Eric Gauthier stimmt mit einem „Holiday Special“ auf die Feiertage ein. Das Programm zeigt nicht nur fünf Lieblingsstücke, sondern erstmals auch das neue Solo „ABC“ nach der Uraufführung in Stuttgart.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Bescherung schon vor Weihnachten? Eric Gauthier macht’s möglich und hat sechs Lieblingsstücke aus dem Repertoire zu einem Feiertags-Programm gepackt. Von Donnerstag bis Sonntag beschenkte das „Holiday Special“ im Theaterhaus Tanzfans mit Gauthier-Hits wie „Orchestra of Wolves“; und für Itzik Galilis Macho-Parodie „The Sofa“, die tatsächlich schon 22 Jahre auf dem Leder hat, aber in Zeiten von Metoo noch mehr Lacher erntet, schnürte der Chef sogar selbst wieder einmal die Tanzschuhe.

 

In Stimmung bringen für die Partys, die kommen, aber auch der Nostalgie Raum geben, die einen am Jahresende zurückblicken lässt und Trauriges nicht ausspart: ein emotionaler Rundumschlag ist der Abend, mit dem Eric Gauthier in bewährter Manier sein Publikum nach zwei Stunden in bester Laune in die Adventsnacht entlässt. Und eine ebensolche Achterbahnfahrt der Gefühle ist das einzige neue Stück auf dem Programm, das Eric Gauthier im Oktober dem dänischen Startänzer Johan Kobborg für eine Gala in Sankt Petersburg auf den Leib choreografiert hatte. Beim „Holiday Special“ tanzt nun Theophilus Veselý das Solo, das in gewisser Weise eine Fortsetzung von Gauthiers Gala-Dauerbrenner „Ballet 101“ ist. Bringen darin 100 Ballettpositionen und –figuren einen Tänzer letztendlich durch das Drehen an der Temposchraube zum Kollabieren, geht es im „ABC“ nicht mehr nur um die Zumutungen der Technik. Dass es den Solisten noch vor dem Z umhaut, hat auch mit dem schonungslosen Blick zu tun, den dieses ABC auf die Anforderungen wirft, mit denen sich heute ein Tänzer konfrontiert sieht, und da wäre unter dem Buchstaben E die Erwartungshaltung des Publikums ein mögliches Stichwort.

Ein Tänzer muss bereit sein für alles

Bereit sein für alles, das muss ein Tänzer heute sein – und so geht es los mit dem englischen Begriff „available“. Von der Avantgarde, da zittern die Hände wie in einem Goecke-Stück, bis zum Danseur Noble geht der Anspruch, dazwischen ist Höchstleistung gefragt. Wer nicht mehr mithalten kann, vermutet eine witzige Geste, greift zur Flasche. Reichlich Stichworte sind vorhanden, damits einer wie der quirlige Veselý seine Pirouetten und Sprünge bestmöglich platzieren kann, aber auch genügend Freiräume, um sich als Mensch zu zeigen. Die Variationsmanie des klassischen Balletts nimmt dieses „ABC“ genauso humorvoll unter die Lupe wie manche Macke der Tänzer. Und so schenkt dieses minutenschnelle Solo mehr Einblicke als ein ganzer Tanzabend.

Von „High Five“ zu den „Grandes Dames“, von „Deuces“ bis zu „Mega Israel“ gräbt diese Feiertagsausgabe auch in der Geschichte von Gauthier Dance. Der Herzschlag macht an diesem Abend die Musik - von Virginie Brunelles sentimentalem „Beating“ bis zu Ohad Naharins poppig-pulsierendem „Minus 16“. Sehr viel mehr Neues präsentiert dann die nächste Premiere im großen Saal: „Out oft he big box“ stellt vom 29. März an nicht nur Tänzer als Choreografen vor, sondern füllt die Bühne auch mit einer Uraufführung von Kevin O’Day.