Hoch über den Dächern der Stadt, genauer auf der Dachterrasse im Max-Kade-Wohnheim, lächelt Marcelo Carlevaro beim Gedanken an seine Zukunft zufrieden in sich hinein. Auf die Frage, wie denn für ihn das Experiment G8 ausgegangen ist, folgen ein amüsierter Blick, eine Denkpause. Er blinzelt in die Nachmittagssonne. „Das System fand ich blöd, deswegen habe ich es einfach auf meine Art gemacht“, beginnt der Student zu erzählen.

 

Enttäuscht von der Abinote

Der 24-jährige Stuttgarter ist einer der ersten G8er, die 2012 in Baden-Württemberg nach zwölf Schuljahren das Abitur geschrieben haben – und ist entschieden gegen das Turbo-Abi. Heute, fünf Jahre und zwei Auslandsreisen später, ist der angehende Lehrer überzeugt: Hätte er G9 gemacht, wäre seine Abschlussnote deutlich besser ausgefallen. „Das Ergebnis hat mich sehr geärgert und extrem enttäuscht“, erinnert sich Carlevaro. Seinen spanischen Namen hat er seinem Vater zu verdanken, der aus Uruguay stammt. Dieser hat gemeinsam mit seiner Frau, die Halbfranzösin ist, Deutschland und Stuttgart als neue Heimat gewählt. Die Verwandtschaft aber konnte Carlevaro nicht oft besuchen – das ließ der vollgepackte Stundenplan mit notwendigen Lektionen auch in den Ferien nicht zu.

In der Oberstufe fiel dem G8er auf, dass der ältere Jahrgang irgendwie besser war – flotter im Kopf und mit mehr Wissen ausgestattet. An seiner Schule, dem Hölderlin-Gymnasium, wurde es eng damals. Ursache: der Doppeljahrgang. Carlevaro und seine Mitschüler, die nun doppelt so viele sind, mussten in eine Außenstelle pendeln, Unterstützungskurse für die ersten G8er gab es nicht. Für das Abitur besuchte der Stuttgarter, der zweisprachig aufgewachsen ist, einen Vorbereitungskurs, um sein Wissen für das Mathe-Abi aufzupolieren. In sieben Tagen wiederholte er täglich sieben Stunden lang den Stoff – um am Ende eine minimale Punktzahl zu erhalten.

Erst mal Abenteurreise in Neuseeland

„Danach habe ich gedacht: Es reicht, ich will eine Auszeit“, sagt Carlevaro, der mit seinem Grinsen und dem Rucksack über der Schulter den Eindruck erweckt, als käme er eben erst von einer abenteuerlichen Reise zurück. Wie ihm sei es vielen seiner Mitschüler ergangen, sagt er. Obwohl der damals 18-Jährige wusste, dass das neue System darauf abzielte, ihn früher zum Studieren zu bewegen, entschied er sich bewusst gegen den Konkurrenzkampf an der Uni und für den Abenteuertrip nach Neuseeland – um endlich Zeit zu haben, die Gedanken zu ordnen.

Das Experiment glückte. Als er sich im Klaren war über die eigenen Stärken und Ziele, traf er – nach drei Monaten in Übersee zurück in Stuttgart – eine Entscheidung. Er wollte in seiner Heimatstadt auf Lehramt die Fächer Sport und Französisch studieren – und hatte schon die nächste Reise im Kopf. „Der Vorwand war das Studium, schließlich bringt so ein Au-pair-Aufenthalt in Paris ja was“, sagt Carlevaro – und muss bei dieser Rechtfertigung lachen.

Die G8ler in Australien

Und wieder sind die Jüngeren scheinbar besser: Englisch sprechen sie betont akzentfrei und fließend – schließlich haben sie ihre Sprachkenntnisse innerhalb von drei Monaten mit einem Auslandsaufenthalt zwischen Abitur und Studienbeginn aufgebessert. Aber auch bei Manuela Aust wächst der Drang, doch ins Ausland zu gehen – am Ende wagt die Studentin im zehnten Semester die Reise nach Australien.

Als Au-pair hat sie dort trotz Kinderbetreuung viel Freizeit und trifft wieder auf G8er: Die hat es direkt nach dem Abi in die Welt verschlagen, aber zum ersten Mal fühlt sich Manuela Aust den deutlich Jüngeren überlegen. „Die hatten nicht viel Lebenserfahrung und konnten das gar nicht richtig begreifen“, sagt sie und lächelt in sich hinein. Für sie war die verspätete Auszeit ein Herzenswunsch, den sie trotz Bedenken aus dem Freundeskreis und der eigenen Familie verwirklicht hat.

„Meine Eltern haben immer gesagt: Du bist schon 25 und musst bald mal fertig werden, du studierst schon über fünf Jahre“, sagt Aust. Davon hat sich die Studentin nicht beeindrucken lassen. Sie weiß: „Ich bin nur einmal jung und habe nur jetzt Zeit, mein Leben zu genießen.“

Glückliche Berufswahl

Aust hat ihren eigenen Weg in der Heimat gefunden, die voreilige Auszeit in der Fremde, sagt sie, verschiebe nur die Entscheidungsfindung . Die angehende Lehrerin ist mit ihrer Berufswahl glücklich. Von G8 hält sie nicht viel. Das Abitur mit 17 überfordere viele, glaubt sie. „Man darf in diesem Alter nicht mal wählen gehen, soll aber über die eigene Zukunft entscheiden“, sagt sie. Durch den Vergleich von G8 mit ihrer Schulzeit ist der Studentin klar geworden: „Mit 17 wusste ich nicht, was ich später machen will. In der elften Klasse wusste das bei uns eigentlich niemand.“

„G8 hat mich enttäuscht“

Hoch über den Dächern der Stadt, genauer auf der Dachterrasse im Max-Kade-Wohnheim, lächelt Marcelo Carlevaro beim Gedanken an seine Zukunft zufrieden in sich hinein. Auf die Frage, wie denn für ihn das Experiment G8 ausgegangen ist, folgen ein amüsierter Blick, eine Denkpause. Er blinzelt in die Nachmittagssonne. „Das System fand ich blöd, deswegen habe ich es einfach auf meine Art gemacht“, beginnt der Student zu erzählen.

Enttäuscht von der Abinote

Der 24-jährige Stuttgarter ist einer der ersten G8er, die 2012 in Baden-Württemberg nach zwölf Schuljahren das Abitur geschrieben haben – und ist entschieden gegen das Turbo-Abi. Heute, fünf Jahre und zwei Auslandsreisen später, ist der angehende Lehrer überzeugt: Hätte er G9 gemacht, wäre seine Abschlussnote deutlich besser ausgefallen. „Das Ergebnis hat mich sehr geärgert und extrem enttäuscht“, erinnert sich Carlevaro. Seinen spanischen Namen hat er seinem Vater zu verdanken, der aus Uruguay stammt. Dieser hat gemeinsam mit seiner Frau, die Halbfranzösin ist, Deutschland und Stuttgart als neue Heimat gewählt. Die Verwandtschaft aber konnte Carlevaro nicht oft besuchen – das ließ der vollgepackte Stundenplan mit notwendigen Lektionen auch in den Ferien nicht zu.

In der Oberstufe fiel dem G8er auf, dass der ältere Jahrgang irgendwie besser war – flotter im Kopf und mit mehr Wissen ausgestattet. An seiner Schule, dem Hölderlin-Gymnasium, wurde es eng damals. Ursache: der Doppeljahrgang. Carlevaro und seine Mitschüler, die nun doppelt so viele sind, mussten in eine Außenstelle pendeln, Unterstützungskurse für die ersten G8er gab es nicht. Für das Abitur besuchte der Stuttgarter, der zweisprachig aufgewachsen ist, einen Vorbereitungskurs, um sein Wissen für das Mathe-Abi aufzupolieren. In sieben Tagen wiederholte er täglich sieben Stunden lang den Stoff – um am Ende eine minimale Punktzahl zu erhalten.

Erst mal Abenteurreise in Neuseeland

„Danach habe ich gedacht: Es reicht, ich will eine Auszeit“, sagt Carlevaro, der mit seinem Grinsen und dem Rucksack über der Schulter den Eindruck erweckt, als käme er eben erst von einer abenteuerlichen Reise zurück. Wie ihm sei es vielen seiner Mitschüler ergangen, sagt er. Obwohl der damals 18-Jährige wusste, dass das neue System darauf abzielte, ihn früher zum Studieren zu bewegen, entschied er sich bewusst gegen den Konkurrenzkampf an der Uni und für den Abenteuertrip nach Neuseeland – um endlich Zeit zu haben, die Gedanken zu ordnen.

Das Experiment glückte. Als er sich im Klaren war über die eigenen Stärken und Ziele, traf er – nach drei Monaten in Übersee zurück in Stuttgart – eine Entscheidung. Er wollte in seiner Heimatstadt auf Lehramt die Fächer Sport und Französisch studieren – und hatte schon die nächste Reise im Kopf. „Der Vorwand war das Studium, schließlich bringt so ein Au-pair-Aufenthalt in Paris ja was“, sagt Carlevaro – und muss bei dieser Rechtfertigung lachen.

Zwar hatte er oft mit seiner Mutter Französisch gesprochen, die Reise nach Paris aber – so der Hintergedanke – sollte seine Sprachkenntnisse festigen, um am Ende als Französischlehrer bestehen zu können. Sein Plan funktionierte: Paris verließ Carlevaro nach einem halben Jahr rechtzeitig, um für die Eingangsprüfung im Fach Sport zu trainieren.

Alle Nachteile ausgeglichen

Ob das G8 am Ende seine eigene Zukunft beeinflusst hat? Die Antwort kommt prompt: „Natürlich! Aber ich habe den Nachteil, jünger zu sein als die anderen, selbst ausgeglichen“, sagt er. Weil die Schulzeit wirklich wertvoll sei, ärgert er sich über die gestohlene Zeit, denn heute weiß er: „Ich war damals geistig noch nicht reif genug. Mit 17 war mir total egal, was der Geschichtslehrer da vorne erzählt hat.“