Die Sorge um die Gastronomie in der Coronakrise ist groß. Doch gleichzeitig geben Wirte Gas. Ein neues Zentrum fürs Stuttgarter Ausgehpublikum entsteht rund um den Palast der Republik – genau dort, wo sich einst ein „magisches Dreieck“ befand.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - An der Lautenschlagerstraße unweit vom Metropol-Gebäude steht seit einigen Wochen eine digitale Uhr. Unermüdlich zählt sie, wie viele Fahrräder die Stelle passieren. Im Schnitt sind es 2000 pro Tag. Würde man in einigen Wochen an diesem Platz das Ausgehpublikum vermessen, die Zahlen dürften rasant nach oben schnellen.

 

Zum Palast der Republik, dem Klassiker, gesellt sich bald neue gastronomische Anziehungskraft. Im früheren Industriehof wird die wohl schönste Gastroempore der City eröffnet. Die Brauereigaststätte Lautenschlager von Dinkelacker/Schwabenbräu darf den Balkon bespielen, der jahrelang ungenutzt war. Eigentlich sollte es im Sommer losgehen, doch in der Pandemie kommen Zeitpläne durcheinander. Jetzt hoffen die Betreiber, im November starten zu können. Geplant sind 300 Plätze drinnen und 200 draußen.

Das Classic Rock Café zieht ins frühere Cantina

Erinnerungen an das „magische Dreieck“ aus dem Unbekannten Tier, dem Palast der Republik und dem Zum Zum werden wach – an Zeiten, als das Stuttgarter Partyleben in den 1990ern neu erfunden wurde. „Das wird eine ganz geile Ecke“, freut sich Juan Miguel Blanco del Rio, der ebenfalls mit seinem Classic Rock Café in ein Viertel zieht, dem viel Potenzial für die Nacht prophezeit wird.

Im früheren Cantina, wenige Schritte vom Palast entfernt, läuft gerade der Umbau für das 1995 gegründete Musikcafé, das sein altes Domizil an der Eberhardstraße wegen des dort geplanten Abrisses verlassen musste. Die Macher sind happy, dass sie nun zu den Erben des einstigen „Bermudadreiecks“ gehören, also mit daran wirken können, dass Stuttgarts Ausgehpublikum ein neues Zentrum bekommt. Auf den Starttermin will sich Blanco del Rio nicht festlegen lassen. Mitte November ist anvisiert, auf jeden Fall vor Weihnachten rockt’s an neuer Stelle.

Was früher mal ein magisches Dreieck an der Lautenschlagerstraße war, wird nun ein Vieleck. Zu den bisherigen und den geplanten Lokalen gesellt sich die aus dem Norden stammende Burger-Kette Peter Pane.

Wo es die „Feige Ziege“ und die „Wunderrübe“ gibt

An 40 Standorten serviert die Kette Peter Pane Burger mit Namen wie „Feige Ziege“ und „Wunderrübe“. Jetzt kommt Stuttgart dazu. Patrick Junge, der 43-jährige Chef des Unternehmens mit Sitz in Lübeck, der einst Franchise-Partner der Kette Hans im Glück war, ist fest davon überzeugt, auch den Südwesten aufmischen zu können. 1700 Mitarbeiter von Berlin bis München gehören zu seinem Imperium. Mit 190 Sitzplätzen drinnen und 130 draußen eröffnet sein erstes Stuttgarter Haus am 15. Oktober im Gebäude Lautenschlagerstraße 23 – in einem Viertel, das man jetzt schon das neue In-Viertel nennt.

Das Unternehmen gibt sich selbstbewusst. „Unser Anliegen ist es, das beliebteste Burger-Restaurant Deutschlands zu werden“, sagt Junge, der auf „flache Hierarchien“ und vielfältige Angebote „fern vom Mainstream“ für ein urbanes Ausgehpublikum setzt. Bisher dominieren Standorte im Norden den Radius der vor vier Jahren gegründete Marke Peter Pane. Jetzt geht es erstmals in den Südwesten nach Stuttgart.

Das Vapiano startet mit altem Namen und neuen Betreibern

Die Systemgastrofirma aus Lübeck übernimmt zwischen Cavos und Palast die Räume der Asia-Kette Goa, die Insolvenz anmelden musste. Bei Peter Pane gibt es nicht nur Burger, Pommes, besondere Brotsorten und Soßen, sondern auch Cocktails. Acht vegetarische und sechs vegane Burger, etwa ein Rote-Bete-Bratling, sind im Angebot. Damit will das Unternehmen dem Trend nach fleischloser Ernährung bei jungen Großstadtmenschen folgen.

Auch das Vapiano, aufgrund von Zahlungsunfähigkeit geschlossen, steht mit altem Namen und neuen Betreibern vor einem Neustart.

Die einarmige Currywurstverkäufer ist unvergessen

An dieser Stelle befand sich einst der Schnellimbiss Zum Zum, mit orangefarbenem Neonlicht. Hier bediente bis zum Abriss 2004 Milanka Grubor, eine Legende der Nacht, mit nur einem Arm. Sie gehörte zweifelsohne zu den Drahtziehern des magischen Dreiecks. Von den alten Hotspots ist nur der Palast übrig geblieben. Dessen Chef Stefan Schneider freut sich auf neuen Zulauf im Viertel: „Wir bereichern und ergänzen uns alle gegenseitig.“

Die Sorge um Gastronomie in der Coronakrise ist groß. Gleichzeitig geben Wirte Gas und lassen sich von der Pandemie nicht bremsen. Das Virus kann die ehrgeizigen Gastropläne nicht stoppen. Dies lässt hoffen.