In Feuerbach ist an der Mauserstraße über die vergangenen Jahre hinweg ein kleines Quartier für feine türkische Spezialitäten entstanden. Ein kulinarischer Streifzug rund um Schafskopfsuppe, Ayran aus Krügen und Kalorienbomben.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - An einem Freitag um 13 Uhr einen Parkplatz an der Mauserstraße in Feuerbach zu suchen, ist keine gute Idee. Um die letzten zwei freien Stellplätze streiten sich rund zehn Autofahrer, die stellvertretend für zwei Besuchergruppen stehen. Auf der einen Seite eilen die Gläubigen zum Freitagsgebet der Ditib-Moschee, um ihren Hunger nach Gott zu stillen. Auf der anderen Seite pilgern die Angestellten von Bosch, Mahle und anderen Firmen zu den türkischen Lokalen, um ihren Appetit auf Lahmacun und Pide zu befriedigen.

 

Das Areal hat sich in den vergangenen Jahren von einem der letzten klassischen Industriegebiete Stuttgarts in ein belebtes Klein-Istanbul gewandelt – mit allen gastronomischen Vorteilen einer solchen Entwicklung. Es gibt zwei Bäckereien mit erstklassigen Waren. Es findet sich ein Supermarkt mit einer exotischen Auswahl. Alle Einrichtungen scheinen eine willkommene Alternative zum Kantinenalltag und gleichzeitig Konsumparadies für ein buntes Publikum zu sein. Viele Migranten der dritten Generation erzählen, dass sie mit der Mauserstraße schöne Kindheitserinnerungen verbinden. Hierher sei man zum Einkaufen gefahren, wenn man ganz bestimmte Gewürze, Hirse oder scharfes Tomatenmark gebraucht habe.

Der Hunger der Gläubigen hat die Straße verändert

Dass sich die Mauserstraße in ein gastronomisches Eldorado verwandelt hat, ist der dort ansässigen Ditib-Moschee geschuldet und einem Mann, der hungrige Gläubige mit Simit, den türkischen Sesamkringeln, versorgen wollte: Halil Selvi. 1997 zog der Bäcker von Wangen an die Mauserstraße. Mittlerweile hat er seinen Schwerpunkt im Bereich der Kalorienbombe Baklava und deren süßen Verwandten.

Wer nach dem süßen Rundum-sorglosPaket etwas Gesundes gegen das schlechte Gewissen kaufen möchte, wird direkt neben der Bäckerei fündig. Dort eröffnete kurze Zeit nach Selvis „Metropole“ der Hak-Verdi-Supermarkt, der nach eigenen Angaben mehr als 10 000 Produkte im Angebot hat. Die Fleischtheke ist ambitioniert. Die Fischtheke hat eine große Auswahl.

Schafskopfsuppe und Ayran aus Krügen

Komplettiert wird die ganze Bandbreite der türkischen Küche vom Lokal Dedemoglu. Nusret Aricak und sein Team haben sich auf Grillgerichte spezialisiert, bieten für ganz Experimentierfreudige aber auch Speisen wie Beyoglu an, eine Suppe aus Schafskopf, -füßen und Kutteln. Die Öffnungszeiten sind unter der Woche mit 5 bis 23 Uhr für Hungrige paradiesisch. Wer Interesse an einem eher habhaften Frühstück hat, wird mit Spiegelei und der türkischen Knoblauchwurst Sucuk bestens bedient. Auch das flüssige Angebot erfüllt alle Wünsche eines kulinarischen Türkeikurzurlaubs: Neben türkischem Tee und Mokka ist das Dedemoglu vor allem für seinen Ayran bekannt. Das Joghurt-Getränk wird an der Mauserstraße 22 im Krug mit mächtiger Schaumkrone serviert.

Die gastronomische Entwicklung des ehemaligen Industriequartiers ist übrigens noch nicht abgeschlossen. Lange hatte die Stadt mehr oder weniger ratlos nach Feuerbach geblickt. Erst angesichts der Pläne für das Kreativareal Im Werk 8 (IW8) ist der Wandel auf der politischen Agenda angekommen. Das IW8 wird meist nur als neue kulturelle Spielwiese wahrgenommen, konnte aber überhaupt nur entstehen, weil Mr. Mauserstraße, Halil Selvi, die  ehemalige Behr-Produktionsstätte gemeinsam mit seinem Partner Halil Aydin gekauft hat. Wo Behr bis ins Jahr 2010 Kühler produziert hat, will Selvi künftig seine Patisserie-Produktion auf 850 Quadratmeter erweitern. Die neue Kalorienbombenzentrale sei aber nicht der alleinige Grund für den Kauf des IW8 gewesen: „Ich möchte mit dem Kreativzentrum einen Ort schaffen, an dem renommierte und junge Künstler, Deutsche und Ausländer, gemeinsam ihren Arbeitsalltag verbringen. Wichtig ist, dass du es ehrlich meinst und deine Vorurteile spätestens an der Pforte abgibst“, sagt Halil Selvi.

Ein paar mehr Parkplätze würden dem Areal gut tun

Sevil Özlük, die das Werk 8 für Selvi leitet, träumt von einer weiteren städtebaulichen Entwicklung des Areals: „Durch das Ende der Veränderungssperre hoffe ich, dass sich das gesamte Erscheinungsbild der Straße in naher Zukunft positiv verändert“, so Özlük. Denn so gut und vielfältig das Angebot an der Mauserstraße auch sei: das Areal sei Opfer der eigenen rasanten Entwicklung. Schon ein paar mehr Parkplätze für die hungrigen Pilger würden Klein-Istanbul an der Mauserstraße gut zu Gesicht stehen.