Der Schulbeirat ist nicht einig, bis wann der Unterricht am Nachmittag verpflichtend sein soll. Eltern und Schulen fordern jetzt Rahmenbedingungen vom Land.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Stadt sowie Vertreter der Eltern und der Schulen fordern das Land auf, bald durch ein neues Schulgesetz verlässliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Ganztagsschule zu schaffen. Ein zentrales Thema ist, bis wann der Schulbetrieb am Nachmittag verpflichtend ist. Davon hängt etwa ab, in welchem Umfang Kinder und ihre Familien noch anderen Aktivitäten nachgehen können.

 

Der Grundsatzbeschluss, dass die Stadt bis spätestens 2020 alle 72 Grundschulen zu Ganztagsschulen umwandelt, ist vor einigen Wochen mit großer Mehrheit im Gemeinderat gefallen. Am Dienstag befassten sich der Schulausschuss und die für Sport und Kultur zuständigen Gremien nun mit der Frage, ob zum Beispiel Schüler mit einem besonderen Sporttalent gegebenenfalls am Nachmittag für das Training vom Unterricht freigestellt werden könnten. Dabei wurde deutlich, dass es hierfür noch keine neuen Richtlinien gibt.

Eine Vertreterin des Kultusministeriums erklärte, dass das noch gültige Konzept der alten Landesregierung, das Ganztagsschulen nur im Rahmen von Schulversuchen vorsieht, gar keine individuellen Freistellungen beinhalte. Und Ganztagseinrichtungen mit einem Schulbetrieb an vier Tagen am Nachmittag und einer guten Ausstattung von acht Lehrerstunden, wie es die Stadt ihren Beschlüssen zugrunde legt, gibt es nur für sogenannte Brennpunktschulen. Allerdings fordern und rechnen alle Fraktionen damit, dass diese Ausstattung künftig sämtlichen Ganztagsschulen gewährt wird. Nur gibt es dafür noch keine Grundlage.„Es ist vieles im Fluss, wir betreten hier Neuland“, räumte die Stadträtin und Landesvorsitzender der Grünen, Thekla Walker, ein. Die Stadt sei mit dem Beschluss eines „hochwertigen pädagogischen Angebots“ vorangeschritten, so Walker. „Wir brauchen jetzt dingend Klärung durch ein neues Schulgesetz.“ Das sieht auch Sabine Wassmer vom Gesamtelternbeirat so: Man brauche klare Rahmenbedingungen „nicht erst am St.-Nimmerleinstag“. Ebenso Renate Schlüter, die geschäftsführende Schulleiterin der Grundschulen: „Klarheit wäre wichtig, weil wir planen müssen.“

Ripsam spricht von „bildungspolitischem Chaos“

Nur wird dieses neue Schulgesetz nach Einschätzung von Thekla Walker erst „im Sommer 2014/2015“ vorliegen. Die Landesvorsitzende der Grünen und ihre Fraktion machten schon einmal deutlich, was das Land in das neue Gesetz schreiben sollte: Schulpflicht bis 15 Uhr. Darin sehen die Grünen einen Kompromiss zwischen einem guten Ganztagsangebot und einer ausreichenden Flexibilität für die Familien. Auch die Grünen halten am Rahmenkonzept der Stadt bis 16 Uhr fest, individuelle Freistellungen wären aber trotzdem etwas früher möglich. Diese Position blieb nicht unwidersprochen. „Ich würde ungern von der Schulpflicht bis 16 Uhr abweichen“, sagte Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU). Dies entspricht auch der Beschlussgrundlage des Gemeinderates. „Es ist pädagogisch nicht sinnvoll, immer mehr von der Ganztagsschule abzuschneiden.“ Fred Binder, der geschäftsführende Schulleiter der Realschulen, warnte vor einer Schulpflicht nur bis 15 Uhr. „Wenn das darüber hinaus nicht mehr verpflichtend ist, endet das in Beliebigkeit“, so Binder. Die Idee der Ganztagsschule sei aber, den Unterricht anders zu „rhythmisieren“ und die Chancengleichheit durch möglichst viele Angebote in der Schule zu verbessern, betonte Marita Gröger (SPD).

Iris Ripsam (CDU) sprach von einem „bildungspolitischen Chaos“. Angesichts der Lebenswirklichkeit der Familien brauche man eine Betreuung der Grundschüler bis 17 Uhr, von 15 Uhr an sollte die Zeit flexibel durch die Einbeziehung von Vereinen oder Musikschulen gestaltet werden. Dass den Familien eine verlässliche Betreuung bis 17 Uhr geboten werden soll, ist Konsens im Rat. Die letzte Betreuungsstunde müssen aber die Eltern bezahlen. Elternvertreterin Sabine Wassmer vertrat die Position, dass auch den Eltern, die sich weiter für die Halbtagsschule entscheiden, zusätzlich und bei Bedarf eine flexible Nachmittagsbetreuung für ihre Kinder angeboten werden sollte. „Die Eltern brauchen diese Freiheit“, sagte sie. Über diese Forderung, die auch die Freien Wähler erhoben haben, soll noch diskutiert werden. Thekla Walker hält sie für zu teuer.

Die Stadt will bis 2020 insgesamt 230 Millionen Euro investieren. Der laufende Betrieb kostet pro Jahr für alle Schulen 38,5 Millionen Euro, mehr als von der Verwaltung ursprünglich vorgesehen.