Um Gaffer von einem Unfall zu vertreiben, greift ein Feuerwehrmann zu einem ungewöhnlichen Mittel: Spontan setzt er Wasser gegen Lastwagenfahrer ein, die Bilder machen wollen. Die Polizei ist nicht begeistert. Solidarität gibt es für den Feuerwehrmann im Netz.

Aschaffenburg - Die Strafen steigen, Bayern lässt mitunter Sichtschutzwände in Stellung bringen - doch durchschlagenden Erfolg zeigen die Maßnahmen gegen Gaffer bislang aber nicht. Nach einem schweren Unfall mit Toten auf der Autobahn 3 ergriff ein Feuerwehrmann am Donnerstag die Initiative und bespritzte die Fahrzeuge von Schaulustigen mit Wasser.

 

Die Polizei kritisiert nun diese Aktion, die nicht abgesprochen gewesen sei. „Für die Unterbindung und Ahndung bei Verkehrsbehinderungen sind ausschließlich wir zuständig“, betonte ein Sprecher des unterfränkischen Präsidiums am Montag.

So sieht das auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Feuerwehr habe Aufgaben übernommen, die eindeutig bei der Polizei liegen, sagte ein Sprecher. „Es muss klare Abläufe an der Unfallstelle geben.“ Eigentlich sind Feuerwehrleute für den Brandschutz verantwortlich, kümmern sich um Verletzte oder Eingeklemmte. Häufig unterstützen sie auch die Polizei bei der Sicherung der Unfallstelle und der Verkehrslenkung.

Dem Feuerwehrmann droht kein Strafverfahren

Ein Strafverfahren droht dem Feuerwehrmann derzeit allerdings nicht: Bislang habe keiner der betroffenen Lastwagenfahrer Strafanzeige gestellt, teilte die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg mit. Außerdem sieht die Behörde allein wegen der Medienberichterstattung über den Vorfall aktuell keinen Anlass, ein Verfahren von Amts wegen einzuleiten.

„Das war natürlich keine geplante Aktion“, erklärte Otto Hofmann, der den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehren bei Weibersbrunn im Landkreis Aschaffenburg geleitet hatte. „Dem Feuerwehrmann ist der Kragen geplatzt.“ Ungefähr jeder dritte Lastwagenfahrer habe versucht, Bilder von den Toten und der Unfallstelle zu machen.

In einem Fall lag ein Fahrer laut Polizei sogar quer im Führerhaus, um bessere Aufnahmen machen zu können. Schließlich habe der Brandschützer den Schlauch eingesetzt. Er bespritzte die Seitenfenster der Fahrzeuge, die sehr langsam an der Unfallstelle vorbeifuhren oder gar stehenblieben.

Für Feuerwehrmann Hofmann und seine Truppe war es ein außergewöhnlicher Einsatz. Bei dem schweren Unfall starben drei Menschen. Fast zwölf Stunden am Stück arbeiteten manche der ehrenamtlichen Feuerwehrleute an der Unfallstelle.

Einsatzkräfte leiden unter Schaulustigen

Der Sprecher der Polizei Unterfranken lobte insgesamt die Zusammenarbeit. Die Spritzaktion sei eine Ausnahme gewesen, die er zuvor in seiner Laufbahn auch noch nie erlebt habe. Grundsätzlich funktioniere die Arbeitsteilung, betonte auch der GdP-Sprecher. „Polizei, Rettungskräfte und Feuerwehr haben an der Unfallstelle ja das gleiche Ziel: Menschenleben retten.“ Und sie alle leiden unter den Schaulustigen, die den Verkehr behindern oder mit ihrem Verhalten sogar weitere Unfälle provozieren.

Deshalb sieht der Deutsche Feuerwehrverband die Angelegenheit differenziert: Einerseits sei es nicht die Aufgabe der Feuerwehr, Gaffer zu ahnden, sagte Sprecherin Silvia Darmstädter. „Menschlich kann ich es aber verstehen.“ Über mehrere Stunden hätten die Einsatzkräfte Tote aus dem Wrack auf der A3 geschnitten. „Und dann gaffen und filmen da welche. Menschlich ist das völlig unverständlich.“

Das Problem habe sich durch Smartphones verstärkt, darüber sind sich alle Befragten einig. Die Politik hat bereits darauf reagiert: Seit Mai gilt es als Straftat, bei Unglücksfällen vorsätzlich Einsatzkräfte zu behindern, die Hilfe leisten wollen. Darauf stehen nun Geldstrafen oder bis zu ein Jahr Haft.

Sichtschutzwände an der Unfallstelle

Seit rund drei Monaten testet Bayern spezielle Sichtschutzwände, die Unfallstellen von neugierigen Blicken abschirmen sollen. Die Konstruktionen sind allerdings bislang nur auf der A6 und A9 im Einsatz, wie ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums mitteilte.

Hinzu kommt: „Es gibt zwar Sichtschutzwände, aber die sind oft zu niedrig, oder die Autofahrer fahren noch langsamer, um durch die Ritzen zu gucken“, sagte Darmstädter vom Feuerwehrverband. Andere Kollegen hätten Unfallopfer mit Decken von neugierigen Blicken abgeschirmt und seien dann angepöbelt worden - von Passanten und auch von Journalisten.

Beim Innenministerium schätzt man den Zwischenfall auf der A3 als Notlösung ein - unkonventionell obendrein. Nach dem Bayerischen Feuerwehrgesetz haben Einsatzkräfte allerdings die Befugnis, Personen von Unfallstellen zu verweisen - auch unter Einsatz unmittelbaren Zwangs, so der Sprecher.

Kontroverse Debatte in den Sozialen Medien

Nach dem Vorfall habe Einsatzleiter Hofmann das Gespräch mit seinem Feuerwehrmann gesucht. „Solche Aktionen dürfen auf keinen Fall Schule machen“, sagte er - auch wenn dieser Fall bei Kollegen und in der Bevölkerung durchaus auf Sympathie traf. Hofmann stellte klar, es sei zwar menschlich nachvollziehbar, gegen Gaffer einschreiten zu wollen, aber „die gehen uns eigentlich nichts an“.

Von mehr als zehn Lastwagenfahrern hatten Polizeibeamte schon während der Unfallarbeiten die Personalien aufgenommen. Im Anschluss wurden noch Videoaufnahmen gesichtet, um weitere mutmaßliche Täter zu überführen, erklärte der Sprecher.

In den sozialen Medien wird der Vorfall derweil kontrovers diskutiert. Bei Facebook teilten einige Nutzer die Haltung der Polizei. Vielfach gab es aber auch Sympathiebekundungen für den Feuerwehrmann. „Ich find den Einsatz gegen Gaffer von der Feuerwehr super und auch wirkungsvoll. Sollte Standard werden, statt bemängelt“, schrieb eine Nutzerin. „Ich find es super!! Wenn die Polizei nichts gegen diese perversen Menschen macht, dann eben so!!!“, meinte eine andere.