Die Menschen in Israel und vor allem in Gaza können aufatmen. Nach Tagen blutiger Gewalt fädeln internationale Vermittler einen Waffenstillstand ein. Aber der Teufel steckt im Detail.

Kairo - Waffenruhe in Nahost: Nach acht Tagen schwerer Kämpfe zwischen Israel und militanten Palästinensern im Gazastreifen sollen jetzt die Waffen schweigen. Das kündigte der ägyptische Außenminister Mohammed Kamel Amr am Mittwochabend in Kairo bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Außenministerin Hillary Clinton an. Unmittelbar vor Inkrafttreten der Waffenruhe um 20 Uhr MEZ hatte die Intensität der Kämpfe kurzfristig zugenommen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, er habe der Waffenruhe auf Anraten von US-Präsident Barack Obama zugestimmt.

 

In Tel Aviv hatte es am Vormittag erstmals seit mehr als sechs Jahren wieder einen Bombenanschlag auf einen Stadtbus gegeben und die Hoffnungen auf einen schnellen Frieden zunächst gedämpft. Dabei wurden etwa 20 Menschen verletzt. Insgesamt starben seit Mittwoch vergangener Woche fast 160 Palästinenser und fünf Israelis. Fast 1300 Menschen wurden verletzt.

Nur Hoffnung auf einen eigenen Staat kann Frieden bringen

Mit dem Beginn der Waffenruhe hätte Israel sein unmittelbares Ziel erreicht, ein Ende der Raketenangriffe aus der Enklave zu erreichen. Die im Gazastreifen regierende radikal-islamische Hamas aber verlangt unter anderem ein Ende der seit fünf Jahren andauernden Blockade durch Israel und auch immer noch durch Ägypten. Clinton ging darauf nur indirekt ein. „In den kommenden Tagen werden wir daran arbeiten, die Gewalt in der Region zu beenden und eine Verbesserung der Lebensumstände im Gazastreifen sowie der Sicherheit Israels zu erreichen“, sagte sie. Israel aber ist gegen ein Ende der Blockade, weil dann noch mehr Waffen in das Gebiet gelangen könnten. Aber nur Hoffnung auf einen eigenen Palästinenserstaat und ein Ende Armut könnten Israel den ersehnten langfristigen Frieden bringen.

Die Hamas teilte im Gazastreifen allerdings mit, es sei auch die Öffnung der Grenzübergänge für Personen und Waren schon vereinbart worden. Dies solle 24 Stunden nach Beginn des Waffenstillstands in Kraft treten. Wörtlich heißt es in der Erklärung: Beide Seiten sagen die „Öffnung der Grenzübergänge und die Ermöglichung der des ungehinderten Übergangs von Personen und Waren“ zu. In diesem Punkt dürfte es noch schwierige Verhandlungen geben. Ganz zu schweigen von Verhandlungen über einen eigenen Palästinenserstaat, die seit Jahren auf Eis liegen.

Netanjahu: Waffenruhe eine Chance geben

In den letzten Stunden vor dem Beginn des Waffenstillstands aber gingen die Kampfhandlungen mit unverminderter Härte weiter. Die israelische Luftwaffe bombardierte Schmugglertunnel und Waffenlager, militante Palästinenser beschossen weiter israelische Städte mit Raketen und Mörsern. Im zahlreichen Orten in der Nähe des Gazastreifens heulten die Sirenen des Luftalarms. Eine Sprecherin des israelischen Militärs wollte sich nicht dazu äußern, ob die Angriffe schon vor 20 Uhr MEZ eingestellt würden. Ägypten soll die Waffenruhe überwachen, sagte Amr. „Die Menschen in dieser Region haben das Recht, angstfrei zu leben. Es gibt keine Alternative zu einem umfassenden und gerechten Frieden“, fügte Clinton hinzu.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte in einer ersten Stellungnahme, er wolle der Waffenruhe eine Chance geben. Bei einer Pressekonferenz in Jerusalem drohte der Regierungschef am Mittwochabend gleichzeitig, eine Bodenoffensive im Gazastreifen könnte in Zukunft durchaus noch notwendig werden. Gemeinsam mit den USA wolle man entschieden gegen Waffenschmuggel aus dem Iran in den Gazastreifen vorgehen, betonte er. „Israel kann nicht untätig dasitzen, während Hamas sich aufrüstet.“ Bei einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama habe er „dessen Empfehlung angenommen, dem ägyptischen Vorschlag über eine Waffenruhe zuzustimmen“.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die ausgehandelte Waffenruhe ausdrücklich. „Wenn diese Waffenruhe hält, wäre das eine große Erleichterung für uns alle, aber vor allem für die Menschen in Israel und in Gaza“, sagte Westerwelle nach einer am Mittwochabend vom Auswärtigen Amt verbreiteten Mitteilung. „Alle Seiten stehen jetzt in der Verantwortung, damit aus einer Waffenruhe ein stabiler Waffenstillstand wird.“

Hamas begrüßt Bombenanschlag

Die Feindschaft zwischen beiden Seiten sitzt tief. Die Hamas propagiert den bewaffneten Kampf gegen Israel, dem sie das Existenzrecht abspricht. Den Bombenanschlag in Tel Aviv begrüßte sie. „Wir gratulieren unserem Volk zu dieser heldenhaften Tat“, hieß es in einer Mitteilung, die über die Lautsprecher von Moscheen im Gazastreifen verlesen wurde. Es handele sich um eine „natürliche Reaktion“ auf die Tötung von Zivilisten durch die israelische Luftwaffe, hieß es im Hamas-Fernsehsender.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den Anschlag „auf das Schärfste“. Er sei schockiert und traurig, sagte Ban nach einer in New York verbreiteten Mitteilung. „Kein Umstand rechtfertigt es, Zivilisten ins Visier zu nehmen.“ Auch Ban hatte sich um ein Ende der Gewalt bemüht und hatte in den vergangenen Tagen Gespräche in Ägypten, Israel und dem Westjordanland geführt.

Der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani bestätigte am Mittwoch zum ersten Mal, dass sein Land der Hamas militärische Hilfe leiste und darauf „stolz“ sei. „Die arabischen Länder veranstalten Konferenzen und reden nur, aber sie müssen wissen, dass die Palästinenser dies nicht brauchen. (...) Wir sind daher stolz zu verkünden, dass unsere Hilfe für Hamas finanziell und militärisch ist“, sagte Laridschani nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars.