Der Gewerkschaftschef Claus Weselsky scheut keine Konfrontation. Zu Beginn des achten Ausstands seiner Lokführer kommt er – lange geplant – nach Tübingen, um gemeinsam mit namhaften Juristen das geplante Gesetz zur Tarifeinheit aufs Korn zu nehmen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Tübingen - GDL-Chef Claus Weselsky hat offenbar gute Nerven. Seit Monaten geplant, nahm er am Dienstagabend an einer Podiumsdiskussion der Universität Tübingen teil – am ersten Tag des bisher längsten Bahnstreiks. Der achte Ausstand dieses Konflikts in Fern- und Güterzügen, in Regional- und S-Bahnen soll noch bis Sonntagmorgen um neun Uhr durchgezogen werden. Wie so oft in prächtiger Stimmung ob der großen Aufmerksamkeit wies Weselsky die Verantwortung für die Eskalation erneut dem Arbeitgeber zu. Seine Lokführergewerkschaft, versicherte er, sei wie auch die Pilotenvereinigung Cockpit zum Arbeitskampf „provoziert“ worden, um als Begründung für das geplante Tarifeinheitsgesetz herzuhalten. Damit solle der Eindruck erweckt werden: ein Arbeitskampf sei unanständig und in der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht zulässig.

 

Schlichtung nur unter Bedingungen

Nach Tübingen war Weselsky im Auto gekommen. „Es gibt alternative Verkehrsmittel“, scherzte er. Zuvor hatte sein Tarifgegner die Absicht erkennen lassen, auf die streikenden Lokführer zugehen zu wollen. Bahn-Chef Rüdiger Grube kündigte in der „Bild“ an, er wolle am Mittwoch mit Personalvorstand Ulrich Weber einen „Vorschlag zur Befriedung der Lage“ unterbreiten. Weselsky reagierte verhalten. Einer Vermittlung zeigte er sich aufgeschlossen, allerdings unter Bedingungen: „Mit uns geht eine Schlichtung nur über konkrete Sachverhalte, wenn man schriftlich fixiert, was uns vorher zugesagt wurde“, sagte er. Dazu sei die Bahn nicht bereit. „Sie will keinen Tarifvertrag mehr mit uns abschließen.“ Pro Tag befinden sich derzeit rund 3000 Lokführer im Streik. Etwa 40 von ihnen aus dem Südwesten hatten Weselsky vor der Veranstaltung den Rücken gestärkt und sich vielfach mit ihm ablichten lassen – wie mit einem Star. „Das gibt ungeheure Kraft“, bedankte sich der Streikführer.

Im Zentrum der Podiumsdiskussion in Tübingen sollte eigentlich das Tarifeinheitsgesetz stehen. Der renommierte Passauer Arbeitsrechtler Frank Bayreuther bemängelte zahlreiche Mängel an diesem Vorhaben. Bezüglich der Bewertung von Arbeitskämpfen werde die Hauptverantwortung den Arbeitsgerichten zugeschoben, weil die große Koalition „sich nicht traut“. Der Tübinger Lehrstuhlinhaber Hermann Reichold sprach von einer „verfassungsrechtlich zumindest fragwürdigen Materie“ aus Sicht der Mehrheit der Arbeitsrechtler. Der Stuttgarter Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer nannte den Gesetzentwurf, der bald im Bundestag verabschiedet wird, „handwerklich nicht perfekt“. Doch solle das Gesetz nach dem Inkrafttreten im Juli erst einmal „leben“ können, hofft er. Weselsky warnte hingegen: „Führen Sie uns nicht in Versuchung.“ Das Gesetz werde die GDL dazu zwingen, den Organisationsbereich auf weitere Berufsgruppen der Bahn auszuweiten – „nur um zu überleben“.