13 Jahre Kampf sind vorbei: Das Verfassungsgericht billigt Garzweiler II. Die Kläger gegen den Braunkohletagebau scheitern zwar größtenteils. Künftig können Betroffene jedoch früher gegen derartige Großvorhaben klagen.

13 Jahre Kampf sind vorbei: Das Verfassungsgericht billigt Garzweiler II. Die Kläger gegen den Braunkohletagebau scheitern zwar größtenteils. Künftig können Betroffene jedoch früher gegen derartige Großvorhaben klagen.

 

Karlsruhe - Würdevoll stand Stephan Pütz nach der Urteilsverkündung im Gerichtssaal und beantwortete gefasst die Fragen der Journalisten. Sein Fazit? „Es war eine lange Reise und das Ergebnis ist sehr enttäuschend. Es gibt schönere Reiseziele.“

13 Jahre hatte der Polizeikommissar aus den nordrhein-westfälischen Erkelenz-Immerath gekämpft, um sein Haus vor dem drohenden Abriss für den Braunkohletagebau Garzweiler II zu retten. Am Dienstag scheiterte er nun, das Bundesverfassungsgericht wies seine Verfassungsbeschwerde als unbegründet ab.

Die Richter billigten Menschen wie ihm, die durch Großvorhaben von Umsiedlung und Enteignung bedroht sind, kein vom Grundgesetz geschütztes „Recht auf Heimat“ zu. Das Grundrecht auf Freizügigkeit, aus dem Pütz das Heimatrecht ableiten wollte, „schützt grundsätzlich auch vor erzwungenen Umsiedlungen“, heißt es zwar in dem 100-Seiten starken Urteil. Das gilt jedoch nicht bei Vorhaben wie Garzweiler. Denn sie seien ansonsten niemals zu verwirklichen.

Die Betreiberfirma RWE sieht sich durch das Urteil gestärkt und will Garzweiler II fortführen. Zuletzt waren Gerüchte laut geworden, dass das Unternehmen nicht mehr an der Braunkohleförderung festhalte. Doch ist Garzweiler energiepolitisch überhaupt noch sinnvoll? Aus dieser Beurteilung hielt sich das Gericht weitgehend heraus. Die Energieversorgung habe eine überragende Bedeutung, hieß es. Es sei aber zuerst die Entscheidung des Bundes und der Länder, mit welchem Energiemix sie die zuverlässige Versorgung sicherstellen wollten.

4800 Hektar groß ist das bei Köln gelegene Garzweiler II. Damit bis 2045 Braunkohle gefördert werden kann, wurden ganze Dörfer umgesiedelt. 3000 bis 4000 Menschen müssen noch in andere Häuser ziehen. Zu ihnen gehört nun auch Stephan Pütz. Doch seine persönliche Niederlage könnte anderen Betroffenen helfen. Denn die Richter stärkten über den konkreten Fall hinaus die Rechte von Anwohnern.

Sie stellten zum einen fest, dass die Behörden die Rechte der Betroffenen bei derartigen Großvorhaben künftig mehr in ihre Überlegungen einbeziehen müssen. Zum anderen müssen sie sich früher als bisher, nämlich bereits im Zulassungsverfahren, gegen den geplanten Tagebau wehren können. „Rechtsschutzmöglichkeiten müssen so rechtzeitig ergriffen werden können, dass eine ergebnisoffene Prüfung noch realistisch ist“, sagte Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof in Karlsruhe dazu. Das war bisher anders.

„Das ist die große Wirkung des Urteils“, sagt der Experte für Bergschadensrecht der Kanzlei GTW in Düsseldorf, Michael Terwiesche. Bei eventuellen neuen Zulassungsverfahren im Rheinland oder in der Lausitz könnten die betroffenen Bürger jetzt früher klagen.

So sieht das auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der mit Pütz zusammen geklagt hat. Er hoffe, dass sich die Menschen jetzt verstärkt gegen Tagebau wehren, sagte Dirk Jansen vom BUND. „Denn das sich das lohnt, hat das Verfahren ja gezeigt.“ Der BUND könne seine Klage immerhin als „halben Sieg“ verbuchen, so Jansen. Denn die Richter stellten Fehler bei der Enteignung des BUND fest, dem der Tagebau eine Obstbaumwiese geraubt hatte. Rückgängigmachen konnten sie allerdings nichts mehr, da die knapp einen Hektar große Wiese schon abgebaggert wurde.

Für Stephan Pütz scheint die Reise erst mal zu Ende zu sein. Derzeit sehe er keine weiteren Möglichkeiten, gegen den Verlust des Hauses vorzugehen, sagte er. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts müsse man akzeptieren.