Gediegene Künstler, regionale Herkunft, überregionale Bedeutung: Die Galerie Schlichtenmaier feiert an den Standorten Grafenau und Stuttgart ihren fünfzigsten Geburtstag.

Stuttgart - Eine Galerie, die fünfzig Jahre alt werden will, muss sich permanent verjüngen.“ Kuno Schlichtenmaier weiß, wovon er spricht. Die ersten Schritte auf den Kunstmarkt riskierte er einst mit Buchmalerei und Grafik der Dürerzeit. Mittlerweile stehen auch Medienkunst und Performances auf dem Programm der Grafenauer Galerie sowie ihrer Stuttgarter Filiale. Als Marktführer gilt Schlichtenmaier aber vor allem, wenn es um klassische Moderne und Nachkriegsmalerei aus Baden-Württemberg geht. An den Eckpunkten von Tradition und Innovation orientiert sich auch die Doppelausstellung, mit der die Galerie den runden Geburtstag feiert. Von diesem Wochenende an präsentiert der Stammsitz auf Schloss Dätzingen das breite Panorama der Gegenwartskunst – von dem Farbfeldkonzeptualisten Platino bis zu Luzia Simons und ihren floralen Computerscans. Zwei Wochen später fasst die Stuttgarter Dependance historisch gewordene Positionen aus dem Bestand zusammen.

 

Vom Vater zu den Söhnen

Gegründet wurde die Galerie 1969 von Herbert Schlichtenmaier, der sich auf Renaissance und Barock konzentriert hatte. Nach dessen Tod 1979 übernahmen seine drei Söhne die Geschäftsleitung. „Meine beiden Brüder und ich“, sagt Kuno Schlichtenmaier, „haben rasch gemerkt, dass wir uns umorientieren mussten. Anspruchsvolle Werke aus der frühen Neuzeit waren schon damals kaum noch zu bekommen.“ Und Zweit- oder Drittklassiges zu präsentieren widersprach der gemeinsamen Überzeugung.

Doch das Trio der drei promovierten Kunsthistoriker entdeckte quasi vor der Haustür ungehobene Schätze. Schlichtenmaier wurde zum Kompetenzzentrum für Adolf Hölzel und seine Stuttgarter Schule. „Dass Hölzel der Abstraktion ähnliche Impulse gegeben hat wie Kandinsky, war in den Achtzigern selbst Experten noch nicht klar.“ Nicht zuletzt durch die Pionierarbeit aus Grafenau hat sich die Kunstgeschichte mittlerweile korrigiert. Auch die Preise für Hölzel schossen in die Höhe. Über diese Entwicklung redet der Galerist indes nur ungern, um die Spekulation nicht noch weiter anzuheizen.

Schwierig sei vor allem die Phase der Neukonzeption gewesen. „Meine Mutter und drei junge Familien mussten durch die Kunst ernährt werden. Auf den gewachsenen Kundenkreis konnten wir uns nicht verlassen, sondern mussten neue Sammler gewinnen“, erinnert sich Kuno Schlichtenmaier, dem man seine 66 Jahre nicht ansieht. Sportlich und hochgewachsen, strahlt er schon physisch Erfolg und Tatkraft aus. Dabei verbindet er kunsthistorisches Fachwissen mit der Seriosität des Geschäftsmannes. Schließlich zählt seine Galerie zu den wenigen in Stuttgart, bei denen die Preise auch mal sechsstellig werden können.

Entsprechend gediegen ist das Ambiente, der Dresscode bei Vernissagen erinnert schon eher an die Finanzbranche. Unter den männlichen Besuchern dominieren Anzug- und Krawattenträger. Obschon der Fokus bis heute auf Künstlern aus Baden-Württemberg liegt, versteht sich Schlichtenmaier nicht als Regionalgalerist. „Wir zeigen Künstler der Region, aber deren Relevanz ist überregional.“

Kuno Schlichtenmaier hat in den vierzig Jahren, die er seinen Job macht, viele Kunsthypes kommen und gehen sehen und daraus den Schluss gezogen: „Qualität ist wichtiger, als Trends hinterzulaufen.“ Und was macht diese Qualität aus? „Dass der Künstler einen eigenen Ansatz hat und das, was er will, perfekt umsetzt!“

Fokus auf das Spitzensegment

Die Konzentration auf das Spitzensegment war ökonomisch die richtige Entscheidung. Dass das Sammlerkapital aufgrund der niedrigen Zinsen vermehrt in renommierte, hochpreisige Kunst gesteckt wird, beobachtet Schlichtenmaier seit Längerem. Obwohl er selbst davon profitiere, sei der Markt auch für sein Haus nicht einfacher geworden. Die neue Mehrwertsteuerregel für Kunst etwa gehört zu den Dingen, die den sonst kontrollierten Galeristen aus der Fassung bringen: „Das ist ein extremer Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischen Konkurrenten!“

Auch das Kulturgutschutzgesetz werfe dem Kunsthandel Knüppel zwischen die Beine. Denn die Branche internationalisiere sich immer weiter. Begonnen habe dieser Prozess schon in den Achtzigern, durch das Internet sei er weiter forciert worden. Worauf die Galerie, als erste in Stuttgart, mit dem Format der Online-Ausstellung reagierte. Denn die Sammler werden wieder jünger.

Nachdem Ende 2016 der älteste Bruder Harry unerwartet verstarb, entschloss sich Kuno Schlichtenmaier gemeinsam mit seinem verbliebenen Bruder Bert auch für eine Verjüngung der Galerie. Seitdem sind die bisherigen Mitarbeiter Kay Kromeier und Günter Baumann Mitgesellschafter. Damit sei sichergestellt, dass die Galerie Schlichtenmaier ihre Künstler beziehungsweise Künstlernachlässe auch langfristig weiterbetreuen könne.

Einen baldigen Rückzug vom Tagesgeschäft plant Kuno Schlichtenmaier aber nicht. „Das Schöne an unserem Beruf ist ja“, sagt er, „dass Sie ihn auch im Alter noch ausüben können.“