Seit 30 Jahren betreibt Dimitrios Siasiakis mit seiner Frau Despina das Lokal „zur Uhr“ in Backnang. In dieser Zeit hat sich fast nichts verändert, und die Stammgäste zapfen nach wie vor ihr Bier auch mal selbst.

Wenn die Glocken der evangelischen Stiftskirche am Ölberg in Backnang läuten, verstummen die Gäste im gegenüberliegenden Lokal „zur Uhr“ für ein paar Minuten. Sie schweigen aber nicht aus Ehrfurcht vor dem kirchlichen Gebimmel, sondern weil sie ohnehin nicht gegen das Glockengeläut ankämen. Vor allem im Sommer, wenn sie vor der Tür sitzen „im schönsten Biergarten Backnangs“, wie ein weiblicher Gast sagt. Es stört sie nicht, ebenso wenig wie den Wirt Dimitrios Siasiakis, der von allen nur Mitsos genannt wird.

 

Die Betreiber sind mit ihrem Lokal alt geworden

Seit dem 6. Juni 1992 betreibt der Grieche mit seiner Frau Despina die „Restauration zur Uhr“, so die Inschrift auf der alten Holztür. Die beiden sind mit ihrem Lokal alt geworden. Doch ihre Gäste sind ihnen treu geblieben, mittlerweile in zweiter und dritter Generation. Zwischen Marktstraße, Postgasse, Burgberg und Stiftshof liegt der Ölberg, mittendrin in der historischen Backnanger Altstadt. In der Uhr scheint die Zeit tatsächlich stehengeblieben zu sein. Ein Teil der Holzvertäfelung stammt noch aus der Bauzeit des Hauses im Jahr 1678. Wo die alte Täfelung kaputt war, hat Mitsos Siasiakis sie eigenhändig repariert. Zur niedrigen Decke mit den Holzbalken passen die massiven Holzmöbel. „Das Haus hat Geschichte“, sagt Mitsos Siasiakis. Dass zwischen dem historischen Gebälk auch moderne Kunst hängt, ist kein Widerspruch, sondern passt in diese urige, ganz eigene Lokalität, ebenso wie die Uhren und die Blumen in Töpfen, die von Despina Siasiakis mit Hingabe gepflegt werden.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Das Lokal Merlin übersteht einen Brand

1877 eröffnete ein gewisser David Beil die „Wirthschaft z. Uhr“, wie der „Murrtal-Bote“ im August desselben Jahres vermeldete. Damals sei dort gezockt und gesoffen worden, und der Pfarrer soll ziemlich häufig zu Gast gewesen sein, so habe ein Gast Siasiakis berichtet. „Aber auch, dass er ab und an seine Schäfchen von hier weg in die Kirche geholt hat.“ Bis 1929 existierte der Gastbetrieb im Erdgeschoss, danach wurden die Räume, wie der Rest des Hauses, als Wohnraum genutzt. Bis Mitsos Siasiakis das Gebäude gekauft hat. Er ist mit seiner Frau in die oberen Stockwerke gezogen und hat das Parterre wieder zu einer Wirtsstube umgebaut.

Die Nähe zur Kirche, so vermutet der 84-Jährige, verdanke das Lokal seinen Namen. „Und ohne das Geläute würde mir was fehlen“, sagt Mitsos Siasiakis, der vor der Eröffnung der Uhr 17 Jahre lang das Speiselokal Kunberger in Backnang geführt hatte. Seine Stammgäste sind vor fast 30 Jahren mit ihm auf den Ölberg hinaufgezogen, ebenso deren Kinder und manchmal auch Enkel. „Despina hat uns alle schon als Kinder und Jugendliche durchgefüttert. Bei ihr gab es immer was zum Essen für uns. Sie war wie eine Mama“, sagt eine Frau, die am Stammtisch sitzt.

Mittlerweile kocht Despina nicht mehr

Mittlerweile kocht die 85-Jährige nicht mehr. Und auch ihrem Mann ist die Arbeit am Herd zu viel. Während der Coronapandemie haben Mitsos und Despina Siasiakis die Küche geschlossen, und das bleibt sie auch. Außer einer der Stammgäste feiert seinen Geburtstag in der Uhr, was häufig vorkommt. Dann serviert das Wirtspaar Weißwürste mit Brezeln. Aber guten württembergischen und griechischen Wein, frisches Bier vom Fass, einen Ouzo oder einen Tsiporou, den griechischen Grappa, gibt es immer.

Obwohl das Ehepaar Siasiakis längst das Rentenalter erreicht hat, hat das letzte Stündlein für die Uhr noch lange nicht geschlagen. Solange sie können, wollen sie ihr Lokal an sechs Tagen in der Woche aufschließen. „Wir haben einen kurzen Weg, und die Gaststube ist ohnehin wie unser Wohnzimmer“, sagt der Wirt. Und das gilt auch für die Stammgäste, die sich ihr Bier auch mal selbst zapfen. „Ich habe sie gut erzogen, ich muss fast nichts mehr selbst machen.“