Eine Reclam-Band mit Reden, Erzählung und Essays erinnert an den großen Schriftsteller Robert Musil, der vor 75 Jahren in Genf gestorben ist.

Bauen/Wohnen: Tomo Pavlovic (pav)

Stuttgart - Gut möglich, dass der Titel ein falsches Versprechen ist. Auf dem Umschlag steht „Musil zum Vergnügen“, unter einer Zeichnung des Illustrators Nikolaus Heidelbach. Der Autor selbst sitzt mit Mascherl todernst im Cabrio, das auf Schienen rollt. Eine Warnung vielleicht: Sich in Robert Musils Werke zu vertiefen, kann einen befreienden Schwindel hervorrufen wie eine rasante Fahrt mit der Achterbahn. Doch wer als Leser vorzeitig aus einem Musilschen Gedankenlooping aussteigt, verlässt den literarischen Vergnügungspark mit Kopfschmerzen.

 

Präzise und sinnlich

Am 15. April 1942 ist der Autor von „Der Mann ohne Eigenschaften“ im Schweizer Exil gestorben, einen unvollendeten Roman hinterlassend, von dem Thomas Mann schrieb, er sei „ohne Zweifel größte Prosa, die mit dem Vornehmsten rangiert, was unsere Epoche überhaupt zu bieten hat.“ Leider wurde das epochale Oevre Musils schon immer mehr gelobt als gelesen, weshalb es sinnvoll ist, Romanauszüge mit anderen Texten in eine Anthologie zu packen.

Der Österreicher gehört zur seltenen Spezies des intellektuellen Schriftstellers. Seine Gesellschaftsanalysen waren so präzise und sinnlich wie sein poetisches Vermögen. Musil lesen bedeutet stets: Sich ins Denken zu verlieben. Diese verführerische Ästhetik der Intelligenz offenbart sich etwa in dem Essay „Über die Dummheit“. In dem Vortrag aus dem Jahr 1937 spricht Musil von einer „intelligenten“ Dummheit, um sie von der „ehrlichen“ Dummheit abzuheben. Diese höhere Form sei nicht auf einen Mangel an Intelligenz zurückzuführen. Ihr „Versagen“ beruhe darauf, dass sie sich „Leistungen anmaßt, die ihr nicht zustehen“. Die intelligente Dummheit könne „alle Kleider der Wahrheit“ anziehen. Was Musil vor 80 Jahren als Zeitkrankheit diagnostizierte, kommt einem angesichts der allgegenwärtigen Möchtegern-Faschos, Faktenleugner und Gerüchtestreuer unangenehm aktuell vor. Den Dummschlauen gehört die Welt – oder auch nicht, solange es Autoren wie Robert Musil gibt.