Für die Hebammen vom Geburtshaus Mitte kommt es nicht in Frage, den Hebammenkreißsaal des Klinikums zu nutzen, wie es Fritz Kuhn vorgeschlagen hat. Sie haben nun einen zweiten offenen Brief an den OB verfasst.

Stuttgart - Gut gemeint, hilft uns aber nicht weiter“ – so fasst Ruth Hofmeister vom Geburtshaus Mitte die Haltung der Hebammen zur Antwort von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) auf ihren offenen Brief zusammen. Dem Geburtshaus droht von Sommer an das Aus, weil das Team seit Monaten unterbesetzt ist. Zwei Kolleginnen müssten gefunden werden. Die hohen Haftpflichtkosten macht die Suche jedoch schwer.

 

Wie berichtet hatte der OB den Hebammen angeboten, dass sie die Frauen in Zukunft zur Geburt in den Hebammenkreißsaal der Frauenklinik des städtischen Klinikums begleiten. Die Nutzung des Kreißsaals wäre für die niedergelassenen Hebammen kostenfrei. Da die fachliche und organisatorische Leitung in den Händen einer Klinikhebamme liege, sei für die Geburtshaushebamme keine Haftpflichtversicherung nötig, die die Geburtshilfe abdeckt, so Kuhn in dem Brief.

Bei der Haftpflichtfrage verwies der Oberbürgermeister zudem auf den Bund. „Wir Kommunen können nicht die Aufgaben des Bundes erledigen“, heißt es in seinem Schreiben. Die Absicherung über einen städtischen Haftpflicht-Pool – was sich die Hebammen wünschen würden – könne nicht erfolgen. Er habe in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) um eine schnelle und umfassende Lösung für die freiberuflichen Hebammen gebeten.

Haftpflicht ist immer notwendig

Die Hebammen haben Kuhn nun erneut einem offenen Brief geschrieben. Darin danken sie dem OB für die ausführliche Antwort und würdigen den Brief an Gröhe, bezeichnen aber den Vorschlag mit dem Hebammenkreißsaal als „schlichtweg unzumutbar – und zwar für alle Beteiligten“. Es könne sich nicht um einen ernst gemeinten Vorschlag handeln. „Die Frauen, die im Geburtshaus entbinden, wollen gerade nicht in eine Klinik“, betont Ruth Hofmeister. Sie wünschten sich eine häusliche Atmosphäre. Außerdem dürften Hebammen nie ohne Haftpflicht bei einer Geburt anwesend sein. „Selbst wenn wir nur als Freundin dabei wären, wir bleiben rechtlich immer Hebammen und können immer belangt werden“, erklärt sie. Deshalb müssten sie auch bei einer begleiteten Geburt im Kreißsaal haftpflichtversichert sein.

In ihrem Brief vom Donnerstag weisen die Hebammen zudem darauf hin, dass die Kolleginnen im Klinikum „am Rande ihrer Kapazitäten“ arbeiten würden. Deshalb könnten sie sich nicht vorstellen, dass diese den Vorschlag befürworteten. Die Frauen vom Geburtshaus fordern „eine andere Lösung, wenn es in Stuttgart weiterhin ein umfassendes Angebot für Schwangere und junge Familien geben soll“.

Erneut bitten die Hebammen in ihrem Brief den OB, über ein „Stuttgarter Modell“ nachzudenken, das es attraktiver für Hebammen machen würde, in der teuren Landeshauptstadt zu arbeiten.

Geburtshelferinnen sind von Kuhn enttäuscht

Die Geburtshelferinnen sind Ruth Hofmeister zufolge „enttäuscht“, dass Vorschläge, wie der Parkausweis, der erhöhte Hausgeburtenzuschuss und der Gründungszuschuss, vom OB nicht aufgegriffen wurden. Selbstständige Hebammen könnten „alle Förderinstrumente“ nutzen, die „Gründungswilligen und Start-up-Unternehmen angeboten werden“, hatte Kuhn in seinem Brief geschrieben. Dagegen wendet Ruth Hofmeister ein, dass beispielsweise der Existenzgründungszuschuss der Agentur für Arbeit Hebammen nicht gewährt werde. Sie wisse von zwei Hebammen, die ihn nicht bekommen hätten – Begründung: sie könnten in der Klinik arbeiten und müssten nicht freiberuflich tätig sein.

Inzwischen hat das Team vom Geburtshaus Mitte beschlossen, zumindest in den Monaten August bis Oktober keine außerklinische Geburtshilfe mehr anzubieten. Bis dahin hoffen sie, zwei frisch ausgebildete Kolleginnen gewinnen zu können, um wieder starten zu können.

Gruppenhaftpflicht steht von Juli 2015 an auf der Kippe

Hintergrund
Es existiert nur ein Versicherungskonsortium in Deutschland, das die Gruppenhaftpflicht für Hebammen anbietet, bestehend aus drei Versicherungen. Weil die Nürnberger Versicherung angekündigt hat, im Juli 2015 auszusteigen, ist das Paket in Gefahr. Die beiden anderen Versicherungen sind die Versicherungskammer Bayern und die R+V-Versicherung.

Steigerung
Die Beiträge für die Haftpflichtversicherung für Hebammen sind seit Jahren gestiegen. Laut dem Deutschen Hebammenverband betrug der Betrag für die Geburtshilfe 2003 noch 453 Euro im Jahr, 2013 waren es 4242 Euro. Zum Juli sollen die Beiträge auf 5091 Euro steigen. Wer nur Vorsorge und Wochenbettbetreuung anbietet, soll von Juli an 435,54 Euro für die Versicherung zahlen. Wegen der hohen Haftpflichtkosten in der Geburtshilfe, gibt es in Deutschland nur noch wenige Hebammen, die Hausgeburten anbieten.