Die beiden mit einer russischen Sojus-Rakete ins Weltall gebrachten Satelliten des Galileo-Projekts sind womöglich unbrauchbar. Eine Kommission soll nun die Ursachen für die schwere Panne klären.

Stuttgart - Die Europäische Kommission ist besorgt: „Das Problem mit mit dem Start der beiden Galilelo Satelliten ist sehr unglücklich“, kommentierte der zuständige EU-Industriekommissar Ferdinando Nelli Feroci. Und er kündigte an, dass sich die Europäische Union (EU) an der Ursachensuche beteiligen werde.

 

In der am Montag eingesetzten Untersuchungskommission werden vor allem die Europäische Raumfahrtagentur ESA sowie das europäische Raumfahrtunternehmen Arianespace federführend sein. Beide Organisationen wurden von der EU „eingeladen“, in der ersten Septemberwoche die vorläufigen Untersuchungsergebnisse in Brüssel zu präsentieren. Erwartet werden sicherlich auch Vorschläge, wie die Mission der beiden Satelliten doch noch gerettet werden könnte.

Die Satelliten sind vermutlich vollständig unbrauchbar

Das allerdings wird „kompliziert“ werden, wie es bereits am Wochenende Jean-Yves Le Gall formulierte, der Chef der französischen Raumfahrtbehörde Cnes. Denn inzwischen ist klar, dass die Panne ziemlich schwer ist – so schwer, dass die Satelliten womöglich weitgehend oder vollständig unbrauchbar sein könnten. Dabei hatte es nach dem Start am vergangenen Freitag zunächst recht gut ausgesehen: Als die Sojus-Rakete mit den beiden Satelliten „Milena“ und „Doresa“ an Bord nach einer 24-stündigen Schlechtwetterverzögerung vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana abhob, deutete nichts auf mögliche Probleme hin. Alle Beteiligten sprachen von einem planmäßigen Flug. Doch dann gab es die ersten Warnmeldungen: Offenbar wiesen zunächst die Amerikaner auf die falschen Bahndaten der Satelliten hin. Erst Stunden später, so Beobachter, sollen die Europäer die Probleme bestätigt haben. Offiziell berichtet Arianespace, dass die Analyse der von ESA und Cnes ermittelten Daten erst „nach einer bestimmten Zeit“ gezeigt hätten, dass sich die Satelliten nicht in der „erwarteten“ Umlaufbahn befänden.

Fakt ist, dass der Orbit nun laut Arianespace nicht wie vorgesehen kreisförmig mit einem Radius von etwa 29 900 Kilometer um die Erde verläuft, sondern in einer Ellipse. Die „Eiform“ der Problembahn, die im Maximum nur 26 200 Kilometer vom Erdmittelpunkt entfernt ist, ist dabei recht ausgeprägt. Ein weiteres gravierendes Problem kommt hinzu: „Die Bahnebene des Satelliten zum Äquator der Erde ist um fünf Grad falsch – statt der vorgesehenen 55 Grad sind es nur knapp 50 Grad. Dies zu korrigieren, ist ein aufwendiges Manöver, das viel Treibstoff benötigt“, sagt Roger Förstner, der Leiter des Instituts für Raumfahrttechnik und Weltraumnutzung der Universität der Bundeswehr in München.

Die Galileo-Satelliten waren offenbar nicht versichert

Derzeit ist allerdings keineswegs klar, ob die fehlerhafte Bahn überhaupt korrigiert werden kann. Zwar könnte man mit dem einen oder anderen komplizierten Trick den hierfür notwendigen Treibstoffbedarf etwas reduzieren. Doch sollte der an Bord der Satelliten vorhandene Sprit ausreichen, wird er später für die im Laufe der Jahre erforderlichen Bahnkorrekturen fehlen – was die auf zwölf Jahre ausgelegte Lebensdauer der Satelliten erheblich reduzieren würde. Die Situation ist mithin ziemlich vertrackt. Und teuer ist die Panne ebenfalls: die beiden jeweils etwa 40 Millionen Euro teuren Satelliten waren dem Vernehmen nach nicht versichert. Umso wichtiger ist daher die Suche nach dem Fehler. Dieser ist offenkundig in der pberen Stufe der Sojus zu suchen. In diesem Fregat genannten Modul sei es „vermutlich zu Abweichungen während der Flugphase gekommen, berichtet Arianespace.

Über die Ursache kann nur spekuliert werden: Stoppte der Antrieb zu früh? Wurden die Satelliten zu früh ausgesetzt? Oder an einer falschen Stelle? Waren technische Probleme die Ursache – oder falsche Berechnungen? An den Satelliten könne es jedenfalls nicht gelegen haben, heißt es. Sowohl die Fregat-Oberstufe als auch die Satelliten seien intakt und unter Kontrolle, beruhigt die ESA. Physische Gefahren für die Menschen auf der Erde gehen nicht von den havarierten Raumflugkörpern aus.Die Untersuchungen werden sich somit auf die Oberstufe der russischen Sojus-Rakete konzentrieren. Auch die gilt – wie die gesamte Rakete – eigentlich als recht zuverlässig. Nur 2009 wurde vom Fregat-Modul ein Satellit falsch ausgesetzt. Allerdings gab es auch in Russland in jüngster Zeit Probleme: Beim Fehlstart einer russischen Proton-Rakete gingen vor etwa einem Jahr drei Satelliten verloren, die zum Aufbau des Glonass-Navigationssystems vorgesehen waren – dem russischen Pendant von Galileo.

Der Zeitplan dürfte kaum zu halten sein

Die jüngste Panne des an Rückschlägen nicht gerade armen europäische Projekts wird dessen Starttermin weiter verzögern. Ursprünglich sollten noch in diesem Jahr zwei weitere Satelliten ausgesetzt werden. Dieser Zeitplan dürfte nun kaum zu halten sein – schließlich müssen die Ergebnisse und Empfehlungen der Untersuchungskommission abgewartet werden. Außerdem wollen die Europäer in Zukunft doch wieder auf ihre eigene Rakete vertrauen, die Ariane 5.

Von 2015 an, so berichtete Arianespace dieser Tage, wolle man mit insgesamt drei Flügen zwölf Galileo-Satelliten ins Weltall transportieren. Zusammen mit den fünf Sojus-Flügen, bei denen jeweils zwei Satelliten ins All befördert werden, wären dann 22 „operative Satelliten“ im All. Diese werden dann die vier Satelliten ergänzen, die bereits 2011 und 2012 mit Ariane-Raketen gestartete wurden.

Trotz des jetzigen Rückschlags will die EU an dem milliardenschweren Prestigeobjekt festhalten: „Ich bin weiterhin von der strategischen Bedeutung von Galileo überzeugt und ich bin zuversichtlich, dass die Aufstellung der Satellitenkonstellation wie geplant fortgesetzt wird“, betonte EU-Kommissar Feroci.

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