Das stadtbildprägende Gebäude Daimlerstraße 100 bleibt erhalten. Doch die gewünschte Sanierung hat ihre Tücken: Die Gewerbenutzung muss ebenso bleiben wie der Zuschnitt der Wohnungen.

Bad Cannstatt - Es waren üble Fotos, die Stadtplaner Roland Bornemann den Mitgliedern des Bezirksbeirats vom Inneren des Gebäudeensembles Daimlerstraße 100/Veielbrunnenweg 23,25 präsentierte: Fast in jedem Zimmer Schimmel, kaputte Türrahmen und vom Wandverputz ist nicht mehr viel zu erkennen. Ein Teil der Decke ist sogar heruntergebrochen. Eigentlich unvorstellbar, dass in den Wohnungen bis 2016 noch Menschen lebten. „Die Gebäude wurden erst Anfang 2017 frei“, bestätigte Roland Bornemann.

 

Zumindest das stadtteilprägende, aber marode Gebäude Daimlerstraße 100 soll erhalten werden. Zu diesem Ergebnis kam ein Gutachten des Büros ORplan, das die Stadtverwaltung Anfang des Jahres in Auftrag gegeben hatte. Der Veielbrunnenweg 23/25 ist dagegen nicht zu retten, was bereits im Juni Baubürgermeister Peter Pätzold betont hatte: „Angesichts des desolaten Zustands macht eine Sanierung keinen Sinn, da sie viel zu teuer ist“.

Einige Tage zuvor standen die Gebäude in den Schlagzeilen. Rund 100 Menschen hatten die Daimlerstraße 100 besetzt und protestierten gegen die Stadtverwaltung, die ihrer Meinung nach die Häuser hat herunterkommen lassen. Skandalös, angesichts von Wohnungsnot und Mietwucher. Der Baubürgermeister hatte damals versprochen, eine entsprechenden Vorlage erarbeiten zu lassen, in der das weitere Vorgehen mit dem Gebäudeensemble geklärt werden soll. Ziel war, die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebau GmbH mit ins Boot zu holen. Das städtische Tochterunternehmen soll als Sanierer und Planer, auch für die angrenzenden Flächen der Stuttgarter Straßenbahnen AG, fungieren.

Vorlage sorgt für lange Gesichter

Mittlerweile liegt das Papier vor und sorgte – zumindest in Teilen – im Bezirksbeirat für lange Gesichter. Denn was bisher bei der Debatte um Abriss, Sanierung und Neubau nicht offenkundig wurde: Angesichts der Lage in Nachbarschaft zu einem Gewerbegebiet (SSB-Depot), können die Flächen – Stichwort Lärmschutz – nach dem geplanten Abriss des Gebäudes Veielbrunnenweg 23/25 nicht mit Wohnungen bebaut werden. Jedenfalls nicht sofort. „Denn dafür müsste zuerst der rechtsgültige Bebaungsplan geändert werden“, so Roland Bornemann. Und das dauert bekanntermaßen sehr lange.

Doch das sei nicht das einzige Problem. Denn auch die gewünschte Sanierung des Gebäudes Daimlerstraße 100 habe Tücken. Denn um keinen Ärger mit dem Baurechtsamt zu bekommen, könne auch in diesem Haus am Wohnungszuschnitt und an der Art der Nutzung – das Erdgeschoss ist für Gewerbe vorgesehen – keine Veränderungen vorgenommen werden.

Ärgerlich vor allem für die Grünen, die ihren Antrag wieder zurückziehen mussten. Denn Peter Mielert hätte sich in diesem Gebäude nach einem entsprechenden Umbau sehr gut moderne Gemeinschaftswohnformen, etwa für Studenten, vorstellen können.

SWSG will Sanierungsplan erstellen

Auch Roland Schmid (CDU) zeigte sich von den städtebaulichen Perspektiven, insbesondere was den Veielbrunnenweg angeht, enttäuscht. Zumal Oliver Maier, bei der SSB für Liegenschaften zuständig, dem Bürgergremium mitteilte, dass deren Betriebsgelände auf absehbare Zeit nicht frei werde. „Es wird nach wie vor für die historische Straßenbahn benötigt“, so Maier. Zudem sei hier für die kommenden fünf Jahre der Betriebshof für die Fahrzeuge der Schnellbuslinie angesiedelt. Ein gemeinsames Nutzungskonzept für Wohnungsbau für die dortigen Flächen wird es folglich keines geben, zumal die SSB auch kein Interesse daran zeigt, das Gelände von der Stadt zu erwerben und dort Betriebswohnungen zu bauen. Das sei, so Stadtplaner Bornemann, laut Bebaungsplan wiederum möglich.

Ein Trostpflaster ist die Tatsache, dass die Stadt das stadtteilprägende Gebäude Daimlerstraße 100 erhält. Das Büro ORplan schätzt eine Komplettsanierung vom Keller bis zum Dach auf etwa 1,2 Millionen Euro. Ein Betrag, der jedoch von der SWSG-Geschäftsführung angezweifelt wird. Die städtische Tochter will deshalb noch einmal ihre eigenen Experten in die maroden Gebäude schicken und dann einen Sanierungsplan erstellen.

Am 26. Oktober berät sich der Wirtschaftsausschuss, eh der Ausschuss für Umwelt und Technik am 6. November einen Beschluss fassen möchte. Der Vorlage stimmte der Bezirksbeirat allerdings nur zu, wenn die Stadt das Grundstück nicht an die SWSG verkauft, sondern es ihrer Tochter im Erbbaurecht überlässt.