Schon wieder Gaffer: Bei einem tödlichen Unfall auf der A 5 bei Karlsruhe wird gnadenlos gefilmt und fotografiert. „Es wird immer schlimmer“, sagen Polizei und Feuerwehr.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Ettlingen - Zwei Stunden sind nach der schlimmen Havarie vergangen. Zumindest auf der linken Spur kann der Verkehr endlich wieder rollen, da stoppt die Kolonne erneut. Ein goldfarbener Audi A5 mit Pforzheimer Kennzeichen hat unvermittelt angehalten. Die Scheiben gehen herunter. Drei junge Männer schauen heraus, zücken ihre Handys. Die Feuerwehr ist noch mit Löscharbeiten beschäftigt. Im Führerhaus eines ausgebrannten Sattelzugs haben die Helfer eben erst eine verkohlte Leiche entdeckt. Doch die jungen Männer interessieren sich nicht für das Leid. Sie wollen spektakuläre Bilder. „Die haben voll drauf gehalten“, sagt Lothar Batschauer. „Rotzefrech“ sei das gewesen.

 

Auch am Tag nach dem schweren Unfall, bei dem am Dienstagnachmittag auf der A 5 zwischen Malsch und Ettlingen (Kreis Karlsruhe) ein vermutlich ungarischer Lastwagenfahrer sein Leben verloren hat, kann sich der Einsatzleiter vom Karlsruher Autobahnpolizeirevier kaum beruhigen. „Man kann das nur als asoziales Verhalten betiteln“, schimpft Batschauer. Gaffer habe es schon immer gegeben, doch „seit es Smartphones gibt, nimmt es überhand“.

Kurz darauf gehen die ersten Videos online

Die Männer in dem goldenen Auto waren keineswegs die einzigen am Dienstagnachmittag. Egal ob Niederländer, Deutsche oder Franzosen, Lastwagenfahrer oder Autofahrer, Junge oder Alte: In jedem dritten Fahrzeug habe jemand mit dem Handy in der Hand dagesessen und habe versucht, den Unfall zu filmen, sagt der stellvertretende Kreisbrandmeister Werner Rüssel. Etliche Videos waren schon wenige Stunden später auf Youtube abrufbar. „Nicht auszudenken, wenn die Angehörigen dort die Filme entdecken, bevor sie offiziell informiert werden konnten“, sagt Rüssel. Zunächst war die Identität des Fahrers nicht eindeutig geklärt.

Ihm sei das Verhalten derart gegen den Strich gegangen, dass er angefangen habe, die Autofahrer selbst zu fotografieren, sagt Rüssel. Bis zu 100 Bilder habe er gemacht. Viele hätten ihre Smartphones schnell verschwinden lassen, nachdem sie ihn gesehen hätten. Andere hätten aus dem Auto gepöbelt. „Du Idiot“ hätten sie gerufen. Mancher habe ihn sogar an Ort und Stelle bei der Polizei anzeigen wollen. Die Beamten fanden das nicht lustig.

Auch Beifahrer können bestraft werden

Tatsächlich sind es die Gaffer, die nun Anzeigen befürchten müssen. Er werde seine Bilder der Polizei zur Verfügung stellen, sagt Rüssel. Wer mit dem Smartphone am Steuer erwischt wird, muss ein Bußgeld von mindestens 100 Euro bezahlen und erhält einen Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei. Wird eine Gefährdung angenommen, ist auch ein einmonatiges Fahrverbot möglich. Beifahrer können bestraft werden, wenn sie etwa verletzte oder tote Unfallopfer fotografieren. Allerdings seien die Ermittlungen meist zu aufwendig.

Im vorliegenden Fall hatte Einsatzleiter Batschauer für die Bergung des toten Lastwagenfahrers zwei Sattelzüge aus der Kolonne angehalten und zur Abschirmung vor die Unfallstelle gestellt. Dies wirkte sich auch auf die Gegenfahrbahn aus. Obwohl die Fahrspuren in Richtung Frankfurt von dem Unfall überhaupt nicht betroffen gewesen waren, hatte sich schließlich auch dort der Verkehr zeitweise auf bis zu zwölf Kilometer gestaut.

Bei dem Unfall war ein polnischer Lastzug auf einen ungarischen Lastwagen geprallt, der auf dem Pannenstreifen stand. Beide fingen Feuer. Der polnische Fahrer gab an, er sei zuvor von einem Sattelzug mit französischer Zulassung überholt und abgedrängt worden. Die Polizei bittet Zeugen des Unfalls, sich zu melden.