Der frühere württembergischen Staatspräsident und Widerstandskämpfer Eugen Bolz wurde vor 80 Jahren von den Nazis hingerichtet. Bei einem Gedenkgottesdienst in St. Eberhard legt Innenminister Thomas Strobl ein klares politisches Bekenntnis ab.
Kirche mal anders: Statt an der Kanzel zu stehen, hat der katholische Stadtdekan Christian Hermes einen Gedenkgottesdienst in der Domkirche St. Eberhard als Gespräch gestaltet. Sein Gesprächspartner war Innenminister Thomas Strobl (CDU). Ihr Thema: Eugen Bolz, der „große Christ und Demokrat“, der vor 80 Jahren, am 23. Februar 1945, in Berlin hingerichtet wurde. Der frühere württembergische Innenminister und Staatspräsident, der für die Zentrum-Partei viele Jahre im Berliner Reichstag saß, war im Gefolge des Attentatsversuchs auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 verhaftet und am 21. Dezember 1943 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt worden.
Eine zeitlose wichtige Haltung
Viele Jahre lang war der gebürtige Rottenburger, der lange Zeit in Stuttgart lebte und dessen Pfarrkirche St. Eberhard war, in der öffentlichen Wahrnehmung unterbelichtet. Das hat sich geändert, wie der von musikalisch von der Domkapelle umrahmte Gedenkgottesdienst in der bemerkenswert vollen Domkirche zeigte. Für den Innenminister ist Bolz heute „einer der bedeutendsten demokratischen Politiker in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ – und jemand, an dem man sich orientieren kann: „Je länger ich mich mit Bolz beschäftige, desto klarer wird mir, dass ich mich nicht mit der Vergangenheit beschäftige, sondern mit der Gegenwart und Zukunft“, sagte Strobl. Denn die Haltung, die Bolz bewiesen habe, sei zeitlos wichtig. Hermes charakterisierte sie als „standhaft, aufrichtig und mutig“. Bolz sei ein „Demokrat der ersten Stunde“ und ein großer „Glaubenszeuge“ gewesen. Das Bolz-Denkmal an der Fassade der Domkirche, wo im Anschluss an den Gedenkgottesdienst Kränze niedergelegt wurden, ziert der Bolz-Satz: „Politik ist nichts anderes als praktische Religion.“
Von Bolz lernen heißt für Strobl, „Nazis nicht zu unterschätzen“. Diesem Irrtum war seinerzeit auch Bolz erlegen. In den Nationalsozialisten sah er eine vorübergehende Erscheinung. Als württembergischer Innenminister ging er gegen Kommunisten schärfer vor. Strobl hält Bolz zugute, dass er jedoch früher als andere erkannt habe, in welche Richtung Hitler steuert. Für sich selbst hat der Minister daraus den Schluss gezogen: „Extremisten darf man niemals Regierungsverantwortung übertragen und niemals gemeinsame Sache mit ihnen machen.“ Auf die Frage des Stadtdekans, ob die Demokratie heute „wetterfester“ sei als in der Weimarer Republik, sagte Strobl: „Sie ist wetterfest, aber nicht gottgegeben.“ Vielmehr müsse sie immer wieder erarbeitet werden. Es brauche ausreichend engagierte Demokraten „sonst wird sie nicht überleben.“ Man müsse sich bewusst machen, was man zu verlieren habe.