Vincent Klink, Patron des Stuttgarter Sternerestaurants Wielandshöhe, ist vom neuen „Gault & Millau“ als „Gastronom des Jahres 2021“ ausgezeichnet worden. Im Interview spricht über seine Rolle als Gastgeber und macht seinem Ärger über den Teil-Lockdown Luft.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Am Montag kommt der „Gault & Millau“ 2021 in den Handel. Zu den Preisträgern des Jahres zählt Vincent Klink, der seit 30 Jahren Patron der Wielandshöhe in Stuttgart-Degerloch ist. Wir haben mit dem 71-Jährigen über Auszeichnungen gesprochen und wie es ist, als „Gastronom des Jahres“ keine Gäste empfangen zu dürfen.

 

Herr Klink, Glückwunsch zur Auszeichnung! Waren Sie überrascht?

Ja, weil ich in der Gastronomie eigentlich immer in der zweiten Reihe gewesen bin und mich da sehr wohlgefühlt habe. Seit 50 Jahren Koch, seit 40 Jahren selbstständig – das geht in der ersten Reihe ja kaum, da brennt man irgendwann aus. Deswegen bin ich eher zurückhaltend, aber habe mich natürlich sehr gefreut. Und das möchte ich auch an meine Mitarbeiter weitergeben.

Und an Ihre Frau und Ihre Tochter, die im Betrieb für den Service stehen und mit der Auszeichnung ebenfalls bedacht werden.

Als Familie sind wir da sehr hinterher. Ich erklär es immer mit einem Beispiel aus dem Fußball: Ein Trainer ohne Kicker ist nichts, und natürlich auch umgekehrt. Wenn man von Starköchen spricht, ist das ziemlicher Unsinn: Entscheidend ist das Team. Und natürlich ein Typ, der Visionen hat.

Apropos: Man kann die Auszeichnung auch als eine für das Lebenswerk verstehen, die dieses Jahr verständlicherweise an Hans Haas geht, der im Tantris aufhört.

Mein Lebenswerk ist ja noch gar nicht zu Ende! Ich verstehe die Auszeichnung vor allem als eine für mein Wirtetum. Es gibt viele sehr gute Köche, aber richtig gute Wirte weniger. Ich habe mich immer als Gastgeber und Koch gesehen, eine relativ altmodische Konstruktion, die es kaum noch gibt.

Hängen Sie die Auszeichnung im Restaurant auf?

Wir haben noch nie was aufgehängt, egal ob Verdienstorden oder Michelin-Plakette. Das verbietet auch meine Frau, weil die weiß: Köche neigen zum Größenwahn, und sie steht da immer schwer auf der Bremse. Ich sehe das ähnlich, das liegt auch ein bisschen an der schwäbischen Mentalität.

Und die Restaurantführer legen Sie auch nicht wie andere aus?

Machen wir nicht, ich kauf die auch nicht, das macht unser Küchenchef. Die größte Auszeichnung für mich sind meine Gäste. Aber es freut mich, wenn die lesen, dass sie offensichtlich doch nicht in der falschen Kneipe sind.

Aber durch Restaurantführer kommen neue Gäste, die die Wielandshöhe bislang nicht kannten.

Ich hatte tatsächlich den größten Zuwachs an neuen Gästen nach dem ersten Lockdown. Vor allem aus dem Norden, Menschen, die nicht ins Ausland fahren konnten und dann eben in den Süden gekommen sind.

Insofern haben wir jetzt schon eine surreale Situation: ein Restaurantführer, der mitten im Teil-Lockdown erscheint, und ein Gastronom des Jahres, der keine Gäste empfangen kann.

 Ja, und mir fällt auch der Lockdown in der kalten Jahreszeit wesentlich schwerer als der erste im Frühling, da konnte ich wenigstens im Garten rummachen. Jetzt ist das gespenstisch und bedrohlich. Es kann ja sein, dass ich überhaupt nicht mehr aufmachen kann, dass das bis zum Sommer so weitergeht. Es herrscht ein Durcheinander, und die Kanzlerin blickt auch nicht mehr durch. Aber ich habe auch keine Idee und könnte es selbst nicht besser machen.

Hätte man für die Zwangsschließung nicht differenzieren können zwischen einem Speiserestaurant als geschützter Raum und Kneipen und Bars mit einem hohen Andrang und Durchlauf?

Da haben Sie völlig recht. Ich will auch gar nicht verschweigen, dass ich ziemlich verärgert bin. Gerade die Speiserestaurants haben sich alle so viel Mühe gegeben: mit Frischluft, Filter und Scheiben einbauen und so weiter. Und es hat auch keinen Vorfall gegeben. Aber die Regierung verwechselt uns mit einer Stehkneipe. Eigentlich waren auch die Leute für kleine Feiern im Restaurant besser aufgehoben als jetzt, wo man sie ins Private reindrängt und keine Kontrolle hat. Das ist ganz furchtbar, dass eine ganze Branche bestraft wird.

Wie ist denn die Lage in Ihrem Betrieb? Haben Sie Hilfen beantragt?

Ja, jetzt auch die neue, weil ich nicht weiß, wie lang das so noch gehen soll. Im April oder Mai bin ich dann auch irgendwann pleite. Ich bastel jetzt an einem zweiten Standbein, das sind meine Holzschnitte. Und das läuft eigentlich ganz gut. Das ist auch eine Art Corona-Therapie, denn wissen Sie: Wirklich systemrelevant ist eigentlich gar nichts mehr, nur noch die Börse.

Was wünschen Sie sich also als Gastronom des Jahres 2021 für 2021?

Eigentlich nur, dass man wieder schaffen kann. Und dass es spätestens im März wieder losgeht. Bis dahin muss man wohl einfach durchhalten.