Bundespräsident Joachim Gauck besucht den Krisenstaat Griechenland – eine schwierige Mission. Denn aktuell sind die Beziehungen beider Völker nicht gerade harmonisch. Neben antideutscher Rhetorik erwartet Gauck auch ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte.

Am Mittwochabend trifft Bundespräsident Joachim Gauck zu einem zweitägigen Staatsbesuch in Griechenland ein. Die Visite ist alles andere als Routine. Gauck wird in Griechenland nicht nur mit den dunklen Kapiteln der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Auch aktuell sind die Beziehungen beider Völker nicht gerade harmonisch. Es heißt, der Bundespräsident habe mit seiner Reise nach Griechenland lange gezögert. Das war bei Johannes Rau anders, der im April 2000 Griechenland besuchte. Damals waren Deutsche und Griechen – trotz der Altlasten der Kriegsjahre – richtig gute Freunde. Noch 2005 äußerten in einer Umfrage acht von zehn befragten Griechen eine „gute Meinung“ über Deutschland. Damit waren die Deutschen damals die beliebtesten Ausländer überhaupt.

 

Doch dann kam die Schuldenkrise. Sie hat einen Keil zwischen beide Völker getrieben. Der Euro sollte einen, doch Griechen und Deutsche hat er gespalten. Die Freunde haben sich entfremdet. Heute denken sieben von zehn Griechen negativ über Deutschland. Jeder vierte sieht in Deutschland sogar eine Bedrohung. Das ist die Stimmung, auf die Gauck in Griechenland trifft. Aus griechischer Sicht gibt es zwei Sorten von deutschen Politikern: Männer wie Johannes Rau, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, Helmut Kohl und Gerhard Schröder. Das sind die „Guten“. Aber die sind nicht mehr im Amt oder längst gestorben. Und dann gibt es da amtierende Politiker wie Angela Merkel, Wolfgang Schäuble oder Volker Kauder, der in der Eurokrise stolz feststellte, Europa spreche nun wieder Deutsch. Das sind die „Bösen“.

Die Vergangenheit wird Gauck begleiten

Fast 85 Prozent der Griechen haben eine negative Meinung von der Kanzlerin, deren „Spardiktat“ sie für Armut und Arbeitslosigkeit verantwortlich machen. Gauck rangiert irgendwo zwischen den Guten und den Bösen. Die meisten Griechen kennen ihn noch gar nicht. Dieser Bundespräsident ist für sie ein unbeschriebenes Blatt. Er kann sich, wenn alles gut geht, einen Platz unter den „guten“ deutschen Politikern erobern und dazu beitragen, die verkorksten Beziehungen zu entkrampfen. Darin liegt die große Chance dieses Staatsbesuchs. Mit Protestkundgebungen, wie sie anlässlich des Besuchs der Bundeskanzlerin im Oktober 2012 in Athen stattfanden, muss Gauck nicht rechnen. Die Stimmung in Griechenland hat sich merklich beruhigt. Es gibt kaum noch Streiks und Demonstrationen.

Trotzdem steht Gauck eine schwierige Reise bevor. Ein Besuch eines deutschen Präsidenten in Griechenland sei „ohne den Schatten der Nazibesatzung nicht vorstellbar“, schrieb die Athener Zeitung „Ta Nea“ am Dienstag. Diese Vergangenheit wird Gauck während seines Aufenthalts ständig begleiten, nicht nur beim Besuch in dem nordgriechischen Dorf Ligiades, dem Schauplatz eines Massakers der Wehrmacht. Erst vergangene Woche setzte das griechische Parlament einen Ausschuss ein, der Reparationsforderungen an Deutschland prüfen soll.

Anti-deutsche Rhetorik beim Linkspopulisten Tsipras

Es geht nach griechischer Darstellung um gewaltige Beträge, von 162 Milliarden Euro plus Zinsen ist die Rede. Das wäre mehr als die Hälfte der griechischen Staatsschulden. Als Staatsoberhaupt wird Gauck dazu wenig sagen können. Aber er wird jenen Politiker treffen, dessen Partei das Reparationsthema besonders vorantreibt, Alexis Tsipras, den Vorsitzenden des radikal-linken Bündnisses Syriza, das in den meisten Meinungsumfragen stärkste Partei ist. Der Linkspopulist Tsipras versuchte sich bisher vor allem mit antideutscher Rhetorik zu profilieren. Interessant wird sein, wie er dem Bundespräsidenten begegnet. Bei allem Bewusstsein für die Last der Geschichte möchte Joachim Gauck Zeichen für die Zukunft setzen. Im Akropolis-Museum etwa hält er eine Rede zum Thema „Europa: Erbe und Zukunft“.