Jana und Volkmar Hubbes kümmern sich das ganze Jahr über um die Pomeranzengarten und alles Grün rund ums Leonberger Schloss.
Strahlend blau ist der Aprilhimmel, nur ab und zu ziehen ein paar Wolken vorbei und schwächen die Sonnenstrahlen etwas ab. Vom Schulhof des Johannes-Kepler-Gymnasiums weht der Lärm zahlreicher Schüler herüber. „Wenn Ferien sind, dann vermissen wir das regelrecht“, sagt Volkmar Hubbes und seine Frau Jana lacht. Das Ehepaar hat den wohl schönsten Arbeitsplatz von ganz Leonberg: Sie sind Gärtner im Pomeranzengarten.
„Wir sind an der frischen Luft, wir können etwas gestalten und die Leute freuen sich über unsere Arbeit“, fasst es Volkmar Hubbes zusammen, der seit 2008 als Gärtner beim Bauhof der Stadt arbeitet. Seine Frau ist sogar schon seit 2002 dabei. Außer im Januar und Februar sind sie im Rest des Jahres an jedem Arbeitstag hier. Von Montag bis Freitag, es gibt immer etwas zu tun. 24 000 Quadratmeter groß ist das Gelände, zu dem auch der frühere Obstgarten unterhalb der Renaissanceterrasse gehört, der Spielplatz, der Aufgang von der Rutesheimer Straße sowie das Gelände zur Glems hin, das sich bis zur Pfarrgasse erstreckt.
Die Sommerpflanzen kommen Mitte Mai
„In der Regel sind wir nur zu zweit. Manchmal, etwa in der Pflanzzeit oder im Sommer beim Gießen, bekommen wir Unterstützung durch eine weitere Gärtnerin“, berichtet Volkmar Hubbes. Die nächste Pflanzzeit für den Sommerflor ist erst Mitte Mai. „Nach den Eisheiligen. Der Frost ist der begrenzende Faktor“, erklärt der Gärtner.
Doch schon jetzt leuchtet es im Pomeranzengarten an einigen Stellen kräftig lila dank vieler Frühblüher. Die dürfen noch bis Mai bleiben. Neben Stiefmütterchen blühen auch schon Gänseblümchen. „Das sind die sortenreinen mit größeren Blüten. Die Gänseblümchen sind historisch verbrieft, die gab es schon bei der Herzogin Sybilla“, berichtet Jana Hubbes.
Der Herzoginwitwe Sibylla von Württemberg (1564 bis 1614) hat Leonberg den Pomeranzengarten überhaupt zu verdanken. Ihr Sohn ließ ihn 1609 für seine Mutter an deren Witwensitz im Schloss zu Leonberg vom renommierten Renaissancebaumeister Heinrich Schickhardt erbauen – „ein Kleinod am Rande der Altstadt“, wie die Stadt Leonberg dafür wirbt. Lange Jahre war er der einzige noch erhaltene Terrassengarten der Spätrenaissance in Deutschland, bevor 2015 der Garten von Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden (Thüringen) wiederhergestellt wurde.
Unkraut gibt es jetzt das ganze Jahr
An anderer Stelle blickt den Besucher noch die nackte Erde an. Wobei auch in diesem Anblick viel Arbeit steckt. Denn Unkraut jäten gehört zu den Pflichtaufgaben im Frühjahr. „Wenn man zeitig ins Unkraut geht, macht sich das übers ganze Jahr positiv bemerkbar“, meint Volkmar Hubbes. „Früher hatten wir vom Winteranfang bis März Ruhe, aber durch die steigenden Temperaturen ist Unkraut jetzt das ganze Jahr ein Problem“, fügt Jana Hubbes hinzu. Dann gibt sie ihrem Mann ein Zeichen. Eine ältere Frau streift mit Hund an der Leine zwischen den Beeten umher. Doch Hunde sind hier nicht erlaubt. „Der Anstand ist so runtergegangen. Die Leute lassen ihre Hunde teilweise in die Beete machen“, hat sie festgestellt. Volkmar Hubbes spricht die Frau mit Hund an, diese entschuldigt sich und geht.
Aktuell ist das Gärtner-Ehepaar damit beschäftigt, Stauden zu pflanzen und die Beete für die Sommerbepflanzung vorzubereiten. Den Plan dafür erstellt Jana Hubbes selbst. „Es gibt Vorgaben, da der historische Charakter erhalten bleiben soll. Ein begrenzter Spielraum, daher bleibt es bei eher klassischen Sachen“, sagt die Leonberger Gärtnerin. Neben den Gänseblümchen gehören auch Vergissmeinnicht und Studentenblumen zu den Klassikern.
Stadt zahlt 230 000 Euro für Unterhalt
Die namensgebende Pomeranze wird erst später im Garten zu sehen sein. „Die Töpfe mit den Pflanzen holen wir auch erst nach den Eisheiligen hoch“, berichtet Jana Hubbes. Mundraub lohnt sich dann aber nicht. Die Pomeranze ist eine Bitterorange und wurde vor allem als Arzneipflanze genutzt. Der Verzehr ist alles andere als ein Genuss.
Diebstahl ist daher auch kein Problem. Wilder Müll dagegen schon. „Die Leute stopfen ihren Hausmüll in die Mülleimer oder stellen ganze Tüten daneben“, erzählt Volkmar Hubbes. Für die Gärtner bedeutet dies mehr Arbeit, für die Stadt höhere Kosten. Zwar gehört der Pomeranzengarten wie das Schloss dem Land Baden-Württemberg. Für den Unterhalt des Gartens ist aber die Stadt Leonberg zuständig, was etwa 230 000 Euro pro Jahr kostet.
Doch bevor es daran geht, die neuen Blumen in die Beete zu setzen, steht erst einmal der jährliche Ausflug nach Belfort an. Die französische Partnerstadt Leonbergs richtet jedes Jahr den Blumenmarkt Belflorissimo aus. In diesem Jahr dauert dieser einen Tag länger als sonst und beginnt am 8. Mai – dem 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa. Das Motto lautet diesmal „Kleine Tiere im Garten“. „Unser Grundplan steht schon“, verrät Volkmar Hubbes, der gemeinsam mit seinem Kollegen Daniel Brandel die Leonberger Gärtner in Frankreich vertreten wird.
Kleine Tiere auf dem Blumenmarkt
Er blättert in einem dicken Ordner und zeigt Fotos aus den vergangenen Jahrzehnten. Beim Thema Kanada vor zwei Jahren haben die Leonberger eine Mini-Blockhütte gebaut, zum 40. Geburtstag der Belflorissimo im vergangenen Jahr gab es einen überdimensionalen Blumenstrauß im Beet. Im Gegenzug gestalten die Gärtner aus der französischen Partnerstadt jedes Jahr ein Beet in Leonberg. Früher vor dem mittlerweile abgerissenen Neuen Rathaus, heute befindet sich das Belforter Beet an der Hirschbrunnen-Kreuzung an der Altstadt.
Eine Tagestouristin kommt auf die Gärtner zu und fragt nach der Toilette, eine Kindergartengruppe zieht quasselnd zum Spielplatz. Die ersten Mittagspausen-Gäste setzen sich unter den noch blätterlosen Weinlaubengang. Ein ganz normaler Vormittag am schönsten Arbeitsplatz von Leonberg.
Der Pomeranzengarten
Entstehung
1609 bezog die Herzogin Sybilla von Württemberg ihren Witwensitz im Schloss Leonberg. Im selben Jahr ließ ihr Sohn, Herzog Johann Friedrich, vom berühmte Renaissancebaumeister Heinrich Schickhardt nach italienischem Vorbild einen „fürstlichen Lustgarten samt Pomeranzenhaus und Brunnenkasten“ anlegen. Im 18. Jahrhundert wurde das Gelände als Kleingartenanlage genutzt und verfiel.
Rekonstruktion
In den 1970er Jahren kamen bei Rodungsarbeiten die Fundamente des Gartens zum Vorschein, der bis 1980 nach Originalplänen und Baubefunden rekonstruiert wurde.
Pomeranze
Die Pomeranze ist eine Bitterorange, aus der Frucht gewinnt man Orangeat, aus Blüten und Blättern destillierte man Heilextrakte. Zur Zeit der Herzogin Sybilla zeugte der Besitz exotischer Pflanzen von Reichtum. Trotz des warmen Mikroklimas im Pomeranzengarten ist die Pflanze nur im Sommer in Töpfen zu sehen.
Öffnungszeiten
März und April 8 bis 20 Uhr, Mai bis August 8 bis 22 Uhr, September und Oktober 8 bis 20 Uhr, November bis Februar 8 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.