Gartenspaziergang mit dem Volks*theater Rampe Wunderliche Wesen in steilen Gärten

Eine der Gestalten, denen die Gartenspaziergänger begegnen Foto:  

Das Volks*theater Rampe lädt ein zu einem Spaziergang entlang des Stuttgarter Schimmelhüttenwegs. Die Performance „Die Gärten“ verzaubert mit sprechenden Bäumen und Fliegenpilzen und kreist um das Verhältnis von Natur und Mensch.

„Der Schimmelhüttenweg hat bis zu sechzig Prozent Steigung“ warnt der Historiker. So ist die Figur im Programmblatt bezeichnet, die der Künstler Alex Sowa sehr nüchtern im Stil eines Stadtführers gibt. Volks*theater Rampe – das ist ein Ensemble, das nicht aus Profis, sondern aus Nachbarn im Stuttgarter Süden besteht, viele Künstler und Performerinnen, Autobesitzverweigerer, eine Sekretärin, ein Sänger.

 

Die Kostüme sind phänomenal

Man erfährt vom Historiker allerhand auf dem Weg zu den Gärten im Schimmelhüttenweg. Dass diese Gärten existieren, weil sie die Kranken des Marienhospitals ernährt haben, dass sechs Pferde notwendig waren, um den Karren nach dem Markt auf dem steilen Weg wieder nach oben zu ziehen. So weit, so sachlich. Das Tor zum Garten öffnet sich, und da sitzt ein Fliegenpilz mit Zaubertrank – es wird wunderlich und wunderbar. Die Kostüme, die Justyna Koeke für den Gartenspaziergang gefertigt hat, sind phänomenal. Schon der gefilzte Pilzkopf zum Auftakt ist eine Augenweide. Nicht lang schnacken, Kopf in Nacken, darum geht es, aber das sagt der Fliegenpilz viel schöner, und alle sprechen mit: „Ich tue meinen Mund nicht unnötig auf, sprech nur was Gescheites oder sauf.“

Dann haben die Gartenspaziergänger ihren Thymianzaubertrunk probiert und eine Ahnung bekommen, dass in diesen Gärten allerhand Seltsames passieren wird. Man lauscht einer Sonnenblume, die nicht mehr länger als Plantagenpflanze missbraucht werden möchte.

Aus dem Baum wurde ein Schultisch

Man spaziert steile Wege hinauf und hinunter (besser mit Sneakers als mit Sandalen), es geht an gepflegten Hochbeeten und verwilderten Terrassen vorbei, und immer wieder lockt der Blick auf die Karlshöhe. Die Gärten am Schimmelhüttenweg sind so steil wie aussichtsreich. Derweil wird man vom Neophyt angefallen, einem knallbunten vor sich hinzischelnden Allesbefruchter, der sich gern überall breit machen würde.

Oder steht vor dem Baum aus dem Regenwald, der auf einer Bank sitzt und sich daran erinnert, wie es war ein Riese gewesen zu sein und sich damit tröstet, dass er zu einem Schultisch geworden ist, an dem die Kinder etwas lernen können. Das liest Binyamin Saadat zwar vom Smartphone ab, der Text klingt dennoch nach. Überhaupt ist das eine Qualität dieses Spaziergangs im Grünen, das die Naturwesen so unterschiedliche Akzente haben. Es gibt auch eine Station, an der sehr stark geschwäbelt wird, wenn der Busch darüber nachsinnt, wie die Natur die Stadt zurückerobern könnte, bis am Erwin-Schoettle-Platz wieder Melonen wachsen würden. Das könnte man so oder so ähnlich auch in der Theaterscheune Mäulesmühle hören, und dass das Volks*theater eben in keine Richtung Berührungsängste hat, macht es umso sympathischer.

Die Natur ruft zur Demo

Es geht mal aktionistisch zu, wenn die Natur zur Demo aufruft, und dann wieder leise und innerlich, wenn der Baum der Liebe zu sphärischen Klängen zur Meditation aufruft. Bevor es dann aber zu kuschelig wird, haben die künstlerischen Leiterinnen Sabrina Schray und Paula Kohlmann noch Widerhaken eingebaut: Die Wurzeln, die der Baum schlägt, die könnte man ja auch in Koffer packen und sich woanders wieder anwurzeln – oder? Das Volks*theater ist eben kein Heimattheater.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Theater Performance Stuttgart