Rund fünf Jahre hat Ingrid-Sibylle Hoffmann die Galerie Stihl in Waiblingen geleitet. Im Oktober wechselt die 39-jährige promovierte Kunsthistorikerin an das Landesmuseum in Stuttgart. Dort arbeitet sie als Kuratorin für die Kunst des Mittelalters.

Waiblingen - Die Trennung von hoher und angewandter Kunst hat Ingrid-Sibylle Hoffmann schon immer als überflüssig empfunden. Was wohl mit ihrer Vorliebe für das Spätmittelalter zu tun hat: „Zu dieser Zeit gab es eine solche Aufteilung nicht. Die Kunst hatte eine Funktion und war meist religiös motiviert“, sagt die promovierte Kunsthistorikerin, deren Büro von Oktober an im Obergeschoss der Markthalle in Stuttgart ist. Denn die 39-jährige gebürtige Winterbacherin, die fünf Jahre die Waiblinger Galerie Stihl geleitet hat, arbeitet künftig als Kuratorin für die Kunst des Mittelalters am Landesmuseum.

 

Kunst nicht nur für Kenner

Ausschließlich Kunstkenner in den kieselförmigen Galeriebau an der Rems zu locken, ist denn auch nie Hoffmanns Wunsch gewesen. Sie hatte das Ziel, einen größeren Kreis von Menschen zu begeistern: „Ich wollte immer Leuten Kunst vermitteln. Forschung an der Uni war nie mein Ding.“ Da kommt ein weiteres ihrer Studienfächer ins Spiel: die Erziehungswissenschaften. Selbst wer völlig unbedarft in die Galerie spazierte, konnte sich bislang nach einem Rundgang ein bisschen schlauer fühlen. Denn unter Ingrid-Sibylle Hoffmanns Ägide hingen nicht nur Kunstwerke, sondern stets auch ausführliche Begleittexte an den Wänden. „Manche finden, das sei zu viel Text“, sagt Hoffmann: „Andererseits haben viele Besucher rückgemeldet, dass sie dankbar sind für die Informationen.“

Galerie-Profil ist ein roter Faden

Rund zwei Jahre Vorlaufzeit brauche es für eine Ausstellung wie die jüngste Schau „Bauern, Tänzer, Liebespaare“ mit Grafiken aus der Dürerzeit. Hoffmann hat sie komplett allein kuratiert. Die Liste der Aufgaben ist lang: Geldgeber suchen, Anträge an Stiftungen formulieren, Sammlungen mit Exponaten sichten, Autoren und Abbildungen für Ausstellungskataloge finden, Texte für die Tafeln formulieren.

2009 hat Ingrid-Sibylle Hoffmann die Leitung der Galerie Stihl von Helmut Herbst übernommen, im darauffolgenden Jahr ist sie „richtig durchgestartet“. Das Profil der Waiblinger Galerie mit ihrem Schwerpunkt auf (zeitgenössische) Zeichnungen auf Papier habe sie nicht als Einschränkung, sondern als Vorteil empfunden, sagt sie im Rückblick. „Das ist ein roter Faden, ein hilfreicher Rahmen, aus dem sich ein Programm entwickeln lässt.“

Manche Ausstellung sei lediglich aufgrund dieses Profils machbar gewesen: „Emil Nolde konnten wir nur stemmen, weil wir Zeichnungen und keine Gemälde gezeigt haben“, sagt die Galerie-Leiterin, deren Jahresbudget bei rund 300 000 Euro liegt. Ein bisschen erweitert hat Hoffmann den Schwerpunkt aber trotzdem – um die dreidimensionale Variante. Sichtbar geworden ist das etwa im vergangenen Jahr bei „Pap(i)er Fashion“, als Exponate aus der Blütezeit des Papierkleids zu sehen waren. Diese Ausstellung auf die Beine zu stellen, sei ein harter Kampf gewesen: „Die Vorstellungen der Leihgeber darüber, wie man die Stücke präsentiert, waren sehr unterschiedlich.“ Die Zusammenarbeit mit dem Wilhelm-Busch-Museum in Hannover für die Ausstellung mit satirischen Zeichnungen von F. K. Waechter war hingegen „die einfachste Sache der Welt“.

Auch Loriot hat seinen Anspruch

Loriot als Publikumsmagnet

Mal Busch oder Waechter, mal Grafiken der Dürerzeit – dass sie in Waiblingen eine abwechslungsreiche Mischung zeigen konnte, hat Ingrid-Sibylle Hoffmann genossen. Klar – eine Ausstellung wie die überaus gut besuchte „Loriots Spätlese“ würde man in einem klassischen Museum wie der Münchner Neuen Pinakothek niemals zeigen. Trotzdem: „Auch so etwas hat einen Anspruch, interessiert die Leute und man kann es guten Gewissens zeigen.“ Gerade wenn man Überraschendes präsentiere, habe man oft Erfolg, sagt Hoffmann, die wiederum überrascht war vom Erfolg der Ausstellung „Leben in Karton“, die Wohnobjekte und mehr aus Pappkarton als Thema hatte. Allerdings seien Besucherzahlen nicht das Einzige, was zähle. Wichtiger als die reine Anzahl sei ihr die positive Rückmeldung der Besucher: „Wobei man sich immer wünscht, dass die Leute die Ausstellungen auch anschauen.“

Sehr geschätzt hat die Galerie-Leiterin die Kooperation mit Einrichtungen wie dem Kulturhaus Schwanen, der Stadtbücherei oder dem Kommunalen Kino: „Davon haben alle etwas.“ Auch das spezielle Waiblinger Modell, bei dem die Galerie eng mit der Kunstschule Unteres Remstal zusammenarbeitet, sieht Hoffmann als Erfolgsmodell: „Dank der top ausgestatteten Kunstschule mit ihren Experten können wir viel mehr Angebote machen, als andere städtische Galerien unserer Größe.“ Da kommt sie wieder zum Vorschein, die Kunstvermittlerin.

Auch bei ihrer Arbeit im Landesmuseum will Ingrid-Sibylle Hoffmann die Exponate für Besucher erlebbar machen. Sie ist guter Dinge, dass das klappt, denn die Stücke aus dieser Zeit – sei es ein Reisealtar, ein Messkelch oder ein wundervoll gemaltes Prunkkartenspiel – seien nicht abgehoben. Zuerst aber will Hoffmann sich in die mittelalterliche Sammlung „reinfuchsen“: „Vieles kenne ich aus der Literatur. Die Schausammlung im Landesmuseum ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Die Gegenwart und die Galerie Stihl wird sie trotz aller Begeisterung für das Mittelalter nicht aus dem Blick verlieren: „Das lässt man nicht so einfach los. Ich werde auf jeden Fall Mitglied im Förderverein.“