Ob Warenhäuser wie Galeria Karstadt Kaufhof noch eine Zukunft haben, ist unter Handelsexperten umstritten. Größere Chancen sehen sie aber in einer Nachnutzung der Immobilien – falls die Politik mitspielt.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

An Tagen wie diesen wird Boris Hedde bewusst, wie sehr die Filialschließungen des Warenhauses Galeria Karstadt Kaufhof die Menschen bewegt. Seit Jahrzehnten seien Warenhäuser auf dem absteigenden Ast – aktuell mache ihr Umsatz nur noch 1,4 Prozent des deutschen Einzelhandels aus, sagt der Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH). „Unter normalen Gesichtspunkten würden wir gar nicht so viel darüber sprechen. Das Warenhauskonzept mit großer Vielfalt zu erschwinglichen Preisen hat sich überholt. Das finden die Leute im Internet.“

 

Es ist ein drastisches Urteil, das Hedde fällt, der natürlich das Leid der Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof sieht. Weil das Unternehmen 52 seiner 129 Warenhäuser schließt, verlieren bis zu 5000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Allein in Baden-Württemberg müssen 500 Beschäftigte gehen. Hier werden sechs Filialen geschlossen, darunter jene in der Stuttgarter Eberhardstraße, in Esslingen und Leonberg. Zwölf Filialen, unter anderem auf der Stuttgarter Königsstraße, in Heilbronn, Karlsruhe und Mannheim, bleiben bestehen. Doch wie lange noch?

Verbleibende Galeria-Filialen werden neu ausgerichtet

Oliver Janz, der an der DHBW Heilbronn lehrt, gibt dem neuen Konzept Chancen. „Ich glaube, dass es zumindest an Standorten mit einer guten Kaufkraft und einem vorteilhaften Wettbewerbsumfeld tragen könnte.“ Galeria will die verbliebenen Warenhäuser in den kommenden drei Jahren umfangreich modernisieren und „stärker auf lokale und regionale Bedürfnisse ausrichten“, wie es aus der Unternehmenszentrale heißt. Filialen werden deshalb eigenständiger. Neben einer stärkeren Fokussierung auf die Segmente Bekleidung, Beauty und Inneneinrichtung soll es ein Gastroangebot geben und Ergänzungen wie Versicherungen, Schneidereien, Reinigungen oder Bürger-Services.

Dabei gehe es auch um die konkrete Umsetzung, sagt Janz. Wichtig seien höherwertige Produkte, eine gute Beratung und ein möglichst großes Einkaufserlebnis. „Im Grunde wie ein kleines Shopping-Center, aber weniger zusammengewürfelt und exklusiver. In einem modernen Warenhaus sollte es Spaß machen, auch mal einen halben Tag dort zu verbringen wie in der französischen Galerie Lafayette oder im spanischen Warenhaus El Corte Inglés.“ Angebote wie ein Versicherung oder ein Bürger-Service sehe er aber nicht als sinnvolle Ergänzung. „Das klingt für mich eher als Notlösung, um die großen Flächen zu füllen.“

Die Größe hat sich zum zentralen Problem fast aller Warenhäuser entwickelt; auf die oberen Etagen zieht es nur wenige Kunden. Das erschwert auch die Weiternutzung der auf absehbare Zeit geschlossenen Galeria-Standorte. Michael Gerling, Geschäftsführer des Kölner Handelsforschungsinstitut EHI, sieht hier nur in einer Mischnutzung Chancen. Im Erdgeschoss Geschäfte, darüber aber auch Wohnungen und Büros, Gastronomie und Dienstleister – etwa Fitnessstudios. „Wir haben in vielen Innenstädten auch eine Art Monokultur. Jetzt haben wir die Chance, dass neue Mieter kommen und die Citys wieder vielfältiger werden“, sagt Gerling.

Ikea und Obi suchen auch in Innenstädten

Unternehmen wie Ikea und Obi suchten neue Standorte nicht nur in Gewerbegebieten, sondern auch in Innenstädten, meint Gerling. Dies gelte auch für manchen Online-Anbieter oder Dienstleister. Das Problem sei der aufwendige Umbau und die Anträge für die Umnutzung der Immobilien; und das Bauen sei wegen der steigenden Zinsen teurer geworden. „Das braucht Zeit, und kostet viel Geld. Hier sind auch die Städte gefordert, denn die Investoren werden nicht Schlange stehen.“ Warum sollte eine Stadt die neue Kita nicht in einem ehemaligen Warenhaus planen?

Das sieht Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, ähnlich. „Ich weiß, dass es an den Galeria-Immobilien Interesse gibt. Hier könnte etwas Neues entstehen.“ Sie könne sich auch Handwerksgeschäfte oder ein Seniorenheim im Warenhaus von einst vorstellen. „Senioren möchten auch nicht immer nur am Stadtrand leben.“ Sie hofft, dass sich für die Warenhäuser in Stuttgart, Leonberg und Esslingen gute Lösungen ergeben. „Wenn Immobilien brachliegen würden, wäre das katastrophal.“

An das Ende der Warenhäuser glaubt sie aber nicht. „Sie ziehen noch immer die Besucher in die Innenstädte, wenn auch nicht so stark wie früher – das gilt vor allem für die kleineren Städte“, sagt Hagmann. Auch Galeria sehe sie wieder auf Kurs. „Generell glaube ich, dass es eine Renaissance der Warenhäuser geben kann, so wie sie es in Frankreich und Spanien gibt. Die jetzt übrig bleiben, haben eine Chance, eine relevante Rolle zu spielen.“