Technologischer Wandel, verfallende Werte, unzuverlässige Geschäftspartner: Ein Berufsverbrecher hat es heutzutage auch nicht leicht. Und dann wird auf den Helden namens Wyatt auch noch geschossen . . .

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Manche Artikelanfänge sind so gelungen, dass man sie einfach klauen muss: „Arbeit ist nicht notwendig etwas Furchtbares. Oft sind es allein die Kollegen, die aus dem Broterwerb eine Zeit von Wut, Frustration und Qualen machen“, schrieb Thomas Klingenmaier in der StZ über die Richard-Stark-Verfilmung „Parker“. Und was für Parker gilt, kann man auch eins zu eins auf seinen australischen Kollegen Wyatt in Garry Dishers „Dirty Old Town“ übertragen.

 

Dieser Wyatt ist ebenfalls ein Berufsverbrecher der alten Schule. Mangels eigener technischer Computerfähigkeiten und mangels Vertrauen zu anderen, in diesem Metier versierteren Ganoven ist er gezwungen, sich auf kleine Raubüberfälle und Einbrüche zu beschränken. Diesem Geschäft aber geht er mit der gleichen Umsicht und Routine nach wie, sagen wir, ein Versicherungsangestellter oder ein Handwerker: Er kalkuliert Risiken, geht sorgsam mit dem Erwirtschafteten um, legt einen Teil des Erlöses in Immobilien an und lebt ansonsten auf nicht allzu großem Fuß.

Nichtskönner, Amateure, Profilneurotiker

Aber der Profi hat halt, wie andere Werktätige auch, Probleme mit Kollegen, Kunden, Geschäftspartnern. Da gibt es Nichtskönner, Amateure, Profilneurotiker. Schlimmer noch: Im Gegensatz zu den meisten Versicherungsangestellten und Handwerkern greifen die Leute in Wyatts Branche durchaus auch zur Waffe, um ihre Ziele durchzusetzen.

So wird es in diesem siebten Band der Serie für Wyatt unversehens ziemlich eng, nachdem er mit einem Kumpanen gemeinsame Sache gemacht hat, um ein Juwelending durchzuziehen. Es fallen Schüsse aus einer unerwarteten Richtung und Wyatt ist gezwungen, ebenfalls mal abzudrücken.

Besondere ethische und moralische Werte muss man in diesem Krimi von niemandem erwarten. Und so ist es unterhaltsam zu lesen, wie die handelnden Männer und Frauen dann doch noch ein bisschen niederträchtiger sind als erwartet. Mit lakonischem Ton und großer Freude am Treiben seiner Figuren schildert Disher eine verkommene Welt auf einem Kontinent, den man sonst eher mit Kängurus, Koalabären und vielleicht noch mit der Sydney-Oper in Verbindung bringt.

Erstmal Stöpsel in die Ohren

Zum bemerkenswerten Realismus trägt eine Szene bei, die in dieser Art noch kaum einmal geschildert wurde. Ehe Wyatt in einem geschlossenen Raum seine Kanone abfeuert, steckt er sich erstmal Stöpsel in die Ohren. Wer je einen echten Schuss gehört hat, weiß, weshalb unser Held anschließend noch handlungsfähig ist, während zwei Polizisten fast taub neben sich stehen und vergessen, die Waffen zu ziehen.


Leider – kleine Klugscheißerei, die aber sein muss – hält Disher diesen Realismus ausgerechnet am Ende nicht durch. Mit einer leer geschossenen Pistole kann man nicht, wie hier behauptet, bluffen. Der Verschluss bleibt offen, der Schlitten arretiert hinten. Es ist also offensichtlich, dass in der Waffe keine Patrone mehr ist, die man abfeuern könnte.

Vorschlag zur Güte: Wyatt, gewiefter Taktiker im Umgang mit Waffen, hatte hinter dem scharfen Stück Munition eine taube Pufferpatrone im Magazin. Dann nämlich funktioniert der Trick mit der vermeintlich schussbereiten Kanone (und wahrscheinlich hat Garry Disher nur vergessen, das eigens zu erwähnen).

Und so sollte man sich von diesem Lapsus nicht die Freude verderben lassen an einem handfesten, kernigen, unaufgeregten Stück Krimiliteratur.

Garry Disher: „Dirty Old Town“. Roman, aus dem Englischen von Angelika Müller. Pulp Master Verlag, Berlin 2013. 13,80 Euro. Auch als E-Book, 9,99 Euro.