Ganzjährig Rad fahren Hartgesottene Radfahrer aus Region Stuttgart geben Tipps

Mit der richtigen Ausrüstung könne man auch im Herbst und Winter Rad fahren, sagt der Stuttgarter Robert Otto (links). Foto: privat

Im Sommer macht Fahrradfahren fast jedem Spaß. Wenn es aber Minusgrade hat, glatt ist oder der Regen nicht aufhört, ist dies ganz anders. Zwei Radfahrer – einer aus Stuttgart, einer von der Alb – geben Tipps für die kalten Monate.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Knapp 50 Kilometer und 500 Höhenmeter radelt Rolf Mößmer täglich: morgens von Grabenstetten auf der Schwäbischen Alb zu seiner Arbeitsstätte nach Nürtingen (Kreis Esslingen) und abends bergauf zurück. Pro Woche macht das 250 Kilometer und 2500 Höhenmeter mit dem Rennrad. Seit 33 Jahren. Auch im Winter. „Mich hat es schon ein paar Mal hingelegt, aber ich habe mich nie schwer verletzt“, sagt der 66-Jährige. „Und Radfahren gibt einem wahnsinnig viel zurück.“

 

Ein etwas anderer Typ ist Robert Otto, 31 Jahre alt. Sein Arbeitsweg sind nur rund zwölf Kilometer täglich: vom Stuttgarter Osten in die Innenstadt und abends zurück. Dafür unternimmt er längere Touren am Wochenende und hat schon etliche Radreisen unternommen: unter anderem durch Österreich, die Slowakei, Ungarn, Griechenland, Marokko, Schottland, Tschechien, Belgien und die Niederlande.

Sowohl er als auch Rolf Mößmer sind schon bei fast jedem Wetter auf dem Sattel gesessen: bei Schneesturm, Hitze, Dauerregen oder Glätte. Darum kennen sie viele Tipps, worauf man achten muss, wenn man ganzjährig Rad fahren will.

Kleidung: Schichten statt dicke Jacke

Mehrere Schichten übereinander seien besser als eine sehr dicke Winterjacke, weil sie flexibler an- und ausgezogen werden können, findet Robert Otto. Bei starker Kälte zieht er als unterste Schicht immer etwas aus Merinowolle an, „das ist das Beste, was Feuchteaufnahme und Abgabe angeht“. Obendrüber komme bei leichtem Regen nur eine Regenjacke und Radhose, bei stärkerem Regen noch eine Regenhose. Bei Alltagsfahrten und auf ebenen Strecken dürfe man sich ruhig wärmer anziehen, für Bergetappen lieber eine Lage weniger und dafür noch etwas mitnehmen, rät er. Sonst schwitze man zu sehr.

Accessoires: Hände, Füße und Hals schützen

Besonders empfindlich seien jene Körperstellen, an denen viele Gefäße zusammenkommen, also Hand- und Fußgelenke sowie der Hals, sagt Robert Otto. „Hier kühlt man überproportional aus.“ Doch mit einem breiten Halstuch, guten Handschuhen (mit Innenhandbeschichtung) und langen Socken könne man dem Auskühlen gut entgegenwirken. Zudem sei es wichtig, auf die Übergänge zwischen (Regen-)hose und Schuhen zu achten, sagt er: „Wenn es regnet, sammelt sich dort gerne das Wasser, dann bekommt man nasse Schuhe.“ Auf langen Touren zieht er deshalb wasserabweisende Überschuhe oder Winterschuhe an.

Rudolf Mößmer aus Grabenstetten setzt auf Neopren-Überzieher für die Schuhe. Außerdem trägt er morgens Armstulpen, um die kälteempfindlichen Handgelenke und Unterarme zu wärmen. Wobei er betont: „Eine halbe Stunde durch die Kälte zu fahren, ist kein Problem für den Körper.“

Wärme: Duschen, Decke, Wechselkleider

Nach dem Radfahren duscht Rolf Mößmer, um nicht auszukühlen – also morgens im Büro und abends zu Hause. Danach zieht er sich um. Die Wechselkleidung transportiert er montags im Rucksack auf dem Rad ins Büro und nimmt am Ende der Woche alles wieder mit. Der Stuttgarter Robert Otto wickelt sich in eine warme Decke, wenn er morgens im Büro angekommen ist – solange bis er wieder warm geworden ist.

