3. 3. 33 – sein Geburtsdatum prägt sich ein. Gerhard Mayer-Vorfelder war ein Macher mit Kanten. Am Freitag wäre er 90 Jahre alt geworden. Auf Einladung des VfB versammelt sich viel Fußball-Prominenz in Stuttgart. Die fröhliche Gedenkfeier hätte MV gut gefallen.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Mayer-Vorstopper, Mayer-Vorlaut, Mit Verspätung, Schlitzmayer-Ohrfelder oder nur MV. Die Liste seiner Spitznamen ist lang. Gerhard Mayer-Vorfelder, der seine Karriere zweigleisig vorantrieb, also sowohl im Sport beschleunigte (von 1975 bis 2000 als VfB-Präsident, von 2001 bis 2006 als DFB-Präsident) als auch via CDU in der Politik (von 1980 bis 1991 als Kultusminister, von 1991 bis 1998 als Finanzminister), stammt aus einer  anderen  Zeit, als  es noch echte Typen gab, nicht nur weichgespülte Gernegroße. MV hatte Freunde und Feinde. Manche gehörten zu der einen wie zu der anderen Kategorie. Reiz- und Vaterfigur war er zugleich, nie aalglatt, stets mit Ecken und Kanten. Egal war er niemandem.

 

Oettinger: „Wer ihn wirklich kannte, musste ihn mögen“

Am Freitagabend versammeln sich in der Soccer Lounge der Mercedes-Benz-Arena etwa 200 Gäste, Fußballlegenden, Politiker, seine Frau Margit Mayer-Vorfelder mit Familie und Freunden, um an den VfB-Ehrenpräsidenten zu erinnern, der große Spuren hinterlassen hat. Fast jeder kann eine Anekdote von ihm erzählen. „Wer ihn wirklich kannte, musste ihn mögen“, sagt der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger, „MV hatte eine raue Schale, aber einen weichen Kern.“ Zu seinen Verdiensten zähle, dass er die Kinder- und Jugendarbeit beim Fußball so grundlegend verbessert habe, dass Deutschland Weltmeister werden konnte. Eines ist Oettinger wichtig: „Er war kein Rechtsradikaler, sondern ein Konservativer.“

DFB-Sportdirektor Rudi Völler ist nach Stuttgart gereist, ebenso wie Trainer Christoph Daum und der frühere DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Sie eint eine enge Verbindung zu MV. Daum erinnert an zahlreiche Nächte, die er bei Mayer-Vorfelder daheim verbracht hat. Er sei für ihn „wie ein Vater“ gewesen. Beim Gedenkabend sind keine VfB-Spieler dabei, die am Samstag gegen Bayern München auf dem Rasen stehen.

Ach, wie würde Gerhard Mayer-Vorfelder leiden angesichts der kritischen Lage seines Vereins! Kummer war er gewohnt, erlebte aber auch, wie es stets wieder aufwärts ging. Seine Botschaft: Stets an das Beste glauben!

Der Abend beginnt mit Musik – DJane Alegra Cole und Saxofonist Sebastian Lilienthal spielen Sinatras „My Way“. Das Lieblingslied von MV, das bei der Beerdigung 2015 erklang, war so etwas wie sein Lebensprogramm. Stets ging er gradlinig seinen Weg – auch gegen Widerstände. Unter den Gästen sind VfB-Legenden wie Guido Buchwald, Karl Allgöwer, Hansi Müller, Maurizio Gaudino, Günther Schäfer, Helmut Roleder und VfB-Ehrenpräsident Manfred Haas. OB Frank Nopper prophezeit für den am 3.3. 33 geborenen MV drei Punkte am Samstag für den VfB.

„Er war meist weg“, sagt die Tochter, „aber trotzdem immer für uns da“

Der Freundeskreis von Mayer-Vorfelder schenkt seiner Frau, den Kindern und dem VfB mit dem Vorstandsvorsitzenden Alexander Wehrle einen Überraschungsauftritt: Musicalstar Kevin Tarte , der bald zu „Tanz der Vampire“ zurückkehrt, singt betörend.

Der Gedenkabend (moderiert von Alexander „Sandy“ Franke) hat etwas von der Feier einer großen Familie. Man hält eng zusammen! Tochter Marion Mayer-Vorfelder erinnert in ihrer Rede sehr anrührend an ihren Vater. „Er war meist weg, aber trotzdem für uns immer da“, sagt sie. Ihr Vater habe polarisiert, weshalb es für sie in der Schule nicht immer leicht gewesen sei. Aber er habe immer „klare Wertvorstellungen“ vorgelebt.

Sein Rat fehlt ihr – auch sein Humor. „Er war sehr lustig!“ Die Tochter, die in der Schweiz lebt und für die Fifa gearbeitet hat, erzählt, wie ihr Vater einmal den letzten Teil einer Klausur fürs Kleine Latinum für sie übersetzt habe. Dies habe sie dem Professor gestanden. In dessen Bewertung stand dann: „Der erste Teil ist befriedigend, Marion, der letzte Teil ist sehr gut, Herr Minister!“

Susanne Eisenmann hat nie gesehen, „wie MV Trollinger trank“

VfB-Präsident Claus Vogt lobt: „MV war ein Paradebeispiel für die Kategorie der echten Macher.“ Er sei „in einer der größten Krisen des Vereins“ 1975 Präsident geworden und habe diesen vom Wiederaufstieg 1977 bis in die 80er „völlig neu aufgestellt“ und den VfB „zur renommierten Adresse im deutschen und europäischen Fußball gemacht“. Schon früh habe MV erkannt, „dass Fußball mehr ist als ein 1:0, dass Fußball mehr kann, dass Fußball eine gewichtige Rolle in unserer Gesellschaft spielt“.

Dass der raffinierte Taktiker und Roth-Händle-Raucher auch den Spitznamen Mayer-Trollinger besaß, versteht die frühere Kultusministerin Susanne Eisenmann nicht. „Ich hab nie gesehen, wie er Trollinger trank“, sagt sie, „er bevorzugte Champagner.“ Als junge Frau in der CDU habe sie viel von ihm gelernt. „In acht von neun Punkten waren wir anderer Meinung“, erinnert sie sich, „ich war nie so konservativ wie er.“ Aber er habe vorgelebt, wie man Rückgrat beweist, wie man sich mit anderen Ansichten fair und ehrlich auseinandersetzt.

So starke Köpfe wie er fehlen, sind sich viele einig. MV ist seinen Weg gegangen – Stuttgart braucht Menschen, die für Widerspruch gut sind und was bewegen. Wie ihn seine Freunde an diesem Abend fröhlich feiern, gefällt ihm bestimmt von ganz oben.