Die evangelische Kirche gibt ihr Gemeindehaus in der Gartenstadt auf – Fusion mit der Stadtkirche.

Leonberg - Am Dreikönigstag ruft das kleine Glöckchen die Gläubigen ein letztes Mal zum Gottesdienst, und auch für den Kirchenchor ist es der letzte Auftritt in den Räumlichkeiten des evangelischen Gartenstadtgemeindehauses. Der Raum ist überfüllt. Rasch werden zusätzliche Stühle gebracht. Rund 120 Menschen verfolgen das Geschehen. So voll war es hier selten zu einem Gottesdienst.

 

Nach fast 60 Jahren wurden die Räumlichkeiten jetzt offiziell „entwidmet“. Das ist ein für Leonberg einmaliges Ereignis. Die evangelische Gesamtkirchengemeinde hatte bereits 2008 in ihrem Immobilienkonzept beschlossen, auf diesen Gebäudekomplex mit Gemeindehaus, Kindergarten und Pfarrhaus in Zukunft zu verzichten. Hohe Unterhaltskosten für die Immobilien, knappere Geldmittel durch die sinkende Zahl der Kirchenglieder, aber auch weniger Pfarrernachwuchs waren damals die Gründe für die Entscheidung.

„Der Abwärtstrend wird weitergehen“

Dekan Wolfgang Vögele wirbt um Verständnis für die Konzentration auf weniger Immobilien: „1980 hatte die Leonberger Gesamtkirchengemeinde noch 15 000 Mitglieder“, berichtet er. „Heute sind es ein Drittel weniger, nur noch rund 9000, und der Abwärtstrend wird weitergehen. Stadtkirche und Gartenstadtgemeinde rücken jetzt enger zusammen, gemeinsam mit Blosenbergkirche und Versöhnungskirche sind wir ein vierblättriges Kleeblatt. Das muss doch Glück bringen.“ Ausweichmöglichkeiten für die rund 900 Gemeindeglieder gibt es also genug. Die Gartenstadtgemeinde war die kleinste in der Runde und war zudem nie eine rechtlich selbstständige Einheit. Zuletzt wurde nur noch einmal im Monat Gottesdienst abgehalten.

Pfarrer Thomas Koser-Fischer, der seit acht Jahren hier im Amt ist, geht jetzt mit 65 Jahren in den Ruhestand. „Für einige Gemeindemitglieder bedeutet die Schließung einen harten Schnitt, denn die Räume sind nicht nur für den Gottesdienst da, sondern auch für den Chor, Kinderkirche, verschiedene Gruppen, Kreise und sind Begegnungsraum. Hier hatte sich ein Vertrauensverhältnis in der Gemeinde aufgebaut, viele haben mit Arbeitseinsätzen oder Spenden an der Erhaltung mitgewirkt.“ Auch wenn es kein freiwilliger Auszug aus diesem Haus ist, betont Pfarrer Koser-Fischer, dass es nicht um das Haus an sich gehe, sondern um die lebendige Gemeinschaft, die weiter erhalten bleibe.

Prozession zur Stadtkirche

Einige Jahre lang konnte der Förderverein die drohende Schließung noch verzögern. Christdore Ullrich ist im Vorstand des Vereins aktiv und hat den Bau des Gemeindehauses noch miterlebt. Mit Tränen in den Augen eröffnet sie die Abschiedsfeier. Auch bei vielen anderen fließen Tränen, als schließlich der Altar abgeräumt wird. Die Gemeindemitglieder, Erwachsene und Kinder, tragen die einzelnen Gegenstände in die Stadtkirche, die zur neuen Heimat der kleinen Gemeinde wird. Als erstes wird die Osterkerze abgeräumt, es folgen Altarbibel und Kinderbibel, Altarkreuz, Taufschale, die Abendmahlsgefäße, die Leuchter und schließlich sogar die Blumen. Dann macht sich die kleine Prozession zu Fuß auf den Weg in die Stadtkirche. Schon von ferne ist das große Glockengeläut zu hören, das extra zum Einzug der neuen Gemeindeglieder erklingt. Dort werden sie von Pfarrer Matthias Krack mit einem Abendmahl herzlich willkommen geheißen, „an diesem neuen Ort der gegenseitigen Begegnung“.