Beleuchtung: Lieber etwas mehr

„Eine radelnde Weihnachtstanne fällt mehr auf als eine einzelne Rückleuchte“, sagt Robert Otto. Damit meint er: Lieber mehr Beleuchtung am Fahrrad als zu wenig. Es sei wichtig, dass man nicht nur selbst genug sehe, sondern auch gesehen werde. „Ich achte auf Reflexstreifen sowie ein gutes Front- und Rücklicht.“ Und bei Radreisen habe er zusätzlich ein Rücklicht mit Vibrationsdynamo dabei, weil dies ohne Strom auskomme.

Fährt man jedoch nur mit Dynamolicht, bestehe die Gefahr, dass man nicht gesehen wird, wenn man etwa an einer Ampel wartet, warnt Rolf Mößmer.

Reifen: Mehr Profil gibt Sicherheit

Es gibt Menschen wie Rolf Mößmer, die fahren auch im Winter Rennrad – also mit Reifen ohne Profil. „Wenn es richtig glatt ist und es bergab geht, nehme ich einen Fuß von den Pedalen und nutzt diesen als Not-Stützrad“, erzählt er. Mit dieser Taktik ist er das eine oder andere Mal schon gestürzt. Wer es sicherer mag, sollte auf mehr Profil achten. Mountainbikes haben am meisten Profil, auch Gravelbikes oder Trekkingräder haben mehr Profil als Rennräder. Es gibt sogar Reifen mit Spikes für vereiste Flächen.

Bremsen: Vorausschauend fahren

Ist es nass oder hat es geschneit, sollte man etwas vorsichtiger fahren und seine Bremsen beobachten: „Nasse Beläge bremsen oft verzögert“, sagt Robert Otto. Wenn man dann zu stark bremse, könne es passieren, dass ein Rad verzögert blockiere. „Im schlimmsten Fall rutscht das Rad in einer Kurve ab und man stürzt.“

Weitere Tipps: Auf den Körper hören

Robert Otto betont: Im Zweifel lieber auf den Körper als auf den Ehrgeiz hören. „Wenn ich müde bin, angeschlagen oder andere Beschwerden habe, wird nicht geradelt“, sagt er. Auch psychischer Stress könne dazu führen, dass man weniger konzentriert auf dem Rad sitze – was gefährlich werden könne, warnt er.

Und wer bisher nie oder fast nie Rad gefahren sei, dem empfiehlt Rolf Mößmer, nicht unbedingt im Winter damit zu beginnen, „sonst kann man leicht die Lust verlieren“. Denn am Anfang müsse man ein paar Mal den eigenen Schweinehund überwinden. Aber wer eine Zeit lang Rad fahre, der werde süchtig danach, verspricht er.

Zwei ganz unterschiedliche Radfahrer

Rudolf Mößmer
Als junger Mann hatte Rudolf Mößmer (66), der in Grabenstetten auf der Schwäbischen Alb wohnt und in Nürtingen als Selbstständiger arbeitet, mit Rad fahren nichts am Hut. Erst als er berufsbedingt viel Stress hatte und es ihm gesundheitlich schlecht ging, wurde ihm klar, dass er etwas ändern muss: Er entschied sich für mehr Sport, „aber Zeit fürs Fitnessstudio hatte ich nicht“. Also setzte er sich eines Morgens nicht mehr ins Auto, sondern aufs Rennrad. Zudem fährt er in der Freizeit Mountainbike. Seitdem war er nur noch ein einziges Mal krank, sagt er: 2020 mit Corona.

Robert Otto
Der 31-Jährige wohnt in Stuttgart-Ost und arbeitet in der Innenstadt. Im Schnitt fahre er pro Woche 150 bis 200 Kilometer Rad, weil er in der Regel am Wochenende Touren unternehme, sagt er. Außerdem nutzt er seit 2018 seine Urlaube für Radreisen. Wettertechnisch habe er da schon fast alles mitgemacht, „von brennenden Wüsten bis hin zu super verschneit und glatt“, sagt er. Er hat drei Fahrräder: zwei Gravelbikes und ein Trekkingrad.

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