Der Gänsheidemarkt im Stuttgarter Osten steht vor der Schließung – einerseits plant der Vermieter Büros in den Räumen, andererseits wirft der Laden zu wenig ab.

S-Ost - Wenn man in diesen Tagen den Gänsheidemarkt von Thomas Hummel betritt, trifft man auf besorgte Kunden. Der kleine Supermarkt soll möglicherweise zum Jahresende geschlossen werden. Der Vermieter will umfangreiche Sanierungsmaßnahmen samt Brandschutz durchführen und überlegt danach aus der 200 Quadratmeter großen Fläche Büros zu machen. Eine schriftliche Kündigung liegt aber noch nicht vor.

 

„Definitiv ist da noch gar nichts. Ich werde erst noch Gespräche mit meinem Sohn führen“, sagt der Vermieter Günter Gustrau, der in Pforzheim und Finnland lebt. Die Eltern seiner vor zwei Jahren verstorbenen Frau haben vor 60 Jahren den Laden gegründet, der damals Golze hieß. Der aktuelle Mieter Thomas Hummel betreibt den Markt seit zwölf Jahren. „Es wäre eine Katastrophe für uns ältere Menschen, wenn der Laden wegfällt“, sagt Helena Winterlich. Eine andere Kundin stimmt ihr zu. „Ich habe mich für die Gänsheide als Altersitz entschieden, weil hier eine entsprechende Infrastruktur gibt“, sagt Irene Sperle. Kürzlich hat schon die LB-BW ihre Filiale gegenüber geschlossen.

Mischung aus Tante-Emma- und Feinkostladen

Bei Hummel, einer Mischung aus Tante-Emma- und Feinkostladen, finden sie alles was man zum Leben braucht. Es gibt Toilettenpapier und Seife, aber auch Parma-Schinken und Trüffelsalami, eine gut sortierte Obst-und Gemüseecke mit zahlreichen regionalen Produkten und einer ansprechenden Wurst-und Käsetheke. Am runden Tisch in der Weinecke kann man den Mittagstisch genießen, den es zwischen 1,20 und 4,50 Euro gibt. Früher wurde noch selbst gekocht, inzwischen gibt es Salate und diverse Snacks.

Zugegeben – optisch ist der Laden in die Jahre gekommen, aber der Retro-Look macht auch ein bisschen den Charme des Geschäfts aus. Den schätzt die Kundschaft ebenso wie die Bio-Backwaren von der Eselsmühle. Doch hier wird nicht nur eingekauft. Hier treffen sich die Menschen aus dem Viertel, hier kommt man noch ins Gespräch. Inhaber Thomas Hummel ist manchmal ein bisschen brummig, aber wenn man sich zum guten Kern des Stuttgarters vorgearbeitet hat, findet man einen sehr hilfsbereiten Menschen, der sich vor allem um die älteren Kunden sehr annimmt. Wenn sie nicht mehr aus dem Haus können, gibt es einen besonderen Service: Ihnen werden die Einkäufe nach Hause gebracht – kostenlos. Und nun könnte es mit dieser Dorfidylle in bester Halbhöhenlage bald vorbei sein.

Drei Mitarbeiterinnen sorgen sich

Die drei Mitarbeiterinnen, darunter auch eine Geflüchtete aus Afghanistan, befinden sich auch in einem Schwebezustand, weil es noch keine konkrete Entscheidung gibt. Sollte der Markt tatsächlich schließen müssen sich alle drei Frauen um einen neuen Arbeitsplatz bemühen. Sie hoffen, dass ihr Chef vielleicht doch noch den Kämpfer in sich entdeckt.

Thomas Hummel selbst ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch aufzugeben und der Verantwortung, die er für die Menschen im Wohngebiet spürt. Die Verbundenheit nach zwölf Jahren ist groß, Hummel hat als Kind schon selbst hier eingekauft. „Ich ringe noch mit mir, suche nach einer Lösung“, sagt Hummel, dem nicht nur der Druck seitens seines Vermieters zusetzt. Sein Laden ist nicht wirklich rentabel. Er kämpft seit Längerem ums Überleben. Und irgendwann macht es eben keinen Spaß mehr, wenn es sich nicht lohnt. Denn obwohl zum Einzugsgebiet etwa 2000 Menschen zählen, kommen unter der Woche im Schnitt 154 Kunden, samstags sind es 133. Er tut sich auch zunehmend schwer, qualifiziertes Personal zu finden und hat seit geraumer Zeit am Nachmittag geschlossen. Ein kleiner Laden kann eben nur überleben kann, wenn dort nicht nur die vergessene Milch oder andere Kleinigkeiten im Vorbeigehen eingekauft werden. Die Verbraucher trügen durch ihr Kaufverhalten ebenfalls zum Sterben der kleinen Läden bei meint Hummel.

Noch ist das Aus nicht beschlossen. Martin Körner, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stuttgarter Gemeinderat und selbst Kunde will so bald wie möglich einen runden Tisch mit Thomas Hummel, Vermieter Günter Gustrau und einem Vertreter der Städtischen Wirtschaftsförderung einberufen, um auszuloten welche Möglichkeiten es noch gibt die Schließung abzuwenden. „Wir wollen einen Weg finden, den Markt zu erhalten“, sagt Körner. Die Kunden sind sich jedenfalls einig: Ohne den Markt würde etwas Wichtiges fehlen.