Die Ku-Klux-Klan-Verbindung von Ordnungshütern schadet dem Ansehen der Sicherheitsbehörden im Land. Der Innenminister forciert Aufklärung und Vorkehrungen, um solche Vorfälle künftig zu verhindern. Bewerber sollen nun schon früh befragt werden.

Stuttgart - Reinhold Gall (SPD) schien es nicht wohl zu sein in seiner Haut. Er musste der sommerbedingt nach Themen dürstenden Presse darlegen, dass zwei Polizeibeamte im Jahr 2002 einem von Schwäbisch Hall aus agierenden Ableger des aus den USA importierten, rassistische Parolen verbreitenden Ku-Klux- Klans angehört hatten, und ihre Vorgesetzten drei Jahre brauchten, bis klar war, wie sie mit diesem Vorgang umgehen sollten. Passiert ist dann gar nicht mehr viel, denn für Disziplinarverfahren war es zu spät. Die Beamten erhielten jeweils eine Rüge. Sie sind nach wie vor im Polizeidienst.

 

Sowohl für Gall als auch den Landespolizeipräsidenten Wolf Hammann ist aus der Rückschau klar, dass die Aktivitäten der beiden „zu schärferen Disziplinarmaßnahmen hätten führen müssen“. „Nicht zu akzeptieren“, so Gall, sei die Erklärung der Polizisten, sie seien aus Naivität in die rassistische Vereinigung gestolpert. „Ich denke, wir würden heute anders reagieren“, glaubt der Minister.

Die Rügen haben für die Betroffenen keine Konsequenzen

Einer der beiden Betroffenen war schon damals Beamter auf Lebenszeit. Ihn aus dem Polizeidienst zu suspendieren wäre nur möglich gewesen, wenn er eine Straftat begangen hätte. Das war seine Mitgliedschaft beim Ku- Klux-Klan aber nicht. Der andere war seinerzeit noch Proband, man hätte ihn „wegen mangelnder Bewährung“ durchaus entlassen können. Das wurde aber nicht in Betracht gezogen. Die vorgesetzten Stellen sahen jeweils eine Rüge als ausreichend an. Andere mögliche Disziplinarmaßnahmen wären eine Geldbuße oder eine Gehaltskürzung gewesen, im schlimmeren Fall auch eine Rückstufung.

Die Rügen haben für die Betroffenen keine Konsequenzen mehr, denn sie dürfen nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr berücksichtigt werden, etwa bei Personalmaßnahmen oder in dem Fall, dass neue disziplinarische Auffälligkeiten beobachtet würden. Letzteres ist nicht der Fall. Der eine Beamte gilt „als beliebter, unauffälliger und zuverlässiger Kollege mit guten Leistungen“. Zudem war er „in vielen Einsätzen mit ,rechtem Hintergrund‘ eingesetzt. Dabei konnten keine Anhaltspunkte für fehlende Neutralität festgestellt werden“. Gegen den anderen, so geht aus Hammanns Bericht hervor, sei im April ein anonymer Hinweis eingegangen, in dem er als „unerträglicher Rassist“ bezeichnet werde und eine „feindselige Einstellung gegen Homosexuelle und Ausländer sowie Stuttgart-21-Gegner“ behauptet werde. Das habe zu verwaltungsinternen Ermittlungen geführt, „im Ergebnis konnte jedoch kein Fehlverhalten konkretisiert werden“, so der Bericht des Polizeipräsidenten.

Keine Hinweise auf ein nicht neutrales Verhalten im Einsatz

Rechtsgründe verbieten, den alten Ku-Klux-Klan-Fall heute noch einmal aufzurollen. Zum einen ist die Sache formal gesühnt. Zum anderen sind die während der disziplinarischen Aufarbeitung angesammelten Akten gelöscht; gewonnene Erkenntnisse sind nicht mehr verwertbar.

Erst nach drei Jahren wurden die milden Sanktionen verhängt

Warum die Untaten der Ordnungshüter milde geahndet wurden, ist das eine. Warum es so lange gedauert hat, bis sie überhaupt verfolgt wurden, ist die andere Frage. Im Mai 2002 gab der Verfassungsschutz dem Innenministerium den Tipp, dass zwei Polizeibeamte bei jener Ku-Klux-Klan-Truppe gesichtet worden seien. Erst 2005, drei Jahre später, wurden die – milden – Sanktionen verhängt. Warum das so lange dauerte, sei nicht mehr lückenlos nachvollziehbar, musste der Polizeipräsident einräumen. Er zog seine Erkenntnisse „im Wesentlichen“ aus Akten des Verfassungsschutzes. Beim Innenministerium habe er nur „sehr rudimentäre Sachaktenbestände“ vorgefunden. Von ihm befragte Zeitzeugen konnten sich allenfalls „dunkel“ an die Sache erinnern.Ein Grund für das Zögern könnte eine gewisse Unsicherheit gewesen sein, wie mit den Erkenntnissen der Verfassungsschützer umzugehen sei. Sie stammten nämlich aus einer Telefonabhöraktion, die rechtlich nicht verwertbar war. Freilich hatte der Verfassungsschutz schon im Sommer 2002 bekundet, dass aus seiner Sicht keine Bedenken bestehen, die beiden Polizeibeamten zu befragen. Ende 2003 berichten die Verfassungsschützer, sie hätten Fotos der beiden Polizisten in einer Wohnung mit Ku-Klux-Klan-Fahnen sichergestellt.

25 Vorkommnisse in zehn Jahren

Gall sieht in dem Fall „eine absolute Ausnahme“. Baden-Württembergs Polizei bestehe aus 30 000 Köpfen, sei weltoffen, tolerant und stehe für ein vorurteilsfreies Miteinander. Das zeige sie nicht zuletzt, indem Migranten verstärkt eingestellt werden. Um das untermauern zu können, hat der Minister seinen Polizeipräsidenten beauftragt, sämtliche rechtsextremistischen Vorfälle der letzten zehn Jahre zusammenzutragen.

25 Vorkommnisse hat Hammann gefunden, etwa das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, rechtsextremistische Äußerungen oder die Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz als rechtskonservativ eingestuften Partei. Fast alle Geschehnisse zogen strafrechtliche Ermittlungen nach sich. Die Staatsanwaltschaft habe freilich die meisten eingestellt. Nur in zwei Fällen sei es zu einer Verurteilung gekommen, im schärfsten Fall wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen, dazu disziplinarrechtlich zu einer Zurückstufung. Hammann betonte, dass die Polizei sämtliche Verdachtsmomente für rechtsextremistische Umtriebe verfolge, ja selbst Gerüchten nachgehe.

42 Einstellungsberater sollen weiter sensibilisiert werden

Um solche Vorfälle künftig zu verhindern, soll das Verfahren zur Einstellung des Polizeinachwuchses verschärft werden. Man werde, so Gall, das bayerische Vorbild prüfen. Bewerber werden dort gezielt nach einer Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Organisationen befragt. Auch die 42 Einstellungsberater der Landespolizei sollen weiter sensibilisiert werden. Sie seien ein wesentlicher Filter. 25 bis 50 Prozent der Interessenten würden durch sie bereits „ablehnend beraten“, etwa wenn Einstellungsvoraussetzungen fehlen oder eine charakterliche Eignung nicht bejaht werden könne.