„Geschmacklos“ und „verantwortungslos“ sind noch die netteren Vokabeln, mit denen Afroamerikaner im Netz kommentieren, was die „Game of Thrones“-Produzenten als Nächstes vorhaben. Die geplante Serie „Confederate“ soll von einem modernen Amerika erzählen, in dem die Sklaverei noch immer legal ist.

Stuttgart - Jubel, Trubel, Vorfreude – nichts anderes hätte man für den Tag erwartet, an dem die Produzenten des HBO-Hits „Game of Thrones“ ihr nächstes Projekt verkünden. Nun ist es anders gekommen. Vergangene Woche haben David Benioff und Dan B. Weiss, die Wundermänner hinter der martialischen Fantasy-Serie, ihren Wunsch-Nachfolger vorgestellt. Seitdem blitzt und donnert es in den sozialen Netzwerken und klassischen Medien. „Verantwortungsloses Spiel mit dem Feuer“, „taktlose Spekulation“ und „erschütternd geschmacklos“ lauten nicht die unfreundlichsten Kommentare. Benioff und Weiss planen „Confederate“, eine Serie über ein alternatives Amerika, in dem die Südstaaten den Bürgerkrieg nicht verloren haben, weshalb die Sklaverei bis in unsere Tage praktiziert wird.

 

Angesichts der erneuten Konfrontation zwischen Schwarz und Weiß in den USA, angesichts der bitter geführten Debatte, ob Afroamerikaner nach wie vor als Bürger zweiter Klasse leben und bei jeder Begegnung mit der Polizei um ihr Leben fürchten müssen, ist diese Stoffwahl fraglos brisant. Die über Twitter ausgesprochene Drohung des Schauspielers David Harewood – „Viel Glück beim Versuch, dafür schwarze Schauspieler zu finden“ – ist wohl gar nicht aus der Luft gegriffen.

Der Sieg der Sklavenhalter

Erstaunlich bei all der Empörung ist jedoch der Umstand, dass alle so tun, als hätten Benioff und Weiss da eine besonders fiese Schnapsidee gehabt, die zu äußern bislang noch nie jemand gewagt habe. Als „Slavery Fanfiction“ hat die schwarze TV-Kritikerin Pilot Viruet das Projekt „Confederate“ abgeurteilt – als könne die Serie nichts anderes werden als die Wunschtraumbebilderung für heillose Rassisten. Dabei existiert solch eine alternative Zeitlinie längst in der Populärkultur, ohne dass ähnlich gereizt über sie gestritten würde – am sichtbarsten in Harry Turtledoves Romanen aus dem „Southern Victory“-Kosmos.

Turtledove, 1949 in Los Angeles geboren, ist studierter Historiker. Wichtiger allerdings: Er ist der umtriebigste lebende Autor jenes Sonderbereichs der fantastischen Literatur, der bei den Angelsachsen „Alternate History“ heißt. Mal entzündet sich bei Turtledove am Koreakonflikt in den Fünfzigern der atomare Weltkrieg, mal verläuft der Zweite Weltkrieg ganz anders als wir ihn kennen, mal wird ein Kontinent namens Atlantis noch vor Amerika entdeckt und ab 1452 besiedelt. Im Jahr 1997 veröffentlichte Turtledove den ersten Roman seiner „Southern Victory“- Reihe, in der die Sklavenstaaten den amerikanischen Bürgerkrieg mit Hilfe von England und Frankreich bereits 1862 für sich entscheiden. Zehn weitere Romane hat Turtledove dieser Zeitlinie bereits gewidmet, obendrein hat er eine weitere Variante des amerikanischen Nord-Süd-Konflikts entworfen, in der Magie zum Einsatz kommt.

Alte Ideen und neue Konflikte

Erfunden hat Turtledove das Konzept der siegreichen Sklavenhalter-Armee allerdings nicht. Schon Winston Churchill und der SF-Autor Murray Leinster haben dieses Gedankenspiel in den dreißiger Jahren gewagt, 1953 hat der Autor Ward Moore die Idee zum SF-Klassiker „Bring the Jubilee“ (auf Deutsch bei Heyne als „Der große Süden“) durchgeformt. Seitdem haben sich Autoren der Fantastik immer wieder mit dem Thema auseinandergesetzt. Harry Harrison etwa hat 1983 in „A Rebel in Time“ das rassistische Komplott entworfen, mithilfe moderner Waffen und einer Zeitmaschine dem Süden im 19. Jahrhundert beizustehen.

Dass jetzt so giftig auf das Vorhaben der „Game of Thrones“-Macher reagiert wird – über das wenig mehr bekannt ist, als dass Benioff und Weiss ein schwarzes Autorenpaar mit der Stoffentwicklung beauftragen –, zeugt von einem drastisch veränderten Zeitgeist. Einerseits zeigt der Erfolg der Amazon-Serie „The Man in the high Castle“, in der die USA den Zweiten Weltkrieg verloren haben, dass Alternate-History-Projekte mehrheitsfähig geworden sind. Anderseits wird in Amerikas Südstaaten mit neuer Bitterkeit um die lange akzeptierten Relikte des alten Geistes gerungen, um Denkmäler für Bürgerkriegsgenerale etwa oder um die Flaggen der Konföderation, die über öffentlichen Gebäuden wehen. Stück um Stück wird der Abbau solcher Sklavenhalter-Memorabilia erzwungen – und ergrimmt protestieren jene Weißen, die auch darum revanchehalber Donald Trump gewählt haben.

Braucht es „Confederate“ sogar?

Diesen flammend Gestrigen könne „Confederate“ Zuspruch und Zulauf verschaffen, fürchten nicht wenige Afroamerikaner. Doch es gibt auch andere Stimmen wie jene des schwarzen Journalisten Isaac Bailey, der für den Charlotte Observer schreibt, eine Zeitung in den Südstaaten. Gerade weil das Thema so brandaktuell und heikel sei, bemerkt Bailey, brauche es „Confederate“: damit die Leute wieder darauf aufmerksam würden, wie anders die Gesellschaft aussehen könnte, und wie nötig es sei, für bessere Verhältnisse zu kämpfen.