Acht Jahre Spannung, Staunen, Drama, Schocks – und ein paar Enttäuschungen: Die letzte Folge der letzten Staffel von „Game of Thrones“ ist da. Wir haben sie uns angeschaut. Achtung, es könnte zu Spoilern kommen.
King’s Landing - Es kommt von tief innen. Drogon, der größte der Drachen in der Fantasyserie „Game of Thrones“, spuckt in der dreiundsiebzigsten, der allerletzten Folge noch einmal Feuer. Er kotzt sich förmlich aus – und flammt damit vielen wütenden Fans der Serie aus dem Herzen. Die achte und letzte Staffel hat viele Erwartungen enttäuscht, und zwar so heftig, dass im Internet bereits mehr als eine Million Menschen die Petition unterzeichnet haben, man möge sie doch noch einmal neu drehen.
Nichts für Romantiker
Wobei vielleicht gerade Drogons Wut oder eher, deren Anlass und Drumherum, manchen auch ein wenig besänftigt haben mögen. Denn diese Abschlussfolge hat zwar ein paar Taschenspielertricks eingesetzt, aber auch achtbare Lösungen für fast heillose Erzählklemmen gebracht. Zu behaupten, was 2011 als Musterbeispiel des erwachsenen epischen Erzählens im Fernsehen gestartet war, verröchele nun in Planlosigkeit, Feigheit und Kitsch, fällt nicht mehr ganz so leicht.
Zum Ende von „GoT“ wie die Fans den Serientitel abkürzen, wäre alles andere als eine böse Überraschung eine böse Überraschung gewesen. Von Anfang an haben George R. R. Martins Buchreihe und ihre fast Folge um Folge kinotaugliche Umsetzung Ritterromantikern, Lichtgestaltenfans und Welterlösungsfantasten Magenhiebe und Kniekehlentritte verpasst. „Game of Thrones“ spielt in einer feudalen Gesellschaft, in der individuelle Machtgier und blutig verteidigte dynastische Ansprüche die Politik und das Leben bestimmen. Das ist kein Ort für nette Menschen, die ihr gutes Herz und ihre weiße Weste gegen alle Widerstände und Versuchungen zu wahren versuchen.
Was die Fans erbost
Gewiss, individuelle Skrupel und gar die Entwicklung von Idealen waren möglich. Sie lieferten sogar wichtige Konflikte für die komplexe Geschichte. Aber eigentlich war immer klar: je hehrer die Ideale, desto größer ihr Potenzial, ihre Träger schachmatt zu setzen. Der eingefleischten Brutalität dieser Welt würde sich kein Happy-End abringen lassen, kein Zustand auf ewig gerechter Regentschaft.
Dass Daenerys Targaryen, die blondbezopfte Drachenreiterin, die immer wunderlicher zur Heiligen Johanna einer vielfach zerrissenen Welt aufgebaut wurde, am Ende ein schreckliches Gesicht zeigt, darf niemanden verwundern. Die meisten Fans sind denn auch gar nicht erbost über das, was in der letzten Staffel passiert, sondern darüber, wie es passiert: abrupt und unklar hergeleitet, nicht an den einst sorgsam aufgebauten Charakteren orientiert, sondern am Bedürfnis, zu zweifelhaften Spektakelbildern zu kommen.
Die heikelste aller Folgen
Das Versagen der Drehbuchautoren ist umso unverständlicher, als sie in der Abschlussfolge zu alten Tugenden zurückfinden. Die wenigen überlebenden Figuren tragen die Handlung und werden von ihr nicht herumgewirbelt, nur damit unübersichtliche Action den Ersatz für große Tragik liefern kann. Dabei ist dies die heikelste aller Folgen. Egal, wie grimmig „Game of Thrones“ einst mit dem schockierenden Wegmetzeln von Sympathieträgern begonnen hat: Nach und nach hängten sich die Herzen von Millionen Fans an diese oder jene Figur.
Ein durch und durch böses Ende konnte da auch der für erzählerische Courage bekannte Kabelsender HBO, der „GoT“ produziert, nicht mehr wagen. Eine Balance von Hoffnung und Realismus war nötig, und die ist erstaunlich gut gelungen. Fürs erste scheinen die Regierungsgeschäfte in dem in Trümmern liegenden Reich Westeros erträglich geregelt.
Doch alle Schwüre und guten Vorsätze, darauf basiert „Game of Thrones“, haben eine sehr begrenzte Haltbarkeit. Man kann sich gut vorstellen, dass der brüchige Friede nicht lange halten wird. Was eine ungeahnte Perspektive aufreißt. „Game of Thrones“ könnte nicht nur das von HBO bereits geplante Prequel bekommen. Plötzlich scheint eine Fortsetzung mit den in den schlechteren Folgen der siebten und achten Staffel so ausgereizt wirkenden Figuren wieder gut möglich.
Endlich wieder Zukunft
In eine zuvor sauber aufgebaute Welt sind allmählich Unlogik, Willkür und erzählerische Bequemlichkeit eingedrungen. Die finden sich auch in der letzten Folge: Man denke nur an die Figur des querschnittsgelähmten Bran, dem die Gabe des Hellsehens in Zukunft und Vergangenheit zugefallen ist. Mit dieser Macht gingen die Autoren nachlässig um: Sie wurde herangezogen, wenn es etwas zu berichten gab, das anders kaum unterzubringen war, und ansonsten vergessen. Da Bran das nun erzählte Ende längst in einer seiner Visionen gesehen haben muss, ist sein Verhalten zuvor nicht mehr logisch.
Aber die Abschlussfolge schafft eben wieder die fürs fantastische Erzählen so wichtige Beschwichtigung unseres Unglaubens, unserer Logiksuche, unserer Beckmesserei - auch dadurch, dass die Figuren wieder Zukunft haben. Deren vermeintliches Fehlen war für Autoren wie Zuschauer zuletzt ein Hemmschuh. Das schöne Gefühl der ersten Staffeln, in dieser Welt sei alles – außer dem Hehren, Edlen, Guten – möglich, wich der Anspannung, dass nun endlich eine starke Erzählerhand die vorher so widerspenstigen Figuren auf genau eine Erzählbahn ohne weitere Ausbruchsmöglichkeit lenken musste.
Mit einem blauen Auge
Was an Miniserien und an den seltenen, von Anfang an durchgeplotteten längeren Projekten sonst so gelobt wird, ihr definiertes Ende, im Gegensatz zum ruinösen Ausmelken von Figuren und Situationen in Serien, über deren Zukunft allein die Einschaltquote entscheidet, hat sich bei „Game of Thrones“ als Problem erwiesen.
Immerhin, bei HBO, beim Konkurrenten Netflix und an ein paar anderen Stellen im aktuellen Serienbetrieb sitzen nicht nur Betriebswirte, sondern Produzenten mit echter Leidenschaft für eine Erzählform, die Menschen rund um den Planeten im Interesse an ausgedachten Welten vereinen kann. Man darf gespannt sein, was sie aus den Triumphen, Fehlern, Notlösungen und dem letztlichen Davonkommen mit einem blauen Auge von „Game of Thrones“ alles lernen.