Die Stadtbibliothek verlangt seit dem Jahreswechsel Transportgebühren. Unsere Redakteurin Andrea Jenewein findet, dass angesichts der vollen Kassen der finanzielle Gewinn weniger bedeutsam ist als der ideelle.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Es gibt ein paar Sachen, über die ist sich der Zeitgeist einig. Zwei solche Wahrheiten kann man runterbrechen auf die Formel: Bücher sind gut, Feinstaub ist böse.

 

Eine halbe Millionen Medien werden jährlich von der Bibliothek transportiert

Was die beiden Dinge miteinander zu tun haben? Nun, Bücher bewegen nicht nur die Gemüter, sondern sie müssen auch bewegt werden: Der Bibliotheksnutzer kann in Stuttgart seine Bücher etwa in der Stadtbibliothek in Mitte ausleihen und in seiner jeweiligen Stadtteilbibliothek zurückgeben. Eine halbe Millionen Medien werden jährlich von der Bibliothek zurücktransportiert – bisher kostenfrei.

Aber wo Bücher bewegt werden, da rollt auch der Rubel. Das dachte sich zumindest die Stadtverwaltung – und nun wird seit dem Jahreswechsel 1 Euro Transportgebühr pro Medium verlangt.

Noch mehr Staus und noch mehr Feinstaub

Ein legitimes Ansinnen, mag man zunächst denken. Doch angesichts voller Kassen ist der finanzielle Gewinn, den man aus diesem Beschluss hat, weniger bedeutsam als der ideelle Verlust, den man bewusst in Kauf nimmt: Denn wen trifft diese Gebühr am stärksten? Familien mit Kindern und Studenten. Familien, die etwa in Botnang wohnen, ihren Kindern aber auch ab und an den großen Bücherwürfel mit seinem tollen Angebot zeigen wollen, müssen künftig die Bücherberge auch dort wieder abgeben – oder hohe Transportkosten zahlen. Die Folgen: Entweder werden die Familien aus den Stadtteilen den Büchereiturm in Mitte meiden – der dann für sie zum fernen Elfenbeinturm wird –, oder aber der Haufen an Büchern wird oftmals ins Auto geladen und in die Stadt gekarrt. Das bedeutet: Noch mehr Staus und noch mehr Feinstaub.

Bekundungen, den Beschluss wieder zu ändern, sollen sich nicht in schlechte Luft auflösen

Es ist gut, dass einige Stadträte erkannt haben, dass der Beschluss ein Fehler war. Bleibt zu hoffen, dass die Bekundungen, ihn zu ändern, sich bis zu den nächsten Haushaltsverhandlungen nicht in schlechte Luft aufgelöst haben.

andrea.jenewein@stzn.de