In der Galerie AK2 an der Alexanderstraße im Stuttgarter Süden wirft Felix J. Hermann Stumpf neue Blicke auf den öffentlichen Raum.

S-Süd - Poetisch, wie sich die Zacken durch das Glas in den Raum hineinschieben. Dabei ist es eine optische Täuschung, weil eine Reflektion: Der Künstler Felix J. Hermann Stumpf installierte die schlanken Holzbalken auf dem Vorplatz der Galerie AK2 für seine Ausstellung mit dem Titel „There is a crack in everything“ so raffiniert zwischen Asphalt und Schaufenster, dass es scheint, als ob sie sich in den Raum fortsetzten. In der Galerie indes finden sich raue Wände, Leere, „Freiraum“ jenseits einer Ablage und Theke. Allein in den beiden großen Fenstern hängen an dünnen Schnüren Cyanotypien.

 

Diese Blau- oder Eisenblaudrucke bezeichnen eine fotografische Technik, die bis in die 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts etwa zur Reproduktion von Bauplänen benutzt wurde. Auch auf den Cyanotypien in AK2 sind Architekturelemente auszumachen, Streben, Fassadenstücke, Dachteile, die sich zu neuen, raumartigen Gebilde verbinden – und eine geometrische wie ornamentaler Ästhetik, eine Mischung als Malerei und technischer Präzision, schaffen.

Ausstellung außerhalb der Galerie

Sie verweisen wieder nach draußen. Nicht nur weil von dort zu sehen ist, was sich drinnen abspielt. Auch weil sich die Fassaden der Alexanderstraße in den Schaufenstern spiegeln: Die reale Architektur vermischt sich mit jener auf den Druckgrafiken. „Felix Stumpf beschäftigt sich seit Jahren mit öffentlichem Raum und Stadtlandschaften, deren Formen, Nutzung, Entwicklung und Wirkung“, beschreibt Winfried Stürzl, der mit Andreas Körner als Konzeptteam die nicht-kommerzielle Galerie AK2 betreibt. „In vielen Ballungsräumen Deutschlands, aber gerade auch in Stuttgart, in dem die Kräne und Bagger ständig unterwegs seien, ein höchst aktuelles, politisches Thema.“ Daher finde auch das Gros der Ausstellung außerhalb der Galerie statt, so Stürzl. „Eine Anregung, sich mit dem Außenraum und der Stadtplanung zu beschäftigen.“

Die AK2-Räume – einst Bäckerei mit Café an der Lorenzstaffel 8 – stellen der Kunsthistoriker und der Fotograf als Freiraum für Kunstschaffende zur Verfügung, nicht-kommerziell, vom Kulturamt unterstützt, als Plattform für Experimente. Auch Stumpf entwickelte, wie die Ausstellenden vor ihm, seine „perfomative Intervention“, ortsspezifisch. „Er verweist auf Zwischennutzung, hat Stadt- und Galerieraum in ein künstlerisches Labor verwandelt“, schildert Körner und führt in einen Nebenraum. Den einstige Cafébereich verwandelte Stumpf in zwei schmale, mystisch anmutende Gänge.

Bezug auf die Bauten der 50er-Jahre

In einem findet während der Ausstellungsdauer ein Experiment statt: Der Künstler hat auf einem Tisch blaue Blätter mit Steinen ausgelegt. „Diese Asphaltstücke fand er in der Umgebung“, so Körner. Nun bilden sich deren Formen langsam als Cyanotypien ab, werden also auf das fotoempfindliche Papier belichtet. Im Gang nebenan wiederum zeigen in Guckkästen Bücher über Architektur, was Stumpf inspirierte, etwa die sozialistischen Moderne Ost-Berlins. Ihm dienten Ornamente der dortigen Gebäuden als Basis für seine Grafiken, so die Springerblöcke oder das Interieur der Hedwigs-Kathedrale. Auch im Umfeld von AK2 nahm er Bezug auf die Bauten der 50er-Jahre und ihrem Bauschmuck, etwa das City-Hochhaus. Insofern beziehe sich, so Stürzl, der Ausstellungstitel, nach dem alles einen Riss hat oder nichts perfekt ist, nicht nur auf die Brüche und Widersprüche des Orts oder des Lebens. „There is a crack in everything“ ist Teil des Lieds „Anthem“, das Leonard Cohen 1992 schrieb. Und der Altmeister textete weiter „That’s how the light gets in“. „Durch Risse dringt Licht ein“, beschreibt Stürzl. „So werden Schwellen- und Denkräume geöffnet, Metaphern urbanen Raums, in denen Utopien zumindest temporär Realität werden können.“