Ein neuer Test zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs soll wohl schon nächstes Jahr Teil der regulären Vorsorge werden. Ob der Test auf Viren besser funktioniert als der herkömmliche Abstrich, ist allerdings noch nicht eindeutig belegt. Gynäkologen fürchten, er könne durch falschen Alarm Frauen erschrecken.

Stuttgart - Für viele Frauen ist er längst zur Routine geworden: der jährliche Abstrich beim Frauenarzt. Bei dieser Pap-Test genannten Untersuchung, benannt nach dem griechischen Arzt George Papanicolaou, wird geprüft, ob die Zellen des Gebärmutterhalses Anzeichen einer Krebserkrankung aufweisen. Unter Gynäkologen gilt die Einführung des Pap-Tests vor 43 Jahren als ein großer Erfolg: „Seit Beginn des Screenings Anfang der Siebzigerjahre ist in Deutschland die Zahl der Frauen, die an Gebärmutterhalskrebs erkranken, um 75 Prozent gesunken“, sagt der Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF), Christian Albring. „Unter den Frauen, die jedes Jahr an der Früherkennung teilnehmen, verzeichnet man sogar einen Rückgang um 90 Prozent.“

 

Geht es nach dem Willen der Krankenkassen, wird der Pap-Test bei Frauen zwischen 35 und 60 Jahren künftig dennoch durch eine andere Untersuchung ersetzt: Bei dem sogenannten HPV-Test soll im Fünfjahresabstand geprüft werden, ob sich im Scheidenbereich Humane Papillomviren, kurz HPV, aufspüren lassen. Denn nahezu alle Fälle von Gebärmutterhalskrebs werden durch diese winzigen Erreger verursacht. „Es gibt Hinweise, dass der HPV-Test sensitiver als der Pap-Test ist, Vorstufen von Krebs also sicherer als dieser erkennt“, sagt Ursula Marschall von der Barmer GEK, eine der ersten großen Krankenkassen, die sich öffentlich für den HPV-Test starkgemacht haben.

Auch der GKV-Spitzenverband, der zentrale Interessenvertreter der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, spricht sich für einen Wechsel der Früherkennungsmethode aus: „Die Krankenkassen präferieren einen HPV-Test, weil er als Screening-Verfahren einfacher und zuverlässiger ist“, sagt die Verbandssprecherin Ann Marini.

Beweise fehlen

BVF-Präsident Albring fehlen für eine solche Aussage die Beweise. „Es gibt bislang keine Belege dafür, dass mit dem HPV-Test mehr Tumore und echte Krebsvorstufen aufgespürt werden als mit dem bisherigen Verfahren“, sagt er. Albring bezieht sich dabei auf eine Analyse des unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) – diese wird allerdings erstaunlicherweise auch von den Krankenkassen für deren Argumentation herangezogen.

Im Juni 2014 hatte das Institut nach einer Analyse von fünf großen Studien einen Bericht veröffentlicht, in dem unter anderem Folgendes zu lesen ist: „Das IQWiG sieht nach wie vor Hinweise, dass mit Hilfe des Tests Vorstufen des Gebärmutterhalskrebses früher erkannt und behandelt werden können und Tumore in der Folge seltener auftreten.“ Eine Empfehlung für eine bestimmte Screening-Methode will das Institut allerdings nicht aussprechen. Dazu seien die in den Studien eingesetzten Strategien zu unterschiedlich, heißt es.

Wieviel Tumore spüren die Tests wirklich auf?

„Hinweise sind keine Belege“, kommentiert Albring den IQWiG-Bericht. Zudem habe sich in der Analyse herausgestellt, dass der HPV-Test vor allem sehr frühe Anzeichen einer Zellentartung anzeige, die in aller Regel von selbst wieder ausheilten (siehe Grafik). „Wir Ärzte aber sind insbesondere an den echten Krebsvorstufen und Tumoren interessiert – auch um die Frauen nicht unnötig zu beunruhigen“, sagt der Gynäkologe. An einem möglichen Wechsel des Screening-Verfahrens bemängelt Albring darüber hinaus zwei weitere Dinge. „Die HPV-Diagnostik wurde bisher nur in straff organisierten Studien überprüft“, sagt er. „In ihnen fehlt jedoch die Gruppe der Nicht-Teilnehmerinnen, die – wie Ergebnisse aus der Praxis zeigen – etwa doppelt so oft an Gebärmutterhalskrebs erkranken wie Frauen, die regelmäßig zur Vorsorge gehen.“ Zudem mehren sich Albring zufolge in jüngster Zeit Berichte, dass der HPV-Test bis zu 20 Prozent aller bösartigen Tumore des Gebärmutterhalses gar nicht aufspürt – zum Beispiel all jene, die aus umliegenden Geweben in den Gebärmutterhals hineingewachsen und folglich auch nicht durch Papillomviren ausgelöst worden sind.

Kosten einsparen lassen sich mit einem Wechsel zum HPV-Test aller Voraussicht nach ebenfalls nicht. „Für die Früherkennungsuntersuchungen bezahlen die Krankenkassen derzeit jährlich etwa 380 Millionen Euro“, sagt Ursula Marschall von der Barmer GEK. „Ein rein auf dem HPV-Test basierendes Screening würde mit rund 436 Millionen Euro zu Buche schlagen.“ Denn der HPV-Test ist mit etwa 35 Euro deutlich teurer als die Zelldiagnostik, die nur rund 7 Euro kostet und zurzeit von etwa 75 Prozent aller Frauen mindestens einmal innerhalb von drei Jahren in Anspruch genommen wird.

Frauen sollen selbst entscheiden

Allen möglichen Nachteilen zum Trotz sollen Frauen zwischen 35 und 60 Jahren vermutlich bereits vom kommenden Jahr an selbst entscheiden, ob sie anstelle des jährlichen Abstrichs alle fünf Jahre einen HPV-Test vornehmen lassen wollen. Frauen zwischen 20 und 35 Jahren soll der Test hingegen nicht angeboten werden. Denn in dieser Altersgruppe sind Infektionen mit Papillomviren so häufig, dass der HPV-Test wenig Aussagekraft hätte. Zudem kann das Immunsystem vor allem in jungen Jahren die Erreger fast immer schnell wieder eliminieren – noch bevor die Viren Schaden anrichten können.

Wie genau der geplante Wechsel der Screening-Methode ablaufen soll, wird derzeit im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem obersten Beschlussgremium der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen, diskutiert. „Die Beratungen sind noch nicht abgeschlossen“, sagt Harald Deisler, der Vorsitzende des zuständigen Unterausschusses Methodenbewertung. „In der Gesamtschau von Studienergebnissen und internationalen Empfehlungen hält der G-BA die Implementierung eines HPV-Tests im Screening aber für sinnvoll.“ Zudem plant der G-BA, in den kommenden Jahren ausführliche Daten zu Erkrankungsfällen und Sterblichkeit zu erheben. „Werden dabei Hinweise gewonnen, dass eine der beiden Screening-Strategien überlegen ist, wird den Frauen künftig nur noch diese angeboten“, sagt Deisler.

Evaluierung der Strategien ist wichtig

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) trägt die Entscheidung des G-BA zur Wahlmöglichkeit der Frauen zwar mit. „Grundsätzlich ist allerdings festzustellen, dass das bestehende Früherkennungsprogramm bei Gebärmutterhalskrebs hocheffektiv ist“, sagt der Sprecher der KBV, Roland Stahl. „Momentan ist noch nicht klar, ob der HPV-Test einen höheren Nutzen aufweisen kann“, sagt Stahl. Deshalb sei es enorm wichtig, dass die Screening-Strategien genau evaluiert werden.

„Wenn die Datenlage es hergibt, werden wir Ärzte die Letzten sein, die sich einem Wechsel zum HPV-Test in den Weg stellen werden“, sagt auch Kritiker Christian Albring. „Bis es so weit ist, sollten wir unsere Bemühungen aber lieber darauf konzentrieren, all jene Frauen zu erreichen, die bislang noch gar nicht zur Vorsorge gehen.“

Impfung gegen Krebs-Viren

Kosten
Seit dem Jahr 2006 ist eine Impfung gegen HPV erhältlich, die die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts für alle Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren empfiehlt. Die Krankenkassen übernehmen für diese Altersgruppe die Kosten.

Impfstoffe Zwei Impfstoffe sind derzeit auf dem Markt, die beide gegen zwei Krebs auslösende Virustypen – HPV 16 und 18 – gerichtet sind. Zusammen verursachen diese Hochrisikotypen etwa 70 Prozent aller Tumore des Gebärmutterhalses. Die Impfung wirkt somit nicht gegen alle gefährlichen HPV-Varianten. Auch geimpfte Frauen sollten also die Früherkennung in Anspruch nehmen.