Vor rund einem Jahr ist die reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen im Restaurant wieder auf 19 Prozent gestiegen. Gastronomen versuchen mit unterschiedlichen Strategien damit umzugehen. Der Dehoga-Kreischef sorgt sich um die Zukunft der Betriebe.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Die Aktion eines Waiblinger Wirtes hat große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wie viele Wirte ärgerte sich Matthias Hönes über die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie Anfang 2024. Die Erhöhung von sieben Prozent auf 19 Prozent wollte der Wirt nicht auf seine Gäste übertragen und hat sich eine besondere Aktion ausgedacht: Einen Einheitspreis für alles auf der Speisekarte. Hönes hatte sogar eine zweite Auflage der Aktion im Wirtshaus am Alten Postplatz in Waiblingen gestartet. Bis 1. Dezember wurden wieder alle Speisen zum Preis von 6,90 Euro aufgetischt, plus einer freiwilligen Spende für einen guten Zweck. Der Wirt hat Post vom Finanzamt bekommen. Der Fiskus will von ihm 19 Prozent Mehrwertsteuer für die 42 000 Euro haben, die er nach der ersten Aktion an Initiativen unter anderem das Kinderhospiz Pusteblume und den Tafelladen Waiblingen gespendet hat – der Wirt geht juristisch gegen die Forderung des Finanzamts vor.

 

Vielen sei nicht bewusst, dass die Steuerlast beim Essen so ungleich sei

Die Wiedereinführung der Mehrwehrsteuer von 19 Prozent seit Anfang 2024 treibt die Gastronomiebranche um. Michael Matzke, der Vorsitzende der Dehoga-Kreisstelle Rems-Murr, macht deutlich, dass eine Rückkehr zu sieben Prozent Mehrwertsteuer auf das Essen im Restaurant vor allem bedeute, eine Ungleichbehandlung in der Branche aufzuheben. „Es ist steuerpolitisch nicht fair, dass für ein Gericht im Restaurant seit dem 1. Januar 2024 wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden, während das Essen im Imbiss to go oder auch an der Metzgerstheke weiterhin mit sieben Prozent besteuert wird“, sagt Matzke. Vielen Menschen sei nicht bewusst, dass die Steuerlast beim Essen so ungleich sei. Auch das gemeinsame Essen in der Kita und Schule wird mit 19 Prozent Mehrwertsteuer besteuert. „Der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Speisen in Restaurants ist in der EU die Regel “, sagt Matzke, „das ist nachhaltig, fair und gerecht.“

Die Mehrwertsteuererhöhung treffe letztlich alle – auch die Gäste

Jeder Betrieb würde einen eigenen Weg suchen, mit der Mehrwertsteuer-Erhöhung umzugehen. „Es ist oft eine Kombination von Kosteneinsparen und Preise erhöhen“, sagt Matzke. Die Gastrokollegen versuchten natürlich, die Preise nur moderat zu erhöhen. „Sonst geht der Gast nicht mehr mit“, sagt Matzke. Es sei meist eine Mischkalkulation, indem versucht werde, die Preiserhöhungen auf verschiedene Produkte zu verteilen. Aber klar sei auch, so der Kreis-Chef, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer letztlich alle treffen würde. „Viele Gäste reagieren darauf, indem sie weniger Restaurantbesuche planen und beim Verzehr von Speisen und Getränken zurückhaltend agieren.“ Natürlich sei die Adventszeit und die Zeit um Silvester eine besondere. „Viele Betriebs-, Weihnachts- und Familienfeiern finden in dieser Zeit statt. Da ist in der Hotel- und Gastronomie Hochsaison.“ Die Reservierungen seien um diese Zeit meist gut. Dennoch sei zu beobachten, dass Betriebe mit einer Verkürzung der Öffnungszeiten reagierten. Das könne mit mangelndem Personal, aber auch mit Kostenersparnis zu tun haben.

Andrea Sigle vom Café Wundervoll im Centrum 30 in Fellbach hat nun montags und dienstags geschlossen. Grund seien die höhere Mehrwertsteuer und der Personalmangel. „Es bleibt weniger für den Betrieb übrig“, sagt Sigle. Gestiegene Lohn- und Energiekosten sowie Lebensmittelpreise belasten zusätzlich. Sahne, Milch, Butter – wichtige Zutaten für ihre Kuchen hätten deutlich im Preis angezogen. „Zum Glück haben regionale Anbieter wie etwa die Hegnacher Mühle uns sehr stabile Preise erhalten“, sagt Sigle. Ihr Fazit: „Man muss viel Idealismus haben, um in der Gastronomie zu arbeiten.“ Die gute Resonanz der Gäste gleiche viel aus – denn am Kundenstrom, der alle Generationen umfasse, liege es nicht, dass die Lage angespannt sei. Das Café Wundervoll hat immer auch vegane, laktosefreie und glutenfreie Backwaren im Sortiment und bietet dadurch ein besonders Angebot in Fellbach und darüber hinaus.

Dehoga-Kreischef: Klassische Speisegastronomie auf dem Rückzug

Auffallend sei auch, so der Dehoga-Kreischef, dass einige Betriebe im Rems-Murr Kreis über Weihnachten und Silvester geschlossen hatten. „Besonders unter Druck ist die Speisegastronomie im ländlichen Bereich“, sagt Matzke. Diese traditionellen Betriebe würden aufgrund der unsicheren Aussichten oft keinen Nachfolger finden und aufgegeben. Es sei ein Büdel an zunehmenden Belastungen. „Die Kosten für Personal, Waren, Betrieb und Verwaltung sind enorm gestiegen, und können durch die rückläufigen Umsätze nicht mehr erwirtschaftet werden“, sagt Matzke. Dazu kämen oft erhöhte Pachtforderungen bei einem Pächterwechsel. Das alles führe dazu, dass die klassische Speisegastronomie auf dem Rückzug sei.

Dass die Zeiten schwieriger sind, das spürt auch der Pächter des Wirtshauses zom Schiller in Fellbach, Reza Sanati. Im Vergleich zu früheren Jahren seien die Kosten bei den Lebensmitteln stark gewachsen. Er versuche dennoch, das Tagesessen mit 11,80 Euro zu belassen und den Gästen eine Preisstabilität zu erhalten. Er hat erst seit Ende August 2024 das Traditionshaus mit seinem neuen Team übernommen.

Im Gegenzug nehmen Fastfood-Betriebe in vielen Städten zu

Michael Matzke sagt, dass im Gegenzug Fastfood-Betriebe zunehmen würden, das sei eine Entwicklung, die schon länger zu beobachten sei und verweist auf die Debatten in Heilbronn. Dort hatte die Forderung nach einer Obergrenze für Dönerläden, Barbershops und Nagelstudios im Sommer 2024 bundesweit Schlagzeilen gemacht. Doch anders als die Heilbronner CDU-Fraktion will die Stadtverwaltung die Vielfalt in der Innenstadt nicht mit Verboten oder Obergrenzen erreichen.

Das Gastro-Paar von „Pasta and Bowls“ in der Fellbacher Markthalle geht mit den unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen von 7 und 19 Prozent so um, in dem es zwei verschiedene Preise für das Essen to go oder für Speisen vor Ort ausweist. Etwa die Hälfte der Kunden esse vor Ort in der Markthalle, die andere Hälfte nehme die Gerichte mit, sagte Nedim Solunovic.

Für den Dehoga-Kreischef ist die Forderung klar: „Sieben Prozent Mehrwertsteuer einheitlich auf Essen“, sagt Matzke. „Nur damit wird ein fairer und gerechter Wettbewerb gegenüber den Angebotsformen Take Away beziehungsweise To Go, Lieferdiensten oder dem verpackten Fertigsalat aus dem Supermarkt hergestellt.“