Grundschulen sollen verstärkt Ganztagsbetrieb anbieten, das haben die Grünen ganz oben auf die Agenda gesetzt. Die Gemeinden sollen mit bezahlen, doch diese winken ab und kritisieren, es gebe noch nicht einmal ein Konzept über die Betreuung.

Stuttgart - Beim Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Grundschulen zeichnen sich harte Auseinandersetzungen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Politik ab. Edith Sitzmann, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag hat gegenüber der Stuttgarter Zeitung bekräftigt: „Wir setzen klare Prioritäten in der Bildungspolitik und zwar bei der Grundschule“. Diese müsse „nun endlich auf die Agenda“. Schrittweise müsse das Ganztagsangebot ausgebaut und die individuelle Förderung verbessert werden.

 

Bei der Ganztagsbetreuung steht für die Grünen-Fraktionschefin fest: „Die Kommunen müssen einen relevanten Beitrag leisten“. Die Finanzlage der Kommunen sei gut. Sie forderte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) auf, die Verhandlungen des Landes mit den kommunalen Spitzenverbänden rasch voranzubringen.

Beitrag der Kommunen erwartet

Ganztagsbetreuung sei bei der Überwindung von sozialen Nachteilen das A und O. Die Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Familien sei „nicht hinnehmbar“. Sitzmann findet: „Nur über den Ausbau der Grundschulen zu Ganztagsschulen und die Absicherung der individuellen Förderung an Grundschulen werden wir auf Dauer Verbesserungen erreichen“. Bis zum Ende der Legislaturperiode müsse dies Vorrang haben.

Aus dem Haus von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) kommen ähnliche Signale. Eine Sprecherin verweist auf den Koalitionsvertrag, der Ausbau und Weiterentwicklung von Ganztagsschulen sowie deren Verankerung im Gesetz vorsehe. Auch die Regierung lege zunächst den Schwerpunkt auf Grundschulen. Nach den Ferien gingen 95 neue Ganztagsschulen an den Start, darunter seien 52 Grundschulen. Systematisch solle mit der Weiterentwicklung im Schuljahr 2014/15 begonnen werden.

Die Städte winken ab

Gelegentlich werden Hoffnungen laut, Land und Kommunen könnten über die Ganztagsschule einen Pakt ähnlich dem zur Kinderbetreuung schließen. Hier sagt das Land 68 Prozent Zuschüsse zu. Doch momentan reagieren die Kommunen zurückhaltend. Noch sei die Ganztagsschule noch nicht einmal definiert, man wisse also gar nicht, worüber man eigentlich verhandeln solle, bemängeln Stefan Gläser, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags und Roger Kehle, der Präsident des Gemeindetags. „Wollen wir drei Tage mit sieben Stunden, vier Tage mit sieben Stunden, drei Tage mit acht Stunden . . .“ alles sei offen, klagt Gläser. Er rechnet mit harten Auseinandersetzungen über die Finanzierung des Ganztagsbetriebs. Sein Standpunkt: „Die Kommunen beteiligen sich nicht. Die Finanzierung der Bildung ist nicht unsere Aufgabe“.

„Es ist völlig klar, wer bestellt, bezahlt“, haut Roger Kehle in die gleiche Kerbe. Das Konzept stehe noch nicht, „wir wissen deshalb nicht, was es kostet“. Die Kommunen haben es nicht besonders eilig. „Wir sollten, wie immer, einen Schritt nach dem anderen machen“, sagt Kehle und versichert, „wir verweigern uns keinen Gesprächen“. Er freue sich ausdrücklich darüber, wenn die Politik das Thema ganz oben platziere. „Aber wenn etwas ganz oben steht, ist noch lange nicht geklärt, wie es aussieht, und wer was bezahlt“. Er hebt hervor, dass die Kommunen schon bisher dabei sind und nennt Schulmittagessen und Jugendbegleiter. „Dass sich die Kommunen über das hinaus beteiligen, was sie jetzt schon leisten“, das kann sich Kehle „ im Moment überhaupt nicht vorstellen“.

Kultusminister sucht gemeinsames Konzept

Kultusminister Stoch lässt ausrichten, man sei dabei, zusammen mit den kommunalen Landesverbänden und Partnern aus Sport und Kultur „ein tragfähiges Konzept zur Ausgestaltung der Ganztagsschule zu entwickeln“. Allerdings seien noch Abstimmungen nötig. Darum kümmern sich jetzt diverse Arbeitsgruppen.

Die Grünen machen sich über den Ganztagsbetrieb hinaus für mehr Flexibilität an den Grundschulen stark. Die Schulart sei die einzige ohne so genannte Poolstunde, betont Sitzmann. Diese Stunden können die Schulen nach Bedarf verwenden. Sitzmann schlägt vor, den Grundschulen eine zusätzliche Wochenstunde zur freien Verfügung zuzuweisen. „Dann können die Grundschulen selbst entscheiden, wo sie sie einsetzen“.

Poolstunden für Grundschulen

Mit einer Poolstunde wären die Grundschulen nach Auffassung der Grünen besser gestellt und flexibler. „Individuelle Förderung hat gerade auch an der Grundschule oberste Priorität. Ob und in welchem Umfang Leserechtschreibschwäche, Mathematikschwäche oder andere Defizite durch individuelle Förderung aufgefangen werden müssen, weiß jede Schule selbst am besten“,erläutert die Fraktionschefin. Sitzmann schätzt, dass 450 Lehrerstellen dafür nötig sind, um an 18 000 Grundschulklassen jeweils eine zusätzliche Wochenstunde anzubieten.

Diese Stellen könnten beispielsweise durch die regionale Schulentwicklung erwirtschaftet werden, sagte Sitzmann der Stuttgarter Zeitung. Bisher verfügten Gymnasien über elf, berufliche Schulen über 19 und Realschulen über 1,5 Poolstunden. „Die Situation ist deutlich besser als die Stimmungslage“, sagte Sitzmann mit Blick auf diese Schularten.

Sticheln gegen den Koalitionspartner

Die Grünen halten sich auf ihre Agenda einiges zu Gute. Sitzmann spart auch nicht mit einem Seitenhieb auf den Koalitionspartner. Der lasse leider das Setzen von Prioritäten vermissen, doch sei es halt so: „Alles geht bekanntlich nicht“. Es werde Zeit, dass sich „endlich auch die SPD entscheidet, was ihr am wichtigsten ist“. Für die Grünen jedenfalls habe „die Stärkung der Grundschule ganz klar Vorrang vor dem weiteren Ausbau des neunjährigen Gymnasiums“, rührt Sitzmann auch noch an den Dauerkonflikt der Koalition.