Die Weinstädter Gärtnerei Hayler gehört zu den an Begonien reichsten Orten in Deutschland. Aktuell wandelt sie sich indes in ein Blütenmeer aus Weihnachtssternen.
Begonien so weit das Auge reicht – diesen Anblick erwartet man in den Gewächshäusern von Begonien Hayler. Die Gärtnerei in Weinstadt hat sich, wie ihr Name schon ausdrückt, auf die Aufzucht der ebenso blüten- wie artenreichen Zierpflanzen spezialisiert. Doch jetzt im Hochsommer herrscht überwiegend gähnende Leere statt eines Blumenmeers vor.
Das Unternehmer-Ehepaar Katrin und Simon Hayler freut das. Rund eine Viertelmillion Begonien mit unterschiedlichsten Blütenfarben – von Weiß über Rosarot und Gelb bis hin zu zweifarbigen Sorten – hat es für die diesjährige Pflanzsaison auf einer Gewächshausfläche von 12 500 Quadratmetern groß gezogen und bis auf ein gutes Dutzend Exemplare, die es für sich behalten hat, alle verkauft. Damit ist der Familienbetrieb der wohl Begonien reichste Ort im Rems-Murr-Kreis, und auch darüber hinaus gibt es nur wenige, die mithalten können. Ähnlich reich blühten Begonien in Süddeutschland lediglich bei einem Kollegen in Nürtingen (Kreis Esslingen), und auf das gesamte Bundesgebiet geblickt finde sich der nächste Spezialist in vergleichbarer Dimension erst wieder an der Nordsee, erklärt Unternehmer Simon Hayler nicht ohne Stolz.
Doch auch nachdem die letzten Begonien-Auslieferungen meist zu Pfingsten das Haus verlassen haben, herrscht bei dem Weinstädter Spezialisten kein Stillstand. Denn nach der Saison ist vor der Saison. Dazu gehe es zunächst ans Großreinemachen der Pflanztische, damit Pilzkrankheiten erst gar keine Chance haben, sich zu entwickeln, erklärt der Gärtnermeister. Im Anschluss wandelt sich der Betrieb vom Begonien-Superlativ zu einem der wohl Weihnachtsstern reichsten Orte. Die ersten zarten Pflänzchen sind von Jungpflanzenfirmen in wärmeren Gefilden wie etwa Costa Rica, Uganda und Kenia nach Zwischenstationen in Stuttgart und am Niederrhein bereits in der Weinstädter Gärtnerei eingetroffen.
Nahezu pausenlos rattert die Topfmaschine jetzt, um für die ersten 40 000 Weihnachtsstern-Setzlinge Erde in Töpfe zu füllen. Insgesamt werden in den nächsten Wochen und Monaten gut 110 000 der Wolfsmilchgewächse, die zur Adventszeit gehören wie der Christbaum zu Heiligabend, die Haylerschen Gewächshäuser füllen, bis die Verkaufssaison für sie Anfang November beginnt. Dann wird, wo jetzt noch gähnende Leere ist, sich ein überwiegend rotes Blütenmeer ausgebreitet haben, mit nur wenigen weißen Tupfen darin. Denn zu 95 Prozent würden von den Pflanzen- und Baumärkten, die bei ihnen einkauften, rote Weihnachtssterne gewünscht und nur wenige weißblühende Exemplare für „Christstern-Enthusiasten“. Wenn nach wenigen Verkaufswochen auch dieser Spuk vorbei ist, zieht die nächste Kultur ein: Hortensien. Mit gut 100 000 Stück in zwölf verschiedenen Sorten bringen Haylers auch sie als „sehr hochwertigen Lückenfüller“ zu kräftigem Wuchs und voller Blüte, bis nach deren Abverkauf im Frühjahr der Name der Gärtnerei mit dem erneuten Einzug von Begonien-Jungpflanzen auch in den Gewächshäusern wieder Programm ist. Die eigene Mutterpflanzenzucht haben Haylers vor ein paar Jahren aufgrund steigender Heizkosten aufgegeben.
„Die Bestellungen der Friedhofsgärtner für die nächste Begonien-Saison gehen bereits ein“, berichtet Simon Hayler. Als Zimmerpflanzen seien die Begonien zwar so gut wie vom Markt verschwunden. „Aber als Friedhofsbepflanzung sind sie zu einem super Geschäft geworden.“ Denn die sogenannten Elatior-Begonien, die heutzutage statt der früher gezüchteten Eisbegonien Verbreitung finden, begeisterten nicht nur durch ihre größere Sortenvielfalt, sondern auch, weil sie „unempfindlich und unverwüstlich sind und bis in den Herbst blühen“. Ihre Aufzucht indes sei „pflegeintensiv und anspruchsvoll“, ergänzt Katrin Hayler: „Deswegen lassen sie sich nicht einfach so mal nebenher produzieren“ – was Begonien-Spezialisten wie Haylers ein gutes Geschäftsfeld bereitet.
Versuche mit Begonien in Töpfen
Aufgetan hat es für den Familienbetrieb Simon Haylers Vater. In den 1970er Jahren beteiligte sich Dieter Hayler an einer Ausschreibung der Universität Hohenheim, die Versuche mit der Aufzucht von Begonien im Topf machen wollte. In der Folge entwickelte sich der Betrieb, den Simon Haylers Großvater Friedrich einst 1937 mit Gemüseanbau und Samenzucht aufgebaut hat, zum wachsenden Begonien-Spezialisten, dem es an seinem früheren Standort nahe dem Bahnhof Stetten-Beinstein Anfang der 1990er Jahre zu eng wurde.
Es folgte der Umzug in die Weinstädter Junkeräcker bei Endersbach, wo die Gärtnerei weiter wuchs. Die jüngste Erweiterung zur heutigen Betriebsgröße war 2010. Die nächste ist bereits in Planung. Dabei wolle man mit modernen, mobil fahrbaren Tischanlagen die Produktion effizienter machen, erklären Haylers, die derzeit vier Mitarbeiter beschäftigen. Das mühsame Schleppen von Pflanzenkisten erübrige sich dann damit. Viele Arbeitsschritte in der Pflanzenaufzucht werden aber dennoch Handarbeit bleiben, wie etwa das Entspitzen der Weihnachtssterne für einen buschigen Wuchs.