Jetzt ist sie auch offiziell begrüßt worden: Gabriele Nießen ist im Ludwigsburger Rathaus freundlich empfangen worden – und schafft es sofort, auch unangenehme Botschaften freundlich zu verpacken.

Ludwigsburg - Wann hat es das im Ludwigsburger Rathaus zuletzt gegeben, dass eine Dezernentin in öffentlicher Rede ihre Sekretärin lobt? Gabriele Nießen tut es einfach und sagt in ihrer Antrittsrede: „Danke, dass mein Büro schon funktioniert hat, als ich angekommen bin.“ Und auch die Stadträte hören Sätze, die in der schroffen Debattenkultur in der Barockstadt Seltenheitswert haben. „Wir verlieren oft aus dem Auge, dass Sie dies alles ehrenamtlich machen und ihre Freizeit opfern“, sagt Gabriele Nießen. Die Freude über das neue Amt, das sie formal schon zum 1. März angetreten hat, ist ihr anzusehen.

 

Sie spricht von einer „glücklichen Fügung“, dass in Ludwigsburg eine vierte Dezernentenstelle geschaffen wurde, als sie gerade auf der Suche nach einer „neuen Herausforderung“ gewesen sei. Das ist eine freundliche Umschreibung der Tatsache, dass der Oldenburger OB sie nicht zur Wiederwahl vorgeschlagen hat – trotz einhelliger Empfehlung des Gemeinderates.

Lob für die Architektur in Ludwigsburg

Doch das ist Vergangenheit – jetzt steht Gabriele Nießen im Foyer des barocken Rathauses – und staunt über die Architektur der Stadt. „Wir bewegen uns hier auf einem hohen Niveau“, sagt sie im akzentfreien Hochdeutsch. Und noch eine Erkenntnis hat die 54-jährige neue Bürgermeisterin für Stadtentwicklung, die in Düsseldorf geboren ist. Die erste Sitzung des Bauausschusses hat sie schon miterlebt. „Es sind hier ausgeprägte Moderations- und sogar Mediationsfähigkeiten gefragt“, sagt Nießen. Das könnte man als leise Kritik an der Debattenkultur verstehen – doch sie lächelt dabei so charmant, dass ihr niemand böse sein kann.

Die Fähigkeit, unangenehme Nachrichten freundlich zu verpacken, könnte noch hilfreich sein in dem spannenden Amt.

Lob für die Gemeinderäte

Ansonsten hat sie aber viel Lob mit im Gepäck. „Sie haben offenbar eine Reihe von guten Entscheidungen getroffen“, sagt sie den Ludwigsburger Kommunalpolitikern. Und meint dabei etwa die Bürgerbeteiligung und die Nachhaltigkeitsstrategie. Und sie lobt die Entscheidung des Gemeinderates, am 11. November eine Frau ohne Parteibuch zur Bürgermeisterin zu wählen: „Sie haben nach Fähigkeit und Kompetenz entschieden.“ Mitglied einer Partei sei und werde sie nicht – mancher in Oldenburg hatte ihr Nähe zu den Grünen unterstellt.

Nießen tritt ihr Amt in einer Übergangssituation an – die Gemeinderats- und OB-Wahlen werfen ihre Schatten voraus. Der Rathauschef Werner Spec erklärte, er freue sich „ehrlich und riesig“ auf die Zusammenarbeit mit Nießen – und hält ein kurzes Grundsatzreferat über die Notwendigkeit von Transformationsprozessen. „Es gibt eine Sehnsucht nach Langsamkeit“, sagt er und nimmt das Wort mancher Kritiker auf, er treibe zu viel gleichzeitig voran.

Doch schon wenige Sätze später verkündet er: „Die Langsamen werden die Verlierer sein.“ Es bleibt also spannend. Zur Begrüßung erhält Nießen eine Tüte mit nachhaltigen Produkten aus der Stadt. Inklusive eines Ludwigsburg-Handtuches – für ein wenig Entspannung zwischendurch.