Nach neunmonatigem Umbau wird am Samstag das Gazi-Stadion mit der neuen Haupttribüne wieder in Betrieb genommen. Die Modernisierung hat ihren Preis.

Stuttgart - Das Gazi-Stadion auf der Waldau wird Samstag mit dem Spitzenspiel der 3. Liga zwischen den Stuttgarter Kickers und Arminia Bielefeld nach nur neunmonatigem Umbau frei gegeben. OB Fritz Kuhn übergibt Kickers-Präsident Rainer Lorz symbolisch einen Ball auf dem – dank Heizung – grünen Rasen. Auf Degerlochs Höhen hatte dieses Bild in der kalten Jahreszeit seither Seltenheitswert.

 

Sportbürgermeister Susanne Eisenmann (CDU) schwärmt von einem „Schmuckkästchen“. Die nun von Eckfahne zu Eckfahne reichende Haupttribüne verleiht dem Stadion eine andere Geometrie und womöglich auch eine bessere Atmosphäre. 2270 blaue Sitzplätze – einige Hundert weich gepolstert – gibt es auf der Haupttribüne. In deren Bauch ist alles großzügiger als bisher: das gilt für die Funktionsräume wie für die zeitgemäße Business-Loge mit 350 Sitz- und 100 Stehplätzen, die von der Red Jan GmbH betrieben wird. Die Gastronomen aus der City (Schräglage) werden am Samstag mit 120 Mitarbeitern den Ansturm auf die Büfetts und Theken bewältigen. Vorsicht: die Currywurst ist eine Maultasche.

Der Umbau der Haupttribüne kostet etwa 13 Millionen Euro, die kleine Ausführung des Zentralen Platzes hinter dem Neubau 520 000 und die Rasenheizung etwa 875 000 Euro. Die für den Zentralen Platz entfallende Sportfläche des SV Eintracht wurde an anderer Stelle für 790 000 Euro ersetzt.

Der Weg der Kickers – eine Achterbahnfahrt

Die neue Attraktivität hat ihren Preis: Die Kickers und der VfB II bezahlen pro Spieltag künftig eine Miete von zehn Prozent der Ticketnettoeinnahmen, bisher waren es 7,5 Prozent. Darüber hinaus erheben die Fußballclubs und auch die Footballer der Scorpions von der kommenden Saison an einen Stadiongroschen zur Refinanzierung der neuen Tribüne von 50 Cent pro Stehplatz und einem Euro pro Sitzplatz. Weitere 50 Cent wird den Fans für die Rasenheizung abverlangt. Deren Betriebskosten werden auf etwa 120 000 Euro jährlich geschätzt. Kickers und VfB beteiligen sich daran zu je einem Viertel.

Die Vermarktungsrechte für ihre Veranstaltungen liegen bei den Vereinen. Dafür müssen sie je 20 000 Euro an die Stadt bezahlen. Auch für die Weitergabe der Rechte an der Vermarktung gastronomischer Einrichtungen bekommt die Stadt einen Teil.

Der Weg der Kickers in den vergangenen 30 Jahren gleicht einer Achterbahnfahrt. Und das Waldau-Stadion war der stets unzureichend ausgestattete Freizeitpark, mit dem weder Staat noch richtig Geld zu machen war, weshalb die „Blauen“ chronisch arm waren und lange auf ihren Mäzen Axel Dünnwald-Metzler (ADM) vertrauten. Legendär ist dessen Antwort auf die Frage, wie man Millionär werde: „Wenn man als Multimillionär Kickers-Präsident wird.“

Steht schon die nächste Nachrüstung an?

1988, die Kickers waren nach nur einem Jahr aus der 1. Bundesliga – und einer Saison im Neckarstadion – abgestiegen, half nur noch der Notverkauf des Stadions an die Stadt, die 2004 dann auch noch für weniger als zwei Millionen Euro den benachbarten ADM-Sportpark übernehmen musste. 1992 kehrten die Blauen nach einem zweiten Intermezzo in Liga eins auf die Waldau zurück und murrten über den Zustand der Sportstätte. Der Rasen sei in sehr gutem Zustand, bestätigte ADM – „auch auf den Stehrängen“. Man habe das Waldau-Stadion in einem desolaten Zustand übernommen und seitdem 1,5 Millionen Mark investiert, konterte Sportamtsleiter Herbert Aupperle. In seiner Schublade lagen damals schon Ausbaupläne, die schnell obsolet wurden: die Kickers stiegen 1994 in die Regionalliga ab.

1996 beschloss der Gemeinderat eine Sanierung für etwa 2,5 Millionen Euro, um das Stadion fit für die 2. Liga zu machen. Es  gab Flutlicht, die Gegentribüne wurde überdacht und die Stehtribünen hinter den Toren erneuert. Die Finanzierung wurde zum Fiasko: die Kickers sollten einen Umbauanteil von rund 1,7 Millionen Euro mit einem Darlehen stemmen, für das jährlich 153 387 Euro Zins und Tilgung zu leisten waren. Das ging zwei Jahre lang durch; nach dem neuerlichen Abstieg in die Regionalliga war bei den Kickers nichts mehr zu holen – bis heute, weshalb die Stadt dem Verein die Restzahlung von 883 000 Euro erlassen hat. Über die bis 2014 aufgelaufenen Schuldzinsen in ähnlicher Höhe wird im Rathaus der Mantel des Schweigens gebreitet. Hilfreich war in den schweren Zeiten stets das Engagement der Stuttgarter Firma Garmo (Gazi), die fürs Namensrecht schon zweimal je eine Million Euro entrichtet hat, die zum größten Teil die Stadt kassierte. 2008 hatten sich sowohl die Kickers wie die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart für die 3. Liga qualifiziert, wofür das Waldau-Stadion ganz schnell 1000 Einzelsitze auf der Haupttribüne und eine provisorische Polizeiwache im Container erhielt, die Fans von Dynamo Dresden „einweihten“. Die größere Sanierung im Umfang von sieben Millionen Euro schenkte man sich – der Stadt ging’s schlecht, den Kickers bald noch schlechter. Der neuerliche Abstieg in die Regionalliga machte den umfangreichen Umbau obsolet.

Erst die Rückkehr in den Profifußball, der für den DFB in der 3. Liga beginnt, veranlasste den Gemeinderat, sich zwischen einer Tribünensanierung und einem Neubau zu entscheiden. Die Stadträte gingen in die Vollen: ein Ja zum Neubau und zur Rasenheizung. Möglicherweise muss man sich bald erneut Gedanken für eine Nachrüstung machen: In der zweiten Liga werden 15 000 Zuschauerplätze gefordert. Im Artikel 67 der DFL-Richtlinien sind allerdings „Befreiungen“ vorgesehen, sofern sie keinen gesetzlichen Vorschriften oder behördlichen Anordnungen entgegenstehen.