Auf dem Areal
der einstigen Flugzeughalle erinnern weitere Mahnmale an die Qualen des ehemeligen Konzentrationslagers Hailfingen-Tailfingen. Volker Mall und Harald Roth recherchieren weltweit nach den zahlreichen Opfern und Hinterbliebenen.

Gäufelden - Für Harald Roth gibt es kaum etwas Schlimmeres für einen Menschen, als den eigenen Namen aufgeben zu müssen. Der Gründer der KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen weiß das aus den Berichten vieler Zeitzeugen, die das KZ überlebten. Bei ihrer Ankunft erhielten sie eine Nummer und wurden fortan mit dieser aufgerufen. Wenn es darum ging, die Rollbahn des einstigen Nachtflughafens der Nazis an der Markungsgrenze des heutigen Gäufelden zu bauen und aus den umliegenden Steinbrüchen Steine zu holen. Oder um eine Flugzeugreparaturhalle zu errichten. Zwölf Betonpfeiler sind von ihr übrig geblieben. An einigen prangen nun Schriftzüge in den Sprachen der Häftlinge. Auf Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Russisch, Hebräisch. In Buchstaben aus Edelstahl ist zu lesen: „Jeder Mensch hat einen Namen.“

 

Archäologisches Kulturdenkmal

Der Rottenburger Bildhauer Ralf Ehmann hat sie angebracht und damit Mahnmale gegen das Vergessen geschaffen. Die Überreste des einstigen Flugplatzes und des KZ wurden im Jahr 2007 auf der Gemarkung Tailfingen und 2008 auf der Gemarkung Hailfingen (Kreis Tübingen) als archäologisches Kulturdenkmal ausgewiesen. Um diesen Spuren nachgehen zu können, haben Harald Roth und Volker Mall, dessen Forscherkollege und Mitbegründer der KZ-Gedenkstätte, einen Gedenkpfad geschaffen. Er führt zu den Steinbrüchen, zur einstigen Start- und Landebahn und zu einem Massengrab. Er führt auf Friedhöfe in Rottenburg-Hailfingen und in Gäufelden-Tailfingen, wo Häftlinge beerdigt wurden, sowie zum Alten Rathaus in Tailfingen, wo einst Nazi-Schergen residierten. Dort befindet sich nun das KZ-Dokumentationszentrum. Auf dem Pfad gelangen die Besucher zudem zu eben jenen Überbleibseln der einstigen Flugzeugreparaturhalle zwischen Wiesen und Feldern. „Wo eigentlich niemand ein solches Relikt dieser grausamen Geschichte vermutet“, sagt Roth.

Nach der Rodung des Areals – es war mit Büschen und Bäumen vollkommen zugewachsen – hatten Teilnehmer eines europäischen Jugendcamps die übrig gebliebenen Grundmauern frei gelegt. „Die Bewohner aus der Umgebung bedienten sich nach dem Krieg hier mit Baumaterial und trugen die Wände ab“, weiß Roth. Der ehemalige Deutsch-, Gemeinschaftskunde- und Geschichtslehrer, der sich in der Schule schon mit der Historie des örtlichen KZ befasste, verfügt über ein Luftbild der Alliierten, das die Flugzeughalle zeigt.

Namen von 601 jüdischen Häftlingen

Einen Ort der Begegnung wollen Mall und Roth auf dem Gelände schaffen und dort auch Lesungen und Konzerte veranstalten. Die Pläne sind etwas ins Stocken geraten, weil ihnen bisher ganz einfach das Geld fehlt. Dafür arbeiten sie oft mit Schülern und Künstlern zusammen, wie zuletzt mit der zehnten Klasse des Paul-Klee-Gymnasiums in Rottenburg und Ralf Ehmann. Dieser setzte die Idee der Schüler um, ein weiteres Mahnmal zu schaffen unter dem Motto „Der Mantel des Schweigens.“ Aus einem Gipsmodell der Schüler entwickelte Ehmann eine Skulptur aus Beton. Zwei Hände halten einen Stacheldraht fest und scheinen den Mantel zu lüften. Auf Steine schrieben die Schüler die Namen von griechischen Zwangsarbeitern. Fast 30 von 350, die im August 1944 in das KZ kamen, haben Roth und Mall durch ihre Recherchen ermittelt.

Die Namen sämtlicher 601 jüdischen Häftlinge, die im KZ Haifingen-Tailfingen mit einem Transport am 19. November 1944 ankamen, fand Roth vor rund 15 Jahren im Staatsarchiv in Ludwigsburg feinsäuberlich aufgelistet. Hailfingen-Tailfingen war ein Außenlager des Konzentrationslagers Struthof bei Natzweiler im Elsass gewesen. Inzwischen wissen die beiden Forscher, dass mindestens 189 Häftlinge in Hailfingen-Tailfingen bis zur Auflösung des Lagers im Februar 1945 umkamen und 151 überlebten. Kurz danach starben wohl auch die meisten anderen. Zudem gab es bis zu tausend Kriegsgefangene, die aus zahlreichen Ländern Europas kamen. Über sie ist den Forschern bisher wenig bekannt.