Aktivisten über die Grenze zu beenden und ihren Einfluss auf die Separatisten geltend zu machen, damit sie ihre Waffen niederlegen und der Gewalt entsagen.“

Im Gegenzug will man Merkel zufolge die Ukraine auffordern, dass Minderheitenrechte geschützt, die Runden Tische fortgesetzt und eine stärker föderale Verfassungsreform auf den Weg gebracht wird. Außerdem wird Kiew dazu ermahnt, „bei den Operationen zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung maßvoll vorzugehen“ – eine Formulierung, die vom russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew als „zynisch“ zurückgewiesen wurde.

Raus aus der Abhängigkeit von Russland beim Gas

Als zynisch bewertet es seinerseits der Westen, wie Russland die Frage der Gaslieferungen als politisches Instrument nutzt. Die G7-Staaten wollen nun mehr im Energiebereich zusammenarbeiten, um die Europäische Union aus der russischen Abhängigkeit zu befreien – mehr Speicher, mehr Pipelines, vor allem aber mehr Flüssiggas-Importe aus den USA auf dem Schiffswege sind geplant. Merkel kündigte an, gegenüber Putin die „Frage der Gaslieferungen ansprechen“ zu wollen. Sie sieht „eine Vielzahl an Gründen, warum Besorgnis herrscht“, aber auch einen Hoffnungsschimmer – etwa weil die von Moskau angekündigte Teilnahme des russischen Botschafters an Poroschenkos Amtseinführung „eine bestimmte Anerkennung“ des neuen Kiewer Machthabers bedeutet.

François Hollande berichtete, er habe Putin und Poroschenko auf der Ehrentribüne in Deauville nebeneinander platziert: „Wir haben jetzt die Möglichkeit, die Krise in der Ukraine zu beenden“, sagte er.