Vor einigen Tagen hat Reiner Bocka zu Spenden für sein Café aufgerufen, weil das Galao von der Schließung bedroht ist. Nur wenige Tage später sieht es so aus, als würde sein Plan funktionieren.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd – Es war kurz nach elf Uhr am vorigen Dienstag, als Reiner Bocka einen ungewöhnlichen Eintrag auf der Facebook-Seite seines Cafés veröffentlichte. Der Besitzer der Räume wolle verkaufen, das Galao stehe vor der Schließung. Bocka hatte zudem eine ungewöhnliche Bitte: Jeder, der finanziell helfen könne, solle helfen – mit Spenden und Krediten. Seither stand Bockas Telefon kaum noch still, sein E-Mail-Postfach lief über. „Ich habe fast drei Tage nur telefoniert, Mails beantwortet, SMS geschrieben“, sagt der Kneipenbesitzer aus dem Süden. Von morgens um neun Uhr bis nachts um drei habe er die ersten Tage nichts anderes getan, als seine Kneipe zu retten. „Nach zwei Tagen habe ich zum ersten Mal wieder etwas gegessen“, sagt Reiner Bocka.

 

Eine Kneipe vor der Schließung zu retten, indem man Stammkunden, Freunde, Anhänger und viele andere um finanzielle Unterstützung bittet, klingt zunächst nach einem gewagten Plan. Vor allem, wenn es um eine ansehnliche Summe geht. Rund 125 000 Euro fehlen Reiner Bocka, um sein Vorkaufsrecht auf die Räume in Anspruch nehmen zu können. Doch offenbar ist den Galao-Fans der Fortbestand ihrer Kneipe so wichtig, dass sie Geld vorschießen. Bereits Ende vergangener Woche hatte Bocka nach eigenen Angaben verbindliche Kreditzusagen in Höhe von 70 000 Euro. „Ich bin absolut überwältigt“, sagt er.

Reiner Bocka ist selbst überrascht über die Hilfsbereitschaft

Der Gastronom hatte zwar seinen Plan groß in sämtlichen sozialen Netzwerken des Internets verkündet. Doch dass es funktioniere, daran habe er selbst nicht so recht geglaubt. Dabei sind es nicht die großen Summen von Unterstützern, die ihn tief bewegen, sondern die von den Stammkunden, die selbst wenig haben. „Eine Studentin hat mir ihr ganzes Bafög für den Monat überwiesen“, erzählt der Gastronom. Ein älterer Herr, der täglich am Galao vorbeilaufe, aber nie herein komme, sei in der vergangenen Woche zum ersten Mal im Café gewesen und habe Reiner Bocka 100 Euro in die Hand gedrückt.

Vor knapp fünf Wochen hatte es angefangen. Der Vermieter des Galao teilte Bocka mit, dass er plane, die Erdgeschosswohnung in der Tübinger Straße 90 zu verkaufen. Für den 48-jährigen Gastronom war schnell klar, dass er selbst kaufen wollte, um die Zukunft des Galao zu sichern. „Ich habe mir sogar von meinen Eltern mein Erbe ausbezahlen lassen“, sagt Bocka.

Bank gibt Kreditzusage

Vergangene Woche kam dann endlich die Kreditzusage einer Bank. Allerdings mit der Auflage, dass Bocka noch 125 000 Euro an Eigenkapital aufbringen muss. Bis Ende März hat der Galao-Chef nun Zeit, das fehlende Geld zu organisieren und hofft dabei weiterhin auf Unterstützer. So wie es derzeit aussieht, scheint sein ungewöhnlicher Plan aufzugehen. Die Stammkneipe um die Ecke ist vielen Menschen offensichtlich so viel wert, dass sie alles tun, um sie zu retten.

Einige Straßen weiter durchlebte das Ritterstüble in der Ritterstraße eine ähnliche Situation. Dort hörte der Pächter auf. Die Gäste aus der Nachbarschaft wollten sich aber partout nicht damit abfinden, ohne ihr geliebtes Ritterstüble leben zu müssen. Kurzerhand gründete eine Handvoll Menschen einen Verein, der das Ritterstüble übernahm. Heute trägt der Verein „Tafelrunde des Ritters“ die Eckkneipe im Stuttgarter Süden seit knapp fünf Jahren.