Der Gastwirt Manfred Kurz spricht im Interview über das Verhältnis von Köchen und Kellnern in der Politik und im wahren Leben.  

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Ende des vorigen Jahrtausends ein für alle Mal geklärt, wie es in einer Zweierkoalition zuzugehen hat: "Der Größere ist der Koch, der Kleinere ist der Kellner." Das passte den Genossen damals gut, waren sie in der rot-grünen Bundesregierung doch die Größeren. In Baden-Württemberg regiert bald Grün-Rot. Ein Meisterkoch beantwortet die aktuellen Machtfragen.

 

Herr Kurz, Sie haben einst mit Rezzo Schlauch ein Kochbuch herausgegeben. Verstehen die Grünen etwas vom Kochen?

Ich hab's geschrieben, Rezzo hat's serviert. Die Grünen sind besser im Essen als im Kochen. Toskanisch fröhlicher und genießerischer als die Sozen sind sie allemal.

Viele werden bei Grüne und Kochen zuerst an Sesambratlinge denken. Zu Recht?

Die Einschätzung ist nicht ganz falsch, wenn sie auch von den frühen Anfängen der Grünen ausgeht. Deren missionarischer Dienst in Sachen Flötenspiel-Schäferspiele-Körnermüsli-Birkenstocksandalen hat zwar an Militanz verloren, der Grünkernbratling wird aber im Sinne der "political correctness" durchaus noch zur Volkserziehung herangezogen. Am besten entgeht man der grünen Besserungsanstalt mit der Haltung einer alten hohenloheschen Bäuerin, die entgegnete: "Wenn unser Hergott gwollt hätt, dass wir Körner esse, dann hätt der uns an Schnabel wachse lasse."

Und wie steht es um die Kochkunst von Sozialdemokraten?

Der Sozialdemokrat braucht's handfest und übersichtlich. Ohne Anleitung passiert da nix. Curry-Pommes-Schranke ist genug fürs kulinarische Glück. Am 1.Mai kommt noch das eine oder andere Bier dazu, dann wird es ein Festtag - geradezu bacchantisch.

Worauf kommt es bei einem guten Koch denn überhaupt an?

Auf Hartnäckigkeit, Knoblauch im Blut und innere Gelassenheit. Das hilft die Stichwahl zwischen bürgerlicher Unabhängigkeit vom Staat und politischer Volksbeglückung besser durchzustehen.

Wer ist wichtiger im Restaurant: der Koch oder der Kellner?

Was für eine Frage!

Eine durchaus berechtigte, denn der Kellner ist ja wohl viel näher an den Gästen dran, sprich: am Volk.

Mag ja sein. Dafür wird er aber gezwungen, sein Trinkgeld auch noch zu versteuern.

Und wer hat das Sagen in dieser heiklen Beziehung?

Wer wohl? Bei der staatsgläubigen Grün-Rot-Koalition letztlich immer der Finanzminister. Aber nicht vergessen: final ist es immer noch der über beiden stehende Wirt, der die Rechnung macht.

Wie ist das, wenn aus einem Kellner plötzlich ein Koch wird? Kann das funktionieren?

Die Geschichte hält dafür kein Beispiel bereit. Das wenigstens lässt hoffen.

Sind Sie eigentlich selbst ein Grüner?

Ich bin ein Württemberger Liberaler. Leider gibt es dafür lange schon keine Partei mehr. Mit einiger Wahrscheinlichkeit hätten Reinhold Maier und Theodor Heuss heute mit einem FDP-Parteiausschlussverfahren zu rechnen. Das beschreibt meine politische Heimatlosigkeit, der ich in meinem Brüsseler EU-Büro noch am ehesten bei den britischen Libs entfliehen kann. Und ein ordentlicher Merkel-CDUler hält mich ohnehin für einen Anarchisten. Nun ja, aber wer sich grün und blau ärgert, Zornesröte noch nicht miteingerechnet, kann schließlich auch von sich behaupten, Farbe in sein Leben gebracht zu haben.

Hatten Sie schon mal sozialdemokratische Kellner?

Hab's mal probiert. Der aber hatte unüberbrückbare Schwierigkeiten, sein Selbstverständnis des Dienens und Bedienens mit meinen Interessen eines Wirts in Einklang zu bringen. Jedem eintretenden Gast wurde zunächst das Du, und gleich danach Freibier angeboten. Die Trennung von ihm lässt mich heute noch finanziell leiden.

Zum Schluss: verwenden Sie lieber grüne oder rote Paprika?

Wenn Sie erlauben, würde ich auf beide gern verzichten. Paprika, ob grün oder rot, ist, wenigstens im Eintopf, so durchdringend. Daneben bleibt kaum mehr Platz für einen verfeinerten Geschmack.

Was halten Sie dann beispielsweise von einem grün-roten Mischsalat?

Wenn schon, dann mit einem goldgelben fruchtigen Olivenöl angemacht. Das wenigstens lässt erahnen, dass das Leben mehr bereithält als oberlehrerhafte Einheitskost.

Wirt und Lobbyist

Berufliches: Manfred Kurz leitet die Repräsentanzen der Würth-Unternehmensgruppe in Berlin und Brüssel. Daneben betreibt der 56-Jährige den Gasthof zum Hirschen in Blaufelden im Kreis Schwäbisch Hall. Den Gasthof erwarb sein Großvater vor 107 Jahren.

Publizistisches: Im Jahr 2002 gab Kurz, ein Spitzenkoch, zusammen mit dem Grünen Rezzo Schlauch das Buch mit dem Titel „Die neue Ess-Klasse“ heraus, das die Regionalküche von Hohenlohe mit grünen Ideen zu nachhaltiger Landwirtschaft und ökologischer Politik verband. Texte und Kochweisheiten für das Buch lieferten auch der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und sein Außenminister Joschka Fischer (Grüne), der für alle Köche den Tipp parat hielt: „Was du tust, das tue besonnen.“