Vom RAF-Anwalt zum „Law-and-order“-Mann der SPD: Otto Schily hat in seinen Lebensjahren einen einzigartigen politischen Wandel vollzogen. Am Freitag wird er 80 Jahre alt.

Siena - Bei Otto Schily stellt sich noch immer die Frage, welche Überzeugungen hinter dem standen, was er tat und sagte. Wir wissen bis heute nicht, wie viel er von den politischen Zielsetzungen seiner Mandantin Gudrun Ensslin teilte, die er in Stammheim engagiert verteidigte. Auch kann man sich nur schwer vorstellen, dass er das Programm der Grünen verinnerlicht hätte, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte. Auch in der SPD, zu der er übertrat, wurde er mit Skepsis betrachtet. Seine konservative Linie als Innenminister verteidigte er mit dem Argument, dahinter verberge sich eine linksliberale Politik, die er in Wahrheit verfolge.

 

Otto Schily, in Bochum geboren, stammt aus einer großbürgerlichen Familie. Zu seinen prägenden Erinnerungen gehört, dass die Nationalsozialisten im Haus seiner anthroposophisch orientierten Eltern Bücher beschlagnahmten. Eigentlich wollte er Journalist werden, studierte dann aber Rechtswissenschaften in München und Hamburg. Zunächst an den liberal-bürgerlichen Vorstellungen seiner Vorbilder Gustav Heinemann und Adolf Arndt orientiert, kam der junge Anwalt in Berlin mit der Linken um Rudi Dutschke und Rechtsanwalt Horst Mahler in Kontakt.

Mahler betraute den unbekannten Kollegen mit einem Nebenmandat und beauftragte ihn mit seiner Verteidigung, als er selber angeklagt wurde. Das war Schilys Stunde. Er erwies sich als ein exzellenter Kenner der Strafprozessordnung, und es gelang ihm, sogar den Verleger Axel Springer als Zeugen zu laden. Das brachte in der Sache wenig, machte Schily aber populär.

Vom RAF-Anwalt zum „Law-and-order“-Mann der SPD

Als Ensslin-Verteidiger im Stammheimer Prozess war er die herausragende Figur, die sich nicht scheute, die Amerikaner in Vietnam mit der SS im Warschauer Ghetto zu vergleichen. Aber er war der einzige Anwalt, der nicht entpflichtet wurde. Stammheim war für Schily das Sprungbrett zur Politik. Er wurde Gründungsmitglied der Grünen, geriet aber mit den „Fundamentalisten“ in Konflikt, als er sich für die strikte Beachtung des staatlichen Gewaltmonopols aussprach. Er wechselte zur SPD und war dort für Innen- und Rechtspolitik verantwortlich.

Gerhard Schröder berief ihn 1998 als Innenminister. Bald sagte man ihm nach, er sei die verkörperte Staatsraison. So ließ er wegen Geheimnisbruchs im BKA die Wohnung eines „Cicero“-Mitarbeiters auf den Kopf stellen und 15 Kisten mit Unterlagen beschlagnahmen. „Das betrifft doch nur ein paar Hansel“, verteidigte er seine Attacke auf die Pressefreiheit.

Mit der Bildung der Großen Koalition 2005 verlor Schily sein Amt. Einen neuen Ministerposten gestand ihm der SPD-Obere Franz Müntefering nicht zu. Danach verlief Schilys Karriere vom RAF-Anwalt über den grünen Real-Politiker zum „Law-and-order“-Mann der SPD in ruhigeren Bahnen. In der Toskana bei Siena ersteigerte er ein Landgut, auf dem er Oliven anbaut. Am Freitag den 20 Juli 2012 wurde Otto Schily 80 Jahre alt.