Gedanken zum Jahresendspurt Ernüchterung statt Aufbruchsstimmung
Wirtschaft, Politik, Klinkenhäuser: Die Krise ist auf vielen Ebenen auch rund um Leonberg zu spüren, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
Wirtschaft, Politik, Klinkenhäuser: Die Krise ist auf vielen Ebenen auch rund um Leonberg zu spüren, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
Das Jahr 2024 geht in die Zielgerade, und es hat nichts mit Schwarzmalerei zu tun, wenn es auch in unserer Raumschaft als kein gutes in die Annalen eingehen wird. Die Wirtschaftskrise macht vor der über Jahrzehnte als reich und stabil geltenden Region Stuttgart nicht Halt. Trumpf, das Vorzeige-Unternehmen aus Ditzingen, verzeichnet einen spürbaren Umsatzrückgang und hat sich selbst ein Sparprogramm auferlegt.
Beim bisherigen Musterknaben Bosch wenden sich die um ihre Existenz bangenenden Mitarbeiter nach draußen. Jüngst standen die Leute vor den Toren des neuen Campus in Leonberg und des Forschungszentrums in Renningen – beides Paradebauten, die in ihrer architektonischen Kühnheit die große Zukunft des Technologiekonzerns in seinem direkten Kerngebiet symbolisieren sollten. Stattdessen hingen bis kurz vor Weihnachten Plakate mit Hilferufen in den Fenstern. In unzähligen kleinen Betrieben, die gerade den alten Landkreis Leonberg prägen, sieht es nicht besser aus. Allerorten Ernüchterung statt Aufbruchsstimmung.
Diese hängt natürlich mit der Politik zusammen. Dabei muss der Blick nicht nach Berlin oder Brüssel fallen. In vielen Rathäusern läuft es ebenfalls nicht rund. In Leonberg hat die Krise freilich nur bedingt mit ökonomischen Rahmenbedingungen zu tun, sondern vielmehr mit einem beispiellosen Konflikt an der Verwaltungsspitze. Seit mehr als anderthalb Jahren stehen sich der Oberbürgermeister und seine Stellvertreterin verfeindet gegenüber. Die Erste Bürgermeisterin wurde von ihrem Chef zwangsbeurlaubt, über die Ursachen kann nach wie vor nur spekuliert werden.
Im Zuge der ganzen Affäre hat sich das Verhältnis zwischen dem sozialdemokratischen Rathaus-Chef Martin Georg Cohn und den meisten Ratsfraktionen – auch seiner eigenen – massiv verschlechtert. Durch seinen Verzicht auf eine weitere Kandidatur im kommenden Jahr hat Cohn immerhin ein Stück weit zur atmosphärischen Entspannung beigetragen. Über die zwangsbeurlaubte Vize heißt es hingegen, dass sie nun den Chefsessel anstreben wolle. Dass Josefa Schmid zwischenzeitlich mit der Nachricht ihrer Vermählung mit Harald von Hohenzollern überraschte, und nun Prinzessin Josefa von Hohenzollern heißt, passt ins Bild dieser eigentlich unglaublichen Geschichte.
Da geht es in den anderen Rathäusern von Korntal-Münchingen bis Weil der Stadt wesentlich normaler zu. Auch der Einzug der AfD in den meisten Gemeinderäten hat bisher nicht zu einer im Vorfeld der Kommunalwahl von manchen befürchteten Verschärfung geführt. In Leonberg geben sich die beiden rechten Stadträte pragmatisch und sind bei Abstimmungen zumeist auf der Seite der Mehrheit zu finden. Ob das nach einem möglichen Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl so bleibt, ist offen.
Ein wenig aus dem lokalen Blickfeld geraten ist die Situation in der Medizin. Die Häuser des Klinikverbundes Südwest und der RKH-Kliniken im Kreis Ludwigsburg schreiben tiefrote Zahlen. Welche Auswirkungen die von der alten Bundesregierung durchgesetzte Krankenhausreform auf die medizinische Versorgung vor Ort haben wird, ist nicht wirklich absehbar. Fachleute erwarten insbesondere für das Leonberger Krankenhaus nichts Gutes. Zumal im Kreis Böblingen alle Kräfte, vor allem die finanziellen, für das Prestigeprojekt des Landrats, die Flugfeldklinik, gebündelt werden. Die soll vom Standard her den Kliniken im nahen Stuttgart Konkurrenz machen können. Was mit den vielen alltäglichen Fällen ist, für die es eine wohnortenahe Versorgung braucht, gerät immer mehr in den Hintergrund.
Was bleibt? Optimismus und Tatkraft, damit das neue Jahr ein besseres wird.