Viele Wirte schränken ihre Öffnungszeiten ein, andere trennen sich vom Mittagsgeschäft. Im Kreis Göppingen geht jetzt Jörg Geiger neue Wege.

Schlat - Die Gerüchteküche brodelte schon lange. Nun hat der Geschäftsführer der Schlater Manufaktur und des Gasthofs Lamm, Jörg Geiger, erklärt, wie es in seinen Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeitern weitergeht. Die größte Neuerung ist die Abkehr vom klassischen À-la-carte-Geschäft. Der letzte Tag, an dem die Gäste noch von der Karte bestellen können, ist der 20. Mai. Immer mehr Betriebe schränkten ihre Leistungsangebote und ihre Öffnungszeiten ein, erklärt dazu der baden-württembergische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Zuletzt hatte im Kreis Göppingen beispielsweise das von dem Sternekoch Rolf Straubinger geführte Gourmetrestaurant Staufeneck in Salach sein Mittagsangebot drastisch reduziert.

 

Die strengere Überwachung der Arbeitszeit macht Probleme

Diese Einschränkungen werden häufig mit dem 2015 eingeführten Mindestlohngesetz begründet, das von den Betrieben fordert, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu dokumentieren. „Auf diese Weise rücken die altbekannten Konflikte der Branche mit dem Arbeitszeitgesetz in den Fokus und erschweren die rechtskonforme Dienstplangestaltung“, beschreibt der Dehoga-Landesvorsitzende Fritz Engelhardt die Problemlage. Auch Lamm-Chef Geiger führt die Rahmenbedingungen, die oft den Betrieb erschwerten, als einen Grund für den Konzeptwechsel an. So habe die Gastronomie 19 Prozent Mehrwertsteuer abzuführen. Hoteliers oder Bäcker kämen mit sieben Prozent davon. Hinzu kämen Arbeitszeitvorschriften, die zuweilen nur schwer einzuhalten seien. Das Personal könne nicht einfach gehen, solange noch Gäste da seien.

Jörg Geiger setzt auf die Themengastronomie und das Bankettgeschäft

Mit seinem neuen Konzept möchte Geiger für sich und seine Angestellten eine bessere Planbarkeit schaffen. Die Gäste buchen und bezahlen bereits im Vorfeld des Besuchs. Damit entfällt das Risiko, einen großen Mitarbeiterstab für nur wenige Gäste vor Ort zu haben. Der Gastronom möchte anstelle eines gewöhnlichen Restaurantbetriebs in Zukunft auch buchbare Abendveranstaltungen anbieten. Die Themenabende werden unter der Überschrift „Gastfreundschaft erleben“ zusammengefasst.

„Ich bin überzeugt, dass wir mit dem Konzeptwechsel den Nerv der Zeit treffen“, sagt der Geschäftsführer. Die Termine für einen Besuch seien bereits online und könnten jetzt gebucht werden. So wird beispielsweise eine „Reise zur Champagner-Bratbirne“ mit fünf Gängen oder ein „Mittag auf der Streuobstwiese“ mit einem sommerlichen Buffet im Freien angeboten. Auch ein Blick hinter die Kulissen seiner Betriebe soll künftig in Verbindung mit einem Essen möglich sein.

Für Feste kann das Lamm weiterhin gemietet werden

Kulinarisch möchte der 48-Jährige seinen Besuchern ein spezifischeres Angebot machen als bisher. Die Menüs werden genau aufeinander abgestimmt sein. Und: „Ich kann zu Hause auf dem Sofa schauen, was angeboten wird“, erklärt der Gastronom. Darüber hinaus sollen Gäste die Räume in dem im Jahr 1905 erbauten Anwesen und die Gastronomie weiterhin für Veranstaltungen mieten können.

Vor dem Hintergrund des stetigen Wachstums der Manufaktur sowie der geschäftlichen und privaten Trennung von seiner Frau habe er sich im vergangenen Jahr entschieden, über einen Konzeptwechsel nachzudenken, sagt Geiger. Dass er den Betrieb fortführen möchte, stand außer Frage – vor allem, weil sein 14-jähriger Sohn bereits Interesse an einem späteren Eintritt in das Unternehmen signalisiert habe.

Die Idee, den Gasthof zu verpachten, habe er nach Rücksprache mit seinen Mitarbeitern verworfen. Zu groß wären die Reibungsverluste gewesen. Von den rund 50 Mitarbeitern soll durch den Konzeptwechsel keiner seinen Arbeitsplatz verlieren. Im Gegenteil, wenn alles gut läuft, könnten weitere Arbeitsplätze entstehen.

In der Manufaktur selbst soll sich auch etwas ändern. Vor allem die Verkaufs- und Präsentationsräume müssten vergrößert werden. Es gebe von unterschiedlichen Priseccos über den Süßwein aus Kirschen bis hin zu einem Gin aus Äpfeln inzwischen fast hundert Produkte zu kaufen. Hinzu kämen verschiedene alkoholfreie Getränke.

Der Gast gibt den Takt vor

Der Hotel- und Gaststättenverband fordert anstelle der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitsgrenze

Stuttgart/Göppingen - Das Arbeitszeitgesetz, das eine regelmäßige tägliche Arbeitszeit von acht, im Ausnahmefall von maximal zehn Stunden pro Tag erlaube, habe eigentlich noch nie zum Gastgewerbe gepasst, erklärt Daniel Ohl, Sprecher des baden-württembergischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga. Wenn Gäste länger sitzen blieben oder sich eine ganze Busgruppe verspäte, sei das typisch für das schwer planbare Gastaufkommen.

Besonders betroffen seien die fürs Land typischen überwiegend kleinen und mittleren Betriebe, deren kleine Belegschaften oft keinen Schichtbetrieb zuließen. „Niemand soll in der Summe länger arbeiten, und ein Zehn- bis Zwölfstundentag soll nicht die Regel werden“, fasst Ohl die Position der Dehoga zusammen. Allerdings fordere sein Verband bei starken Lastspitzen und Schwankungen flexible Ausgleichsmöglichkeiten.

Anstelle einer starren maximalen Arbeitszeit von zehn Stunden werde gefordert, den Freizeitausgleich innerhalb einer Woche zu ermöglichen. Damit zielt der Vorschlag der Dehoga darauf, im Arbeitszeitgesetz von einer täglichen künftig auf eine wöchentliche Höchstarbeitsgrenze umzustellen. So könnten Arbeitszeiten individueller und flexibler auf die Wochentage aufgeteilt werden, je nach Arbeitsanfall. Der Gesundheitsschutz und die Mindestruhezeiten blieben damit gewahrt.

Viele Wirte schränken ihre Öffnungszeiten ein

Zahlreiche Gastronomiebetriebe reagieren auf die strengere Überwachung der Arbeitszeit seit dem Mindestlohngesetz mit Einschränkungen ihrer Leistungen. Das geht aus einer Online-Umfrage der Dehoga Baden-Württemberg hervor. Von den befragten 1472 Gastronomen gaben 65 Prozent an, sie hätten ihre Öffnungszeiten verkürzt. Zusätzliche Ruhetage haben 40 Prozent eingeführt, und 52 Prozent haben ihr Angebot insgesamt verringert.

Konflikte drohen, wenn Beschäftigte nach Feierabend dazuverdienen wollen, denn die beim Hauptarbeitgeber geleisteten Stunden zählen mit. Weil auf dieser Grundlage oft nur noch zwei Stunden übrig blieben, finde sich niemand für eine so kurze Arbeitszeit, klagen die Wirte.