Gastro in Fellbach – Rienth’s Weintreff Als das 13. Viertele noch umsonst war

Nicole und Markus Rienth sind gern für ihre Gäste da. Foto: Michael Käfer

Rienth’s Weintreff feiert Anfang Dezember 50. Geburtstag. Nicht nur das Trinkverhalten der Gäste hat sich in all den Jahren verändert. Was als kleine Besenwirtschaft begann, ist ein gastronomisches Ziel, das auch mit Veranstaltungen Publikum anlockt.

Anheimelnde Butzenscheiben, handbemalte Deckenbalken, Wagenräder und Pferdegeschirr hat einst der Redakteur der Fellbacher Zeitung nach einer Vorabbesichtigung die Innenausstattung beschrieben. Wenige Tage später, am späten Samstagnachmittag des 7. Dezember 1974, eröffnete Gerhard Rienth seine Besenwirtschaft. Wie es sich damals gehörte, war die Weinlokalität in einer ehemaligen Wohnung, genauer gesagt in der Rommelshauser Straße 4, in Fellbach untergebracht. Inzwischen ist der vor 33 Jahren in den Hasentanz umgezogene Besen als Rienth’s Weintreff zu einer echten Institution geworden – die am 7. Dezember, also ebenfalls an einem Samstag, ihr 50-Jahr-Jubiläum feiert.

 

Zwei Hektar Weinberge waren der Anfang

Eine gehörige Portion Mut, aber auch Innovationsgeist und ein feines Gespür für die Wünsche der Weinfreunde konnte man Gerhard Rienth sowie seiner Verlobten und späteren Ehefrau Gisela damals nicht absprechen. Nach der erst unmittelbar zuvor im bayerischen Veitshöchheim abgeschlossenen Ausbildung zum Weinbautechniker gründete der gerade einmal 20-Jährige 1972 sein eigenes Weingut. Eineinhalb Hektar Rebfläche in Fellbach und weitere zwei Hektar in Diefenbach bei Vaihingen an der Enz waren die Ausgangsbasis. Zwei Jahre später folgte dann der nächste Schritt, und die Selbstvermarktung erhielt – neben dem Flaschenweinverkauf – durch die Besenwirtschaft ein zweites Standbein.

Der „Besen“ kam bei den Weinfreunden gut an, und bald machten sich der im vergangenen Jahr verstorbene Gerhard Rienth und seine Gisela Gedanken über einen Umzug. Klar war, dass das gemütliche Ambiente erhalten bleiben soll.

Der Weintreff: außen modern, innen mit bewusst historischem Ambiente. Foto: Michael Käfer

„Mein Vater hat schon zehn Jahre vor dem Neubau im Hasentanz alte Eichenbalken von abgerissenen Feldscheunen für den Innenausbau des neuen Lokals gesammelt“, erinnert sich Markus Rienth, der nach einer Winzerlehre 2003 seine Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker für Wein- und Obstbau in Weinsberg abgeschlossen hat. Rienth’s Weintreff, wie die Besenwirtschaft heißt, und das Weingut, dessen Rebfläche inzwischen auf 6,5 Hektar angewachsen ist, bewirtschaftet der 45-Jährige gemeinsam mit seiner Frau Nicole Rienth. Passenderweise haben sich die in Stetten aufgewachsene gebürtige Papenburgerin und der Fellbacher bei der Landjugend kennengelernt.

Während der rustikale Charme der Lokalität durch die dunklen Eichenbalken und Regalbretter mit landwirtschaftlichen oder handwerklichen Geräten vom Zapfhahn über die hölzerne Schraubzwinge bis zu ganzen Reihen von Hobeln und Stechbeiteln erhalten geblieben ist, hat sich ansonsten einiges verändert.

Gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln sich in der Besen-Gastronomie wider. Die Ansprüche der Weinfreunde sind gestiegen. Während früher die Besenwirte mit Kupferkanne lediglich einen Rot- und einen Weißwein bis zum oberen Rand in das Henkelglas füllten, gibt es inzwischen ein deutlich erweitertes Angebot auch neuerer Sorten wie Syrah und Merlot sowie Roséweine, die im Stielglas gebracht werden. „Das 13. Viertele war umsonst“, erinnert sich Markus Rienth an frühere Zeiten: „Das hat der eine oder andere Weinzahn durchaus geschafft.“ Zur Ehrenrettung jener Gäste sei hinzugefügt, dass in den Anfangsjahren viel mehr Besucher zu Fuß kamen.

Erweitert und verfeinert hat sich auch das Speisenangebot, das längst über Schlachtplatte oder Vesperteller hinausgeht und neben wechselnden Tagesessen etwa Rostbraten, Rumpsteak oder Schweinemedaillons beinhaltet. Bekannt ist Rienth’s Weintreff seit Jahrzehnten ebenso für Veranstaltungen wie musikalisch begleitete Sonntagsessen oder Schnitzelabende. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die beiden Kabarettabende im Dezember. So ist der zur Tradition gewordene Auftritt von Wommy Wonder bereits ausverkauft.

Wenn Gäste über das Toilettenfenster einstiegen

Anders als in den Anfangsjahren ist die Lokalität – wie viele andere – keine echte Besenwirtschaft mehr und damit auch nicht mehr an die für klassische „Besen“ geltenden Restriktionen gebunden. So können Markus und Nicole Rienth deutlich länger geöffnet haben als Gerhard Rienth in den Anfangsjahren. Eher nostalgischen Charme haben deswegen die in einer Nische untergebrachten Stehtische und zwei sogenannte Stehhilfen, also schlichte Querbrettern. Sie zählen in einer Besenwirtschaft offiziell nicht zu den Sitzplätzen und können zusätzlichen Gästen Raum bieten. Beliebt bei manchen Besenwirten waren auch Sitzbänke, die in der Enge der Gemütlichkeit viel mehr Platz boten als offiziell berechnet. Wenn Gerhard Rienth dann doch einmal die Haustür in der Rommelshauser Straße 4 wegen Überfüllung abgeschlossen hat, kam der eine oder andere sportliche Gast eben über das von Freunden fürsorglicherweise geöffnete Toilettenfenster reingeklettert.

Das Jubiläum wird am Samstag, 7. Dezember, im Hasentanz 8 bis 10 gefeiert. Von 14 bis 18 Uhr spielt die Band Koi Limit, danach legt ein DJ Musik aus den 1970er-Jahren in Form von Vinylscheiben auf den Plattenteller. Es werden Speisen aus den Anfangsjahren serviert, etwa „Oma Lottes Wurstsalat“. Im Außenbereich gibt es unter anderem Glühwein.

